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    Der kleine Prinz
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Der kleine Prinz
    Von Michael Meyns

    Zahllose Hörspielfassungen, eine Bühnenversion und mehrere Verfilmungen gab es bislang von Antoine de Saint-Exupérys Kinderbuch „Der kleine Prinz“, erstaunlicherweise aber noch keinen Kinoanimationsfilm. Angesichts der berühmten Zeichnungen, mit denen der Autor selbst sein 1943 zuerst veröffentlichtes Werk illustrierte, eine überraschende Lücke. Diese schließt nun ausgerechnet Mark Osborne, der als Regisseur des turbulent-actiongeladenen CGI-Animationsabenteuers „Kung Fu Panda“ nicht unbedingt eine naheliegende Wahl für den pazifistisch-poetischen Kleinen Prinzen zu sein scheint. Doch dank eines originellen Ansatzes gelingt es ihm, die Aktualität und die Zeitlosigkeit der über 70 Jahre alte Geschichte herauszuarbeiten und so wird das Animationsmärchen „Der kleine Prinz“ zu einem sehenswerten Plädoyer für die Kraft der Phantasie.

    Das kleine Mädchen (gesprochen von Mackenzie Foy) lebt mit ihrer Mutter (Rachel McAdams) in einer ebenso namen- wie seelenlosen Stadt. Das Mädchen soll sich auf die Aufnahmeprüfung an einer Elite-Schule vorbereiten, doch statt dessen freundet es sich mit ihrem Nachbarn an, einem Piloten (Jeff Bridges mit übertriebener Märchenonkelstimme). Der gibt ihm nach und nach die Seiten der Erzählung vom Kleinen Prinzen (Paul Rudd). Von dem Phantasiereichtum der Geschichte ist das zur vollkommenen Rationalität erzogene Mädchen zunächst verwirrt. Doch der märchenhafte Zauber der Erzählung um den Prinzen, seinen Asteroiden und die Liebe zu einer Rose nimmt es immer stärker gefangen und schließlich fängt es auch in seinem eigenen Leben an, der Phantasie zu folgen.

    Für einen abendfüllenden Spielfilm ist das Büchlein vom Kleinen Prinzen eigentlich viel zu kurz. Aber Mark Osborne und seine Drehbuchautoren Irena Brignull („Die Boxtrolls“) und Bob Persichetti („Shrek 2“) trafen eine clevere Entscheidung und machten aus ihrer Version nicht nur eine weitgehend werkgetreue Adaption der originalen Geschichte, sondern betten diese zusätzlich in einen modernen Rahmen ein, um Saint-Exupérys Ideen zugleich in eine zeitgemäße Form zu bringen. Ästhetisch ist die Umsetzung des Originals besser gelungen, Die Erzählung ist im Stop-Motion-Verfahren animiert, für das wunderschöne Papierfiguren verwendet werden. Die mit liebevoller Kleinarbeit beeindruckenden Szenen wirken wie lyrische Oasen innerhalb der deutlich umfangreicheren Rahmenhandlung. Deren Gestaltung ist dagegen durch einen zeitgemäßen CGI-Look geprägt und erinnert mit ihrem pointiertem Figurendesign, dem Realismus der Hintergründe und Dinge sowie einer vergleichsweise dynamischen Inszenierung an unzählige andere Animationsfilme der Gegenwart.

    Ungewöhnlich sind dagegen die erzählerischen Akzente, die Osborne und Co. setzen: Mit dem kleinen Mädchen (wie bei Saint-Exupéry gibt es hier keine Eigennamen) steht eine ganz und gar heutige Figur im Mittelpunkt, die von ihrer Helikoptermutter zu einem vollkommener Vernunftswesen erzogen wird. Jeder Moment ihres Lebens ist verplant, ihr Weg vorgezeichnet, der Zufall ausgeschaltet - für Phantasie, Originalität und Ungewöhnliches ist kein Platz. Und hier kommt nun der Pilot ins Spiel, der das Mädchen mit der Geschichte vom kleinen Prinzen vertraut macht und seine Imagination stärkt. Durch den klar gesetzten Kontrast zwischen Zielstrebigkeit und Effizienz auf der eine Seite sowie Freiheit und Kreativität auf der anderen, wird nicht nur der Geist der Vorlage getroffen, die schon immer auch als Kritik am Kapitalismus und an der Oberflächlichkeit der Welt der Erwachsenen verstanden wurde, sondern er bekommt auch einen überzeugenden Gegenwartsbezug. Wenn hier ein Wirtschaftsboss die Sterne vom Himmel holt, um sie zu nutzbringender Energie umzuwandeln, dann wird die den Kriterien von Gewinn und Wachstum unterworfene Logik der globalen Wettbewerbs auf den Punkt gebracht. Und die Filmemacher trotzen dem Paradox, dass sie selbst auch dieser Logik unterworfen sind, mit einer nachdenklich-hoffnungsvollen Aktualisierung von Saint-Exupérys Hymne auf die Phantasie.

    Fazit: Mark Osbournes Animationsfilmversion von „Der kleine Prinz“ ist eine werkgetreue Verfilmung und eine modernisierte Adaption zugleich und wird so zu einem zeitgemäßen und nur manchmal allzu süßlichen Plädoyer für Freundschaft und Phantasie.

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