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    Tell
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,5
    enttäuschend
    Tell
    Von Christoph Petersen

    Das nennt man Einsatz: Um ihre Chancen auf die Austragung der EM 2008 zu erhöhen, haben sich die Fußballverbände der Alpennationen Österreich und Schweiz zusammengetan. Und es hat funktioniert, Fußball wird nächsten Sommer tatsächlich in Salzburg und in Bern, in Wien und in Basel gekickt. Doch wie schwer es beiden Seiten eigentlich gefallen sein muss, für dieses Großprojekt die Kräfte zu vereinen, zeigt nun Mike Eschmanns Komödie „Tell“. Hier kämpfen die Schweizer Eidgenossen im 13. Jahrhundert mit allen Mitteln gegen die österreichischen Besatzer, um die furzenden Ösis ein für alle mal aus ihrer schönen, stets politisch neutralen Nation zu verjagen. Dass dies aber für den Zuschauer nicht wirklich unterhaltsam geraten ist, liegt vor allem an einem schwachen Drehbuch, das den deutschen Co-Finanziers zu viele Zugeständnisse macht und so zu einer einfachen 08/15-Comedy-Nummernrevue verkommt.

    Im Jahre 1291 versammeln sich Schweizer Freiheitskämpfer aus allen Teilen des Landes auf der Rütliwiese, um gemeinsam etwas gegen die österreichischen Besatzer zu unternehmen. Ihr Problem: Sobald das schwere Tor an der Burg von Reichsvogt Kessler (Udo Kier) vollendet ist, haben sie keine Chance mehr, diese zu stürmen. Ihre Hoffnung: Obwohl er sich von Geburt an als Eidgenosse fühlt, hat Wilhelm Tell (Mike Müller) doch noch immer seinen österreichischen Pass. Mit diesem dürfte er in die Burg hinein und könnte dort den Bau des Tors sabotieren. Hierzu müsste Tell jedoch erst einmal gefunden werden, dieser betreibt nämlich gemeinsam mit der feschen Heidi (Lea Hadorn) ein fahrendes Gewerbe – sprich: Er haut leichtgläubige Weiber älteren Jahrgangs mit einem angeblichen Verjüngungsmittel übers Ohr. Doch nun wurde Tell selbst hintergangen, Heidi ist mit all seinem Geld nach Italien abgehauen, um sich dort einer Brust-Vergrößerungs-OP zu unterziehen. Und zu allem Überfluss hat Tell plötzlich auch noch einen waschechten, ziemlich nervenden Eskimo-Prinzen (Axel Stein) am Hals, den er aus einem Schneeloch gezogen hat. Nun will der fischfressende Arktisbewohner Tell nicht eher in Ruhe lassen, bevor er seinem Lebensretter nicht auch einmal vor dem Tod bewahrt hat...

    Österreicher und Schweizer sind sich nicht wirklich grün. Und es steht wohl außer Frage, dass dieser tief verwurzelte Nationenzwist eigentlich ergiebig genug sein sollte, um aus ihm eine ansprechende Komödie zu basteln. Doch den Machern von „Tell“ ist dies nicht einmal im Ansatz gelungen, die zündenden Gags lassen sich an einer Hand abzählen, ansonsten beherrscht gähnende Langeweile die Alpenszenerie. Und wenn eine Komödie um den Streit zwischen Ösis und Eidgenossen in die Hose geht, wer kann da eigentlich nur Schuld haben? Natürlich die Deutschen! Nicht nur wurde „Tell“ zu großen Teilen in einem Kölner Studio gedreht, auch ist die Finanzierung mit Hilfe eines deutschen Co-Produzenten und der Filmförderung Nordrhein-Westfalen zustande gekommen. Und verständlicherweise hatten die deutschen Geldgeber ein großes Interesse daran, dass sich der fertige Film auch hierzulande an das Publikum bringen lässt. Dies hat zur Folge, dass sich das Drehbuch ausschließlich auf die Verwertung oberflächlicher Nationenklischees (auf dem Niveau von: Österreicher stinken, lügen und furzen; Schweizer drehen Touristen auch noch den letzten Scheiß für viel Geld an) beschränkt, auf wirklich bissige Insiderwitze, die speziell auf die Zuschauer der beiden direkt betroffenen Nationen zugeschnitten wären, hingegen komplett verzichtet. Die so frei gewordene Leinwandzeit wird stattdessen mit den üblichen 08/15-Jokes (Sex, Drugs und Fäkalien) zugekleistert, welche man in den niveauloseren deutschen Comedys der vergangenen Jahre (Siegfried, Feuer, Eis und Dosenbier) schon zur Genüge vorgesetzt bekommen hat. So setzt sich „Tell“ zwischen die Stühle und sollte schlussendlich in keinem der drei Zielmärkte sonderlich gut ankommen.

    Doch der deutsche Einfluss führte nicht nur zu einem zahnlosen Ausverkauf der Story, auch auf der Besetzungsliste spiegelt er sich wider. Neben dem hierzulande weitestgehend unbekannten Komiker Mike Müller, der zuletzt als Vater der Titelfigur in Mein Name ist Eugen und als Obelix in Snow White in den deutschen Kinos zu sehen war, haben so auch durchweg waschechte Sauerkrauts beinahe alle weiteren größeren Parts übernommen. Der Wuppertaler Axel Stein (Harte Jungs, Kein Bund für`s Leben) macht als anhänglicher Eskimo-Prinz seine Sache noch am besten. Auch wenn seine Figur überhaupt nur deshalb in den Film integriert scheint, um den Comedian besetzen zu können, geht der überwiegende Teil der spärlich gesäten Lacher doch auf sein Konto. Christian Tramitz (Der Schuh des Manitu, TRaumschiff Surprise - Periode 1, Neues vom Wixxer) hat seine Berechtigung, trotz seiner Münchner Herkunft einen österreichischen Adjutanten zu spielen, nicht nur seiner wiederkehrenden Rolle als Kaiser Franz in der „Bullyparade“, sondern auch seiner berühmten österreichischen Verwandtschaft (er ist der Enkel von Paul Hörbiger und der Cousin zweiten Grades von Christiane Hörbiger) zu verdanken. Dabei gibt er den arroganten Rudolf der Harras zwar als typisch-schrägen Komödien-Bösewicht, wird bei seinen Bemühungen aber vom Skript, das für seinen Charakter schlicht keine Gags übrig zu haben scheint, brutal in der Luft hängen gelassen. Der Kölner Udo Kier (Suspiria, Masters Of Horror: Cigarette Burns, Armageddon) setzt als Hobby-Figaro wie zuletzt so oft auf die skurrile Karte. Beim ersten Mal ist sein Auftritt noch recht amüsant, aber danach kommt dann einfach nichts Neues mehr und die exzentrische Nummer hat ihr Pulver allzuschnell verschossen.

    Fazit: Regisseur Mike Eschmann und Autor Jürgen Ladenburger bauen darauf, „Tell“ mit einer Handvoll biederer Nationenklischees und einigen altbackenen Revuenummern über die Runden zu bekommen. Eine Fehleinschätzung. Dabei wäre hier mit einer ordentlichen Portion Extra-Mut doch - passend zur gemeinsam ausgetragenen Fußball-EM - eine wirklich bissige Satire auf die österreichisch-schweizerische „Freundschaft“ möglich gewesen. Schade um die verpasste Chance, aber die Steilvorlage haben sie meilenweit am Tor vorbei gesemmelt.

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