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    Der Millionenbetrüger
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Der Millionenbetrüger
    Von Stefan Geisler

    Wie ein moderner Schelmenroman liest sich die Lebensgeschichte des Millionenbetrügers Hans-Peter Streit, niedergeschrieben 1994 und veröffentlicht unter dem Titel „Ich, der Millionenbetrüger Dr. Alder". Als Dr. Claudius Alder hatte er sich Mitte der Achtziger im Schweizer Kurort Adelboden eine Scheinidentität aufgebaut und leichtgläubigen Anlegern Millionen aus den Taschen gezogen. Streit verkaufte selbstgebastelte Aktien einer fiktiven Firma und versprach den Anlegern enorme Gewinne. Nun nimmt sich der deutsche Regisseur Lutz Konermann der spektakulären Geschichte des dreisten Hochstaplers an. Leider ist „Der Fürsorger" keine Schweizer Antwort auf Steven Spielbergs Gaunerspaß „Catch Me if You Can", sondern eine am Thema vorbei erzählte Tragikomödie, die nur äußerst schleppend in Fahrt kommt.

    Hans-Peter Stalder (Roeland Wiesnekker) hat es geschafft: Als Fürsorger (veraltetet für „Sozialhelfer") einer kleinen Gemeinde genießt er hohes Ansehen und könnte von seinem Einkommen auch problemlos Frau und Kind ernähren, hätte er da nicht eine heimliche und ausgesprochen teure Geliebte. Also nimmt Stalder Kredite auf. Seinen Bekannten hingegen erzählt er, dass er einem sehr einflussreichen Mann, dem Finanzdirektor der Chemie Schweiz AG, einen lebensrettenden Gefallen getan hätte und als Gegenleistung an einen ganz besonderen Geheimcode gelangt sei. Mit diesem könne er nun Geld mit bis zu 60 Prozent Rendite innerhalb eines Monats anlegen – Geld verdienen, ein Kinderspiel! Kurz darauf wollen die ersten wohlhabenden Bürger auf das vermeintliche Wunderkonto einzahlen, nicht ahnend, dass ihre Ersparnisse sofort in die Tasche des Fürsorgers wandern. Als die Polizei Wind von der Sache bekommt, wird Stalder zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt, zu der jedoch keineswegs anzutreten gedenkt...

    Es ist kaum vorstellbar, dass über Jahre hinweg niemand diesen simplen Schwindel durchschaut hat. Doch wie für die Liebe gilt auch für die Profitgier: Sie macht blind. Das macht Konermann unmissverständlich klar. Herrlich etwa die Szene, in der Stalder eine selbstgebastelte Urkunde über das Sportmonopol der fiktiven Firma Chemie Schweiz AG an einen Vertreter der ortsansässigen Kantonalbank verkauft. Blitzschnell weichen die anfangs gehegten Zweifel des Kantonalbank-Vertreters, als Stalder subtil androht, das Geschäft platzen zu lassen. Dabei hätte ein simpler Blick ins Telefonbuch gereicht und die Gaunerei wäre aufgeflogen. Doch manchmal ist die Lüge eben schöner als die Wahrheit. So fühlen sich viele von Stalders Kleinanlegern endlich in ihrem Misstrauen gegen die Obrigkeit bestätigt. Schließlich haben sie schon immer vermutet, dass ein wohl behütetes Geheimnis der Grund für die Machtverteilung im Land ist.

    Das satirische Potenzial dieser Geschichte lassen die Drehbuchautoren Lutz Konermann und Felix Benesch allerdings weitestgehend unangetastet. Zwischen dramatischen Ansätzen und seichten Comedy-Einlagen verlieren sie sich immer wieder in trivialen Details, die das ohnehin schleppende Erzähltempo weiter ausbremsen. Stalders Kunststück - der millionenschwere Trickbetrug - verkommt dabei schnell zur Nebensache, während seine Suche nach einem kuscheligen Platz in der Gesellschaft in den Vordergrund gerückt wird - der notorische Betrüger als tragische Figur. Wenn Stalder im Gerichtssaal verlauten lässt, dass er doch eigentlich nur Menschen glücklich machen wollte, wird der gerissene Betrüger plötzlich zum missverstandenen Gutmenschen verklärt. Mit Roeland Wiesnekker wurde die Titelrolle zwar prominent besetzt, leider zählt „Der Fürsorger" aber nicht zu Wiesenekkers besten Auftritten. So kauft man dem Schweizer Charakterdarsteller die Rolle des charmanten Frauenhelden und schlitzohrigen Trickbetrügers nie wirklich ab, was wohl auch an den überzogenen Verkleidungen liegt, in die Wiesenekker im Laufe des Films schlüpfen muss.

    Fazit: Obwohl „Der Fürsorger" ein hochspannender Kriminalfall zugrunde liegt, gelingt es Konermann nicht, diese Steilvorlage in einen spannenden Film zu übersetzen. Letztendlich scheitert er daran, dass er seinem Film keine klare Linie gibt – so pendelt „Der Fürsorger" zwischen Skandalstück, Biographie, Drama und Komödie hin und her, ohne dass sich die einzelnen Elemente zu einem stimmigen Ganzen zusammenfügen. Deshalb ist der Film lediglich Fans der Schweizer Mundart, von Roeland Wiesnekkers oder dem ganz besonderen Charme der Achtziger zu empfehlen.

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