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    Der Staatsfeind Nr. 1
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Der Staatsfeind Nr. 1
    Von Tobias Diekmann

    Jerry Bruckheimer steht wie kaum ein anderer Film- und Fernsehproduzent für den modernen amerikanischen Blockbuster mit seinem in filmischen Aspekten behafteten Etikett der Marke „Gigantonomie“. Seine Filme spielten bisher weit über 15 Milliarden Dollar an den Kinokassen ein, und sind immer wieder der Beweis dafür, dass mit prominenten Schauspielern als prestigeträchtige Zugpferde, in Verbindung gebracht mit perfekt inszeniertem Actionspektakel, die Massen für einen Gang in die Multiplexkinos mobilisiert werden können. Natürlich sind dann Ergebnisse dieser Größenordnung leichtes Futter für Häme und Kritik (Armageddon als eher grenzwertig zu betrachtendes US-Patriotenmachwerk sei hier mal beispielhaft erwähnt), und – kommerzieller Erfolg hin oder her - somit unter regelmäßiger Beobachtung der Weltpresse. Und eigentlich wären wir damit auch schon grob beim Thema des 1998 entstandenen Polit-Actionthrillers „Der Staatsfeind Nr.1“ - in der Produktion von eben Bruckheimer und unter der Regie von Tony Scott, mit Will Smith und Gene Hackman in den Hauptrollen (in diesem Fall die Zugpferde). Denn der Film setzt sich mit den Möglichkeiten globaler Überwachungsstrategien auseinander, und versucht eingebettet in einen tempo- und actionreichen Hauptplot, kritische (Kamera)Blicke auf eine im besten Sinne Orwellsche Realität zu legen. Aber keine Angst: Hier bleibt dennoch alles US-Actionkino in Reinkultur, mit einer kleinen Prise Tiefgang für zwischendurch, und Smith als Held im Zentrum. Unterhaltungskino as usual? Unbedingt.

    Der junge und zielstrebige Staranwalt Robert Clayton Dean (Will Smith) hat alles, wovon ein junger Mann träumen kann: Einen angesehenen Beruf, ein schickes Haus, eine ihn liebende Ehefrau (Regina King) und einen kleinen Sohn. Doch plötzlich gerät der ahnungslose Vater in den Besitz eines brisanten Videos, der den Top-Beamten Thomas Brian Reynolds (Jon Voight) vom mächtigen US-Geheimdienst NSA mit einem von ihm fingierten politisch motivierten Mord in Verbindung bringt. Ohne zu wissen, in was für einer Gefahr er sich unvermittelt befindet, gerät Dean ins Visier der von Reynolds auf ihn angesetzten NSA-Agenten. Mit Hilfe modernster technischer (und global operierender) Überwachsungsapparate löschen sie nach und nach Deans gesamte Existenz aus. Er verliert seinen Job, seine Frau und zunehmend seine Identität. Bei der Flucht vor seinen Verfolgern, hilft ihm der ehemalige NSA-Agent Brill (Gene Hackman, angelehnt an seine Rolle als Harry Caul in „Der Dialog“), der seit Jahren undercover operiert. Gemeinsam versuchen sie nun, sich ihrem übermächtigen Gegner entgegenzustellen, und das die Führungsriege schwer belastende Videomaterial öffentlich zu machen. Denn nur so bekommt Dean die Möglichkeit, sein altes Leben zurückzubekommen.

    Es ist natürlich immer wieder so eine Sache mit den Erwartungen, die das Publikum an einen Film wie „Der Staatsfeind Nr. 1“ stellen kann, zumal sich bezüglich der Thematik eines überwachten Staates die Möglichkeit aufdrängt, sich vollends in einem psychologisch ausgefeilten und tief ins Detail gehenden Thriller zu vergehen, der ethische Grundsatzfragen bis ins Detail ausschlachtet. Wer Jerry Bruckheimer kennt, weiß jedoch, dass das nicht seine Welt ist, und man es demnach auch bei diesem Film mit einem lupenreinen Action-Thriller zu tun hat. Dennoch werden, ob bewusst oder nicht sei mal dahingestellt, durchaus interessante Fragen aufgeworfen, die – sowohl vor zehn Jahren, als auch heute – ihren Aktualitätsbezug nicht verloren haben. Der Überwachungsstaat ist ja schon längst kein utopischer Gedanke mehr (von unserer DDR-Vergangenheit mal ganz ab), sondern mittlerweile an jeder Ecke in Form von kontinuierlich das Geschehen aufzeichnenden Kameras zu finden. Big Brother is watching you, egal ob im Supermarkt oder auf öffentlichen Plätzen. Das interessiert ja eigentlich auch schon keinen mehr, sondern wird im Zuge des Sicherheitsgedanken weitestgehend akzeptiert, und auf erweiterter Ebene in Form von Voyeurismus-Formaten im Fernsehen seit jeher bedient.

    Scott und Bruckheimer kreieren nun ein Verschwörungsszenario, welches sehr gut zeigt, wie offensichtlich transparent das Leben auf dieser Erde ist, wenn solch ein global vernetzter Überwachungsapparat für kriminelle Machenschaften manipuliert wird. Klar, das ist vom Thema her alles andere als neu, und wurde so oder ähnlich schon öfters filmisch aufgearbeitet (allein Sandra Bullock versuchte drei Jahre vorher in „Das Netz“ ihre von bösen Mächten manipulierte Identität wiederzuerlangen). Dennoch ist nach Bruckheimer–Richtmaß ein extrem solider und geradeaus inszenierter Film dabei herausgekommen, der sich selbst vor allem auch stilistisch immer wieder bricht und die Schwarz/Weiß-Optik der Kontrollinstanzen einbaut, was den selbstreferenziellen Effekt und somit beobachtenden Blick von Außen verstärkt, und durchaus seine Wirkung hat. Hier hätte man sich zwar manchmal im Zuge des Spannungsaufbaus ein wenig mehr Zurückhaltung gewünscht, da man von Seiten der korrupten NSA-Mannschaft im Vorfeld nun wirklich bis ins Detail jeden noch so kleinen Schritt mitverfolgen kann, und demnach auch immer sofort in Kenntnis darüber gesetzt wird, wie es zur Ortung des Zielobjekts gekommen ist. Aber nun gut, hier geht es um die größtmögliche Offenlegung des technischen Überwachungssystems mit all ihren Möglichkeiten. Protzen statt kaschieren. Bruckheimer halt.

    Selbstverständlich kam „Der Staatsfeind Nr. 1“ nicht ohne ein Zugpferd aus, um ein Kassenhit zu werden, und somit verwundert es kaum, dass der gesamte Film fast ausschließlich auf den schon damals in die A-Riege der Hollywoodstars aufgestiegene Will Smith zugeschnitten ist, der diese Rolle aber tragen und komplett ausfüllen kann. Bruckheimer seinerseits hat nach Filmen wie The Rock oder Bad Boys ein weiteres Mal beweisen können, dass er neben einigen Totalausfällen durchaus auch einigermaßen intelligentes und hoch spannendes Mainstreamkino machen kann, und ihm der kontinuierliche Erfolg bis heute Recht gibt.

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