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    Bis aufs Blut
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Bis aufs Blut
    Von Daniel Jacobs

    Berlin, Hamburg, Frankfurt: In der Bundesrepublik Deutschland gibt es nur wenige Orte, die als Schauplatz einer Jugend-Studie wie „Bis aufs Blut – Brüder auf Bewährung" taugen. Hier werden die größten Drogendeals durchgezogen, hier ist die Rap-Szene am stärksten vertreten und das Gefälle von reich zu arm am auffälligsten. Wo Kriminalität (zumindest in den Problembezirken) an der Tagesordnung ist, entstehen Filme wie „Chiko" oder „Zeiten ändern dich". Der Debütant Oliver Kienle wählt jedoch einen anderen Handlungsort: Sein knallhartes Freundschafts-Drama spielt im beschaulichen Würzburg im wohlhabenden Freistaat Bayern, wird aber derart mit dröhnenden Hip-Hop-Beats beschallt und ist von einer solchen Gangster-Attitüde durchzogen, dass man meinen könnte, man befinde sich mitten in Berlin-Neukölln.

    Seit der junge Türke Sulu (Burak Yigit) den kleinen Tommy (Jacob Matschenz) vor amerikanischen Bullies beschützt hat, sind die beiden unzertrennlich. Die Familie und Frauen stehen hinten an. Im Laufe der Jahre haben sie schon den einen oder anderen Deal abgewickelt. Doch irgendwann folgt das Unvermeidliche: Tommy wird erwischt und muss für sechs Monate in den Würzburger Jugendknast. Für ihn ist das die Hölle, seine Zellengenossen schikanieren und misshandeln ihn. Nach seiner Entlassung muss er erkennen, dass seine Jugendliebe Sina (Aylin Tezel) bereits einen neuen Freund hat. Nur sein Kumpel Sulu steht weiterhin ohne Kompromisse an seiner Seite. Dieser möchte sich endlich seinen großen Traum erfüllen und sich vom Drogengeld und mit einigen guten Kontakten eine eigene Tuning-Werkstatt leisten. Doch Tommy will endlich raus aus dem Geschäft, nicht einer dieser „Fuck-ups" werden, sondern die Schule beenden, vielleicht eines Tages Physiklehrer werden und Sina zurückerobern. Die Erwartungen der besten Freunde gehen immer weiter auseinander und ihr bedingungsloser Zusammenhalt droht allmählich zu zerbröckeln...

    Oliver Kienles Abschlussfilm an der Filmakademie Ludwigsburg ist ein beinhartes Porträt der Würzburger Vorstadtjugend, die zumindest hier ganz tief im Drogen- und Gewaltsumpf steckt. Sein Film ist laut, sehr laut sogar. Ohrenbetäubender deutscher Gangster-Rap dröhnt den Zuschauer ständig zu und nimmt eine zentrale Position in Kienles Inszenierung ein. So werden Schnitte von den Scratches eines DJs unterstützt, was nicht nur auf ältere Kinobesucher befremdlich wirken dürfte. Dieses anfangs noch nette Gimmick mutiert im Laufe der Zeit zu einem ziemlich nervigen Stilmittel, das deutlich zu oft eingesetzt wird. An einer hippen Videoclip-Ästhetik ist eigentlich nichts auszusetzen, vor allem die Einführung der Charaktere gelingt Kienle mit diesem ambitionierten Stil noch ganz gut, aber langsam überkommt einen dann doch immer mehr das Gefühl, als würde man in einem zweistündigen Clip eines deutschen MTV-Gangster-Rappers festsitzen. Passend dazu wird die Handlung von einem überzogenen Gossen-Jargon durchzogen, bei dem ständig von irgendwem die Mutter hart rangenommen wird. Mitunter sind diese Blödeleien fast schon wieder amüsant.

    Jacob Matschenz („Die Welle", „Renn, wenn du kannst") und Burak Yilgit machen sich in ihren etwas klischeehaften Rollen richtig gut. Während Tommy als zentrale Identifikationsfigur positioniert wird, sorgt der naive Kleingangster Sulu als Sidekick für einige Lacher. Er ist die Karikatur eines typischen Vorstadt-Lederjacken-Kriminellen - inklusive großspurigem Drogenboss-Getue. Die anderen Jungdarsteller sind eher unauffällig. Als größerer Name konnte man Simone Thomalla („Tatort") als Tommys Mutter verpflichten, die blass bleibt und manches Mal sogar deplatziert wirkt.

    Fazit: Der Gewinner des Nachwuchspreises „First Steps" legt eine für deutsche Kino untypische Härte an den Tag und weist eine spannende Geschichte vor. Ein teils hyperaktive Inszenierung und die klischeebeladenen Charaktere lassen den Film allerdings an seinen eigenen Ansprüchen scheitern. Der Debütfilmer Kienle will halt zeigen, was er kann. Allerdings ist manchmal weniger (Stichwort: Gangster-Rap) eben doch mehr.

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