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    Deep Impact
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,5
    enttäuschend
    Deep Impact
    Von Ulrich Behrens

    Katastrophenfilme, gut gemacht, dokumentieren weit verbreitete Ängste angesichts von Ereignissen, die zumeist unverhofft eintreten und gegen deren Folgen die Betroffenen nur wenig tun können. Zumeist sind es dann einzelne, die in heroischem Abwehrkampf und mit dem Mut der Verzweiflung Auswege suchen und finden. Entscheidend ist – wie fast immer –, ob es in der Inszenierung gelingt, Charaktere zu präsentieren, mit denen eine Identifikation möglich ist. Fehlt dies weitgehend, bleibt es zumeist bei Crash & Bang – es wird laut, es kracht, es schreit, aber mehr auch nicht.

    Das Kinojahr 1998 lieferte gleich zwei Katastrophenfilme mit gleichem Thema: Asteroiden respektive Kometen rasen auf die Erde zu. Was tun, sprach Zeus? In Michael Bays „Armageddon“ kämpften Willis, Thornton, Affleck, Tyler u.a., in Mimi Leders „Deep Impact“ versuchte Alt-Mime Robert Duvall neben einer ganzen Heerschar berühmter Kollegen sein Glück. Aber wie schon bei „Projekt: Peacemaker“ (1997), in dem Kidman und Clooney dem Frieden auf Erden nachjagten, gelingt es Leder auch hier nicht, das zu tun, was gerade bei diesem Genre so wichtig ist: eine handfeste Geschichte zu erzählen.

    Der Schüler Leo Beiderman (Elijah Wood) entdeckt mit seinem Teleskop einen vermeintlich neuen Stern und meldet dies dem AstronomenWolf (Charles Martin Smith). Es handelt sich allerdings nicht um einen Stern, sondern um einen Kometen, der direkt auf die Erde zu rast. Wolf, der dies der Regierung berichten will, kommt bei einem Autounfall ums Leben.

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    Ein Jahr später arbeitet die Journalistin des TV-Senders MSNBC Jenny Lerner (Téa Leoni) am Fall des Finanzministers Rittenhouse (James Cromwell), der angeblich aus rein privaten Gründen zurückgetreten ist. Sie vermutet, dass der Rücktritt mit einer Affäre des Präsidenten Tom Beck (Morgen Freeman) mit einer Frau namens Ellie zu tun hat. Rittenhouse sei geopfert worden, so schließt sie weiter, um die Position des Präsidenten nicht zu gefährden. Doch es geht nicht um eine „Ellie“ sondern um ELE – Extinction Level Event –, ein Regierungsprojekt zur Abwehr einer außerirdischen Gefahr. Präsident Beck sieht sich angesichts der Ermittlungen von Jenny Lerner gezwungen, die Weltöffentlichkeit früher als geplant über die Gefahr zu informieren, von der die Regierung seit einem Jahr Kenntnis hat: Ein Komet von der Größe New Yorks und einer Länge von 11 Kilometern rast auf die Erde zu und würde bei einem Aufprall höchstwahrscheinlich den blauen Planeten weitgehend zerstören.

    Lerner vermutet jetzt, dass Rittenhouse zurücktreten musste, weil er die Öffentlichkeit wesentlich früher von der Gefahr aus dem All informieren wollte.

    Die Regierung arbeitet zusammen mit Russland fieberhaft an einer Abwehrmöglichkeit. Sechs Astronauten, darunter der Russe Tulchinsky (Aleksandr Baluyev) sowie die Amerikaner Monash (Ron Eldard), Dr. Partenza (Jon Favreau), Baker (Mary McCormack) und Simon (Blair Underwood) und last but not least der alte Hase Captain Tanner (Robert Duvall) sollen mit einem Raumschiff auf dem Kometen landen und atomare Sprengköpfe in ihm versenken, um ihn zu zerstören. Obwohl die Landung gelingt und die Besatzung der „Messiah“ die Sprengköpfe in 100 Metern Tiefe anbringen kann, muss Dr. Partenza bei dem Einsatz sein Leben lassen. Dr. Monash erblindet durch Sonnenlicht, weil die Besatzung nicht rechtzeitig mit ihrer Arbeit fertig wird. Schlimmer noch: Der Komet teilt sich in zwei Teile, die weiterhin Kurs auf die Erde nehmen.

    Dort plant die Regierung die unterirdische Evakuierung von ca. einer Million ausgesuchter bzw. durch Los bestimmter Menschen, die nach der Katastrophe mit dem Wiederaufbau beginnen sollen. Derweil überlegt die Besatzung der „Messiah“, was mit den verbleibenden atomaren Sprengköpfen noch getan werden könnte, um die Auswirkungen der Einschläge zu minimieren ...

    Im Zentrum des ersten wie zweiten Teils des Films (d.h. vor und nach dem Einschlag des kleineren Teils des Kometen) stehen nicht so sehr die Versuche der „Messiah“, den Aufprall der Kometenteile zu verhindern. Das Drehbuch beschäftigt sich lieber mit vielen kleinen Geschichten – als da sind: die Geschichte der Familie Beiderman; die Konflikte zwischen Jenny Lerner und ihrem Vater Jason (Maximilian Schell), der sich von seiner Frau (Vanessa Redgrave) getrennt und eine jüngere Frau geheiratet hat; die Konflikte zwischen der jungen Crew des Raumschiffes und dem wesentlich älteren „Fish“ Tanner; die Liebesgeschichte zwischen Leo Beiderman und seiner Freundin; die unaufgeklärten Umstände des Rücktritts von Alan Rittenhouse. Die Drehbuchautoren und Mimi Leder deuten diese Dinge an, ohne sie wirklich (weiter) zu erzählen. All das verbleibt in einem unbestimmten, nicht annähernd vertieften Bereich und macht es so gut wie unmöglich, sich mit irgend jemandem wirklich zu identifizieren. Selbst Téa Leon in der Rolle der Journalistin vermag kaum Sympathie zu wecken. In diese Geschichtchen, die eigentlich keine sind, vermischt das Drehbuch dann die Rettungsaktion. Die ist – so wenig spannend der Film insgesamt ist – derart langatmig und langweilig inszeniert, dass man nur den Kopf schütteln kann.

    Die Garde bekannter Schauspieler, insbesondere Vanessa Redgrave, Maximilian Schell, Elijah Wood und James Cromwell ist völlig unterbeschäftigt, so dass man schon fast von Statistenrollen sprechen muss. Nach dem Einschlag des ersten Kometenteils, der riesige Flutwellen auslöst, ergeht sich der Film in Rührseligkeit: Plötzlich wollen alle, denen von der Regierung ein Platz im Unterirdischen zugewiesen wurde, großmütig zugunsten anderer verzichten.

    Zudem erhält der Film Ungereimtheiten, die schon damit beginnen, dass die US-Regierung angeblich ein Jahr geheimhalten konnte, dass sich ein Komet auf die Erde zu bewegt. Gab es in dieser Zeit keinen Astronomen auf der Welt, der die Gefahr nicht bemerkt haben sollte? Die Inszenierung greift zwar die Frage auf, wie Menschen in einer solchen Situation reagieren würden, aber Leder verfolgt diese Frage nicht einmal halbwegs. Man zeigt Folgen von Plünderungen, mit Autos vollgestopfte Straßen und brennende Häuser – that’s all. Würde es nicht zu Aufständen, panischen (Massen-)Reaktionen kommen? Wie würden sich einzelne in einer solchen Situation verhalten? Wie würde die Regierung damit umgehen? Welche Widersprüche würden auftauchen, auch und gerade in den Reihen der Regierung? Was ist mit anderen Ländern und deren Regierungen? Nicht nur das. Auch die Landung der „Messiah“ auf dem Kometen verläuft so glatt – bis auf einige Steinbrocken, die das Raumschiff treffen –, dass man sich nur wundern kann. Gleiches gilt für die Versenkung der atomaren Sprengköpfe.

    Das einzige, was ich dem Film gerade noch zugute halten kann, sind die special effects nach dem Einschlag des ersten Teils des Kometen (Flutwelle), aber selbst diese Effekte berauschen nicht übermäßig.

    Der Lieb- und Phantasielosigkeit, mit der dieser Film inszeniert wurde, entspricht die Inflation der vorgestellten Figuren, denen es einfach an Persönlichkeit fehlt. Routiniert ist noch ein schwaches Wort für einen Film, der über zwei Stunden lang im Grunde nur langweilen kann und dessen Finale sich in Pathos ergießt.

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