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    Angèle und Tony
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Angèle und Tony
    Von Ulf Lepelmeier

    Wie schon in „Der Junge mit dem Fahrrad", dem Eröffnungsfilm des Filmfest München 2011, spielt auch in „Angèle und Tony" ein zweirädriges Fortbewegungsmittel eine zentrale Rolle. Und dies ist nicht die einzige Parallele, die der Debütfilm von Regisseurin Alix Delaporte zum Werkekanon der Gebrüder Dardenne aufweist. Anders als es der Titel zunächst suggeriert, handelt es sich bei „Angèle und Tony" nämlich nicht um eine romantische Komödie, sondern um ein Sozialdrama im Milieu der einfachen Fischer in der Normandie. Angèle, die nach zweijähriger Haft wieder ein normales Leben aufzubauen versucht und unbedingt ihren Sohn zu sich holen möchte, gerät mittels einer Annonce an den desillusionierten Fischer Tony. Ihr Eintritt in die Welt des Fischerdorfs und ihr Kampf um einen Neuanfang sind dabei etwas spröde geraten, dafür werden gute Schauspielleistungen geboten.

    Nach zweijährigem Gefängnisaufenthalt versucht Angèle (Clotilde Hesme) über Kontaktanzeigen, möglichst schnell einen heiratswilligen Mann ausfindig zu machen; vor allem, um so das Sorgerecht für ihren Sohn Yohan (Antoine Couleau) zurück zu erlangen, der bei ihren Schwiegereltern lebt. Der bodenständige Tony (Grégory Gadebois) ist jedoch äußerst misstrauisch, warum sich die schöne Angèle ausgerechnet mit ihm abgeben will – und blockt die aufdringlichen sexuellen Avancen der jungen Frau ab. Stattdessen bietet er ihr an, für ihn auf dem Fischmarkt zu arbeiten und in das Haus einzuziehen, das er mit seiner kühlen Mutter Myriam (Evelyne Didi) und seinem Bruder Ryan (Jérôme Huguet) an der Küste der Normandie bewohnt. Angéle, die ihre Gefängnisvergangenheit verschwiegen hat, muss lernen, mit den Mitgliedern der wortkargen Fischergemeinschaft und ihrem neuen Gatten auszukommen...

    Der Ausgangspunkt des Films „Angèle und Tony", der mit dem Prix Michel d'Ornano als bester französischer Debütfilm ausgezeichneten wurde, war für Regisseurin Alix Delaporte ein Bild von einer Mutter mit ihrem Kind am Strand. Delaporte beschloss, die Ereignisse hinter diesem lichten Moment der Hoffnung zu ergründen und entwarf die Figur der Angèle, die sich nach ihrem Sohn sehnt, aber auf Grund ihrer schwierigen Vergangenheit kaum eine Möglichkeit sieht, ihn wieder zu sich nehmen zu dürfen – alleine ihr Wunsch, neue Verantwortung für den längst fremd gewordenen Yohan zu übernehmen, hat im Sorgerrechtsstreit kaum Gewicht. Angèle ist eine verschwiegene Person, die durch ihre Modelgestalt bei den Dorfbewohnern und insbesondere bei Tonys argwöhnischer Mutter erst auf harsche Ablehnung stößt.

    Clotilde Hesme verkörpert die kämpferische Schöne mit Elan und arbeitet den Wandel und die Öffnung der Protagonistin gekonnt hervor. Neben ihr agiert Grégory Gadebois („Gainsbourg") zurückhaltend, aber nicht minder überzeugend, als wortkarger aber gutherziger Tony. Delaporte demonstriert ihr Regie-Talent bei der ruhigen Beobachtung ihrer stillen und desillusionierten Figuren, denen sie vorerst auch den nötigen Raum zur Entwicklung einräumt. Doch trotz toller Hauptdarsteller und angenehm unsentimentaler, phasenweise gleich zu spröder Inszenierung fügen sich die finalen Momente kaum in den bis dahin so schlüssigen Handlungsverlauf ein.

    Der packende Auftakt, der an das Oeuvre der Dardenne-Brüder erinnert, wird zu Gunsten eines versöhnlichen Endes verwässert; die rauen Milieu-Bilder und das Resozialisierungsdrama werden mit dem überwältigend harmonischen Schlusspunkt geradezu konterkariert. Die Altlasten und Probleme, mit denen Angèle und Tony umzugehen haben und die das Aufbauen von Vertrauen so extrem erschweren, lösen sich mit der Zeit in illusorischer Weise einfach in Wohlgefallen auf. Auch der Arbeitskampf der Fischer bleibt merkwürdig vage, obwohl er beständig im Hintergrund Erwähnung findet. Und so kommt Delaporte wieder bei ihrem Ausgangspunkt an – einem Bild, das einen starken Film inspiriert hat und dann doch ohne zwingenden Bezug zu „Angèle und Tony" bleibt.

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