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    Die Träume der Lausitz
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Die Träume der Lausitz
    Von Sascha Westphal

    Kann eine Landschaft träumen? So wie Menschen natürlich nicht. Aber sie kann in sich die Saat der Zukunft tragen, eine eigene Utopie von dem, was sie sein will und auch sein könnte, wenn ihr die Kräfte, die sie gestalten, zur Hilfe kommen. Das eigentliche Träumen bleibt den Menschen überlassen. Doch sie können sich inspirieren lassen – von den aktuellen Gegebenheiten einer Landschaft genauso wie von deren nur angedeuteten Möglichkeiten. So ist denn auch der Titel von Bernhard Sallmanns Dokumentation „Träume der Lausitz" zu verstehen. Der österreichische Filmemacher, der schon zuvor in dieser südöstlich von Berlin gelegenen Region gedreht hat („Die Lausitz 20X90"), blickt mit den Augen eines Träumers auf einen abgebauten, über Jahrzehnte hinweg geplünderten und sich nun erst wieder langsam regenerierenden Landstrich. Was er dabei gesehen und in imposanten Aufnahmen festgehalten hat, ist mehr als nur ein Bild der Wirklichkeit. Es sind Kinobilder gewordene Träume von einer Zukunft, die schon begonnen hat.

    Der Braunkohleabbau hat die Lausitz nahezu zerstört. Ganze Dörfer mussten ihm weichen, die Menschen wurden umgesiedelt oder haben die Region ganz verlassen. Als die Braunkohle schließlich knapp wurde und ihr Abbau damit immer weiter zurückging, setzte ein neuer Exodus ein. Es gab für viele weder Arbeit noch eine Zukunft in dieser Region, also sind sie gegangen. Einige sind aber trotz allem geblieben, und ein paar sind wie auch einige Tierarten überhaupt erst in die Lausitz (zurück)gekommen. Mit fünf der Menschen, die für diese Region kämpfen und ihr ein neues Gesicht geben wollen, spricht Bernhard Sallmann. Sie leiten und lenken seinen Blick auf die Träume und die Verwandlungen der Lausitz. Im Zentrum steht dabei die sich über mehrere Jahre erstreckende Internationale Bauausstellung, die der Region neue architektonische wie landschaftsbauliche Wege eröffnet hat. In der postindustriellen Ära des beginnenden 21. Jahrhunderts erhalten die vorindustriellen Träume des Fürsten Plückers eine neue Chance.

    Bernhard Sallmanns Annäherung an die Lausitz erinnert ohne Frage an die Arbeiten Volker Koepps („Holunderblüte", „Memelland"). Wie der frühere DEFA-Regisseur, der schon seit Jahren die Entwicklungen und Veränderungen der Landschaften östlich von Berlin in grandiosen Filmbildern dokumentiert, ist auch Sallmann ein Poet der Natur. Seine Aufnahmen einer Natur, die noch sehr deutlich die Spuren ihrer Ausbeutung trägt und mit all ihren künstlichen Seen und ihren malerischen Landschaftsparks zugleich schon fast wieder etwas Paradiesisches hat, bestechen durch ihre klare Komposition und ihre oftmals fast ätherische Schönheit. Die Ideen des großen Garten- und Landschaftskünstlers Fürst Pückler sind nicht nur in Gesprächen präsent, die der Filmemacher mit dessen geistigen Erben führt. Sie durchdringen auch die geometrisch perfekt gestalteten starren Einstellungen, auf die Sallmann immer wieder zurückgreift. Die Träume der Lausitz, die auch ein Sandsturm nicht verwehen kann, sind eben auch Träume von einer natürlichen Ordnung, die dem Chaos der Zerstörung durch Menschenhand aber erst wieder abgerungen werden muss.

    Wie Volker Koepp, der zuletzt in „Berlin - Stettin" sehr autobiographische Töne angeschlagen hat, macht auch Bernhard Sallmann sich und sein Filmschaffen zum Gegenstand seiner Beobachtungen. So lässt er immer wieder einfließen, wie er seine Gesprächspartner, etwa den Amateur-Funker und den Bauern, die beide auf ihre Art Anwälte der Tradition dieser Landschaft sind und ihre heikle Geschichte mit ihrer erst noch zu gestaltenden Zukunft in Einklang bringen wollen, kennen gelernt hat. Die Hoffnungen und die Träume der Porträtierten treffen sich mit denen des Filmemachers, der sich ganz offensichtlich in diese Landschaft verliebt hat. Ein wenig verwunderlich ist es natürlich schon, dass Bernhard Sallmann die Politik nahezu ganz ausblendet. Von Arbeitslosigkeit und Landflucht ist die Rede wie auch von Zwangsumsiedlungen. Doch die rechte Gewalt, die als bedrohlicher Schatten über Koepps voriger Dokumentation liegt, wird nicht ein einziges Mal erwähnt – und das, obwohl Sallmann auch in Hoyerswerda gedreht hat. Letztlich musste er sie aber auch ausblenden. „Träume der Lausitz" beschwört die utopische Kraft der Natur, ihre Fähigkeit, zu heilen und zu wachsen. Damit wird der Film schließlich selbst zu einem Traum von einer Welt, die alles überwindet, auch die Schrecken und den Wahnsinn rechtsradikaler Schläger und Mörder. So wie der Geist Fürst Plücklers auf immer über der Lausitz schweben wird, so schwebt der Geist des aufgeklärten Humanismus über jedem von Sallmanns Bildern.

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