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    The Devil's Double
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    The Devil's Double
    Von Jan Hamm

    Ob Latif Yahias autobiographische Memoiren für bare Münze zu nehmen sind, ist umstritten – eine aufregende Erzählung ist „The Devil's Double" von 2003 aber in jedem Fall. Bereits im Kindesalter soll Yahia seinem Klassenkameraden Udai, dem Sohn des irakischen Diktators Saddam Hussein, zum Verwechseln ähnlich gesehen haben. Mit 23 Jahren wurde der Soldat aus dem Iran-Irak-Krieg dann abgezogen, um dem Regime als Doppelgänger des Despotensohnes zu dienen; vier Jahre lang, bis ihm 1991 die Flucht ins Ausland glückte. In seiner freien Verfilmung deutet der Neuseeländer Lee Tamahori („James Bond 007 - Stirb an einem anderen Tag") diese vier Jahre nun zum Gangster-Thriller mit verkehrten Vorzeichen um: Hier kämpft sich niemand nach oben, vielmehr wird Yahia von einem kriminellen Staat zum sozialen Aufstieg gezwungen. Eine spannende Prämisse! Schade, dass Tamahori über weite Strecken bloß Udais Grausamkeit in Szene setzt, statt die mutmaßliche Zerrissenheit seines Protagonisten zu ergründen. Sehenswert ist „The Devil's Double" dennoch – in seiner Doppelrolle als Latif/Udai absolviert Newcomer Dominic Cooper nämlich einen wahrhaft großartigen Leinwand-Auftritt.

    Als Latif Yahia (Dominic Cooper) in Udai Husseins Palast bestellt wird, ist sein weiterer Lebensweg bereits beschlossene Sache. Nach einer harten Nacht in Beugehaft und kaum verhohlenen Drohungen in Richtung seiner Familie erkennt der widerwillige Soldat den Ernst der Lage und tritt seinen Doppelgänger-Dienst im Auftrag des irakischen Teufels an. Nachdem er von Saddam (Philip Quast) höchstpersönlich zum neuen Familienmitglied ernannt wird, muss er entsetzliche Bluttaten bezeugen – seien es Folterszenen aus Udais privater VHS-Sammlung oder Morde, die unmittelbar vor seinen Augen geschehen. Selbst Udais rechte Hand Munem (Raad Rawi) kann nicht wiedersprechen, als der Doppelgänger seinen unberechenbaren Herren aus sicherer Distanz als Psychopathen bezeichnet. Gemeinsam mit Udais verzweifelter Gespielin Sarrab (Ludivine Sagnier) plant Latif seine Flucht aus dem Irak – eine Sünde, die der Tyrann nicht ungestraft lassen kann...

    Dass Lee Tamahori und Drehbuchautor Michael Thomas es nicht allzu genau mit der Historie nehmen und so etwa ihren Protagonisten an die Stelle des Attentäters setzen, der Udai fünf Jahre nach Latifs Flucht beinahe zum Krüppel schoss, ist unter dramaturgischen Gesichtspunkten durchaus plausibel. Lediglich Brian De Palma hat mit „Redacted" einen hochgradig politischen Irak-Film vorgelegt. Den meisten Filmemachern dient das im Westen seit dem Golfkrieg medial dauerpräsente und doch keineswegs weniger fremde Land dagegen eher als Genre-Spielplatz, von Kathryn Bigelows Oscar-Erfolg „Tödliches Kommando - The Hurt Locker" über Ridley Scotts Agententhriller „Der Mann, der niemals lebte" bis zu Grant Heslovs Komödie „Männer die auf Ziegen starren". In dieser Tradition ist auch „The Devil's Double" nicht im eigentlichen Sinne eine irakische Geschichte.

    Wie die BBC mit ihrer „Sopranos"-Variante „House of Saddam" dreht auch Tamahori seinen Stoff zum schnurgeraden Gangster-Thriller um. Auf dem Papier liest sich sein Film, als hätte er den aufbrausenden Aufsteiger Tony „Scarface" Montana (Al Pacino) in zwei Persönlichkeitsaspekte aufgespalten. Als Abbild eines Monsters vier Höllenjahre und elf nachvollziehbar motivierte Anschläge zu überleben, von denen hier bloß einer schnell und folgenlos aufgegriffen wird, das muss einen Menschen zeichnen – und erst recht eine Genre-Filmfigur. Doch während Udais Irrsinn genüßlich durchinszeniert wird, bleiben dessen Spitzen bloße Behauptung: „Ich habe dich geschaffen, Latif!" Wie viel substantieller wäre „The Devil's Double" ausgefallen, hätten Tamahori und Thomas ihren Protagonisten tatsächlich mit Macht und Luxus in Versuchung geführt und seinen inneren Konflikt ausgelotet!

    Stattdessen wird Latif zum passiven Zuschauer degradiert, der seine weiße Weste bis zum Schluss anbehält. Dass „The Devil's Double" darüber nicht schlichtweg langweilig wird, darf sich einzig und allein Dominic Cooper auf die Fahnen schreiben. Mit Latif und Udai, mit sensiblem Understatement und purer Raserei, lotet er im Spiel gegen sich selbst zwei darstellerische Extreme aus. Blockbuster-Freunden dürfte er seit seinem Auftritt als „Iron Man"-Daddy Howard Stark in „Captain America - The First Avenger" ohnehin ein Begriff sein, hier aber empfiehlt er sich mit Nachdruck für anspruchsvolle Rollen. Allen Schwächen des Films zum Trotz: Wenn Cooper als Udai mit sich überschlagender Fistelstimme eine Drag-Queen aufreißt oder sich in der inzestuösen Umarmung seiner Mutter räkelt, pulsiert die Leinwand.

    Fazit: Lee Tamahoris „The Devil's Double" ist ein oberflächlicher Hochglanz-Thriller, dessen thematisches Potential weitestgehend in einer langen Sequenz willkürlicher Gewalt verpufft. Dominic Coopers Tour de Force ist den Kauf eines Kinotickets dabei jedoch allemal wert.

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