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    Das Hausmädchen
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Das Hausmädchen
    Von Christian Horn

    Bereits seit etwa zehn Jahren dringt in schöner Regelmäßigkeit spannendes Kino aus Südkorea in die hiesigen Lichtspielhäuser, an prominentester Stelle die Filme von Kim Ki-duk („Bin-Jip"), Chan-Wook Park („Oldboy") und Hong Sang-soo („Nacht und Tag") sowie reizvolle Genrebeiträge („The Host", „The Chaser"). Mit „Das Hausmädchen" von Im Sang-soo („The Old Garden") lief 2010 ein vor allem filmästhetisch lohnendes Psycho-Drama aus Südkorea im Wettbewerb der Filmfestspiele von Cannes. Das Remake des südkoreanischen Gesellschaftsdramas „Hanyo" (1960) überzeugt durch die klare Inszenierung, die alle Ebenen des Mediums nutzt, um die Erzählung auszuformen. Der exzellenten Kameraarbeit und dem eindringlichen Ensemble gebührt hier eine besondere Erwähnung, wohingegen die oberflächliche Figurenzeichnung dem psychologischen Aspekt der Geschichte nicht vollends gerecht wird.

    Eun-yi (Jeon Do-Yeon) nimmt eine Stelle als Hausmädchen beim reichen Geschäftsmann Hoon (Lee Jung-jae) an, der mit seiner Familie in einer opulenten Villa lebt. Eun-yi soll den Haushalt führen und als Kindermädchen der kleinen Nami (Ahn Seo-hyun) sowie der noch ungeborenen Zwillinge dienen, mit denen Hoons Ehefrau Hae-ra (Seo-woo Eun) schwanger ist. Die langjährige Haushälterin Mrs. Cho (Yeon-jeong Woo) führt die fröhlich-naive Angestellte in die Arbeitsabläufe ein. Schnell fühlt sich Eun-yi in der Villa wohl, doch als die junge Frau eine Affäre mit dem Hausherrn anfängt und schwanger wird, gerät das soziale Gefüge ins Wanken. Mrs. Cho, die noch vor Eun-yi deren Schwangerschaft ahnt, informiert Hoons Schwiegermutter Mi-hee (Park Ji-young) über den Fehltritt – fortan wollen Mrs. Cho und die Schwiegermutter mit allen Mitteln verhindern, dass Eun-yi das Kind zur Welt bringt.

    „Hanyo" von Kim Ki-Young, das Original aus dem Jahr 1960, ist ein Klassiker des koreanischen Kinos. Im Jahr 2007 erfuhr das seinerseits kontrovers aufgenommene Werk eine Wiederaufführung auf den Filmfestspielen von Cannes; ausgegraben und restauriert wurde der Film vom bekennenden Cineasten Martin Scorsese (Tipp: auf der Streaming-Seite The Auteurs, erreichbar unter http://mubi.com/, stellt Scorsese das Ergebnis legal und kostenfrei zur Verfügung). Während das Original die Geschichte aus der Sicht des Hausherrn erzählt und das Hausmädchen als Gefahr darstellt, nimmt das Remake die Perspektive der jungen Angestellten ein, die zwar nichts ohne das Wissen um mögliche Konsequenzen tut, im Lauf des Films aber das tragische Opfer ihrer Arbeitgeber wird.

    Regisseur Sang-soo Im erzählt die Geschichte seiner Neuverfilmung recht langsam und unaufgeregt, geht aber keineswegs subtil vor. Den wesentlichen Konflikt, jener zwischen der von Eun-yi vertretenen Unterschicht und den Oberen Zehntausend Südkoreas, führt „Das Hausmädchen" in überdeutlichen Gesten aus. Einerseits gelingt das durch die grandiose, stets auch narrative Kameraarbeit von Lee Hyung-deok, der unter anderem die Architektur und Ausstattung der modernen Villa nutzt, um die über dem gesamten Film schwebende emotionale Kälte und Bedrohung zu vermitteln. Zum Anderen liefern die plakativen Figuren und deren unmissverständliche Attribute, Dialoge und Handlungen einen Beitrag zur erzählerischen Klarheit des Psycho-Dramas. Erkennbar ist dieses Wesensmerkmal auch an den vergleichsweise expliziten Sexszenen, die unmissverständlich von Rollenverteilung, Begierde und Macht erzählen oder am drastischen Finale, das den Plot effektvoll auf die Spitze treibt. Auf diese Weise verpasst Sang-soo Im eine tiefergehende Auseinandersetzung mit dem Inneren der Figuren, deren Schicksal emotional kaum berührt, verlagert den Schwerpunkt aber gekonnt auf das rein Filmische: Wie nicht wenige Filme aus Asien vermittelt „Das Hausmädchen" die Erzählung in erster Linie mit den Bildern.

    Die Frau des Hauses liest „Das andere Geschlecht" von Simone de Beauvoir, der Hausherr spielt Beethoven auf dem Klavier und kredenzt erlesene Weine. Doch die ausgestellte Kultiviertheit der Oberschicht verdeckt deren unterkühlte Dekadenz, auf die der surreale Epilog noch einmal deutlich hinweist, nur auf den ersten Blick. Als ausgewogene Sozialstudie geht „Das Hausmädchen" zu rigoros und plakativ vor, als radikales Statement muss der Film aber weder den Vergleich zum Original, noch den zu anderen zeitgenössischen Werken aus Südkorea scheuen.

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