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    Inside Job
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Inside Job
    Von Asokan Nirmalarajah

    Insgeheim hatte man sich ja schon darauf gefreut, den anonymen britischen Street-Art-Künstler Banksy bei der diesjährigen Oscar-Verleihung auf der Bühne dabei zu sehen, wie er sich in einer Affenmaske den Preis für den besten Dokumentarfilm für seine clevere Kunstwelt-Satire „Exit Through the Gift Shop" holt. Doch dann kam alles anders. Erst bewiesen die im Nachhinein für ihre einfallslose Show heftig kritisierten Produzenten der Verleihung einen mangelnden Sinn für Humor und lehnten das Gesuch Banksys ab, bei einem eventuellen Triumph seine Anonymität wahren zu dürfen. Und letztlich gewann ein anderer: Charles Ferguson für seine weit konventionellere Kapitalismuskritik „Inside Job". Immerhin sorgte dieser für einen der lebendigen Momente des Abends, als er seine Dankesrede mit den Worten begann: „Three years after our horrific financial crisis caused by financial fraud, not a single financial executive has gone to jail, and that's wrong." Fergusons wütendes, mit Applaus zur Kenntnis genommenes Resümee bringt Intention und Wirkung seines gepriesenen aber einseitigen Films über die globale Finanzkrise zwischen den Jahren 2008 und 2010 auf den Punkt: Er soll sowohl Anklage, als auch Mahnmal sein.

    „Inside Job" gestaltet sich seinem Titel gerecht als ein finanzpolitischer Verschwörungsthriller, in dem sich der Dokumentarfilmer Ferguson mit Unterstützung der vertrauenserweckenden Erzählerstimme eines liberalen Hollywood-Stars (Matt Damon) als investigativer Journalist präsentiert. Ferguson, den man im Film nur als aggressive Interviewerstimme hört, nimmt viele Insider der Finanzwelt ins Kreuzverhör und stellt ihnen unangenehme Fragen darüber, wie es so weit kommen konnte. Durch die Befragung von Bankern, Politikern, Journalisten und Wirtschaftsakademikern kommt er schnell zu dem Schluss, dass die Krise auf die zunehmende Liberalisierung der Finanzmärkte zurückzuführen ist. Ausgehend von dieser Grundannahme rekonstruiert der Film in fünf Kapiteln detailliert und erhellend die erstaunlichen Ereignisse, die zu der weltweiten Banken-, Finanz- und Wirtschaftskrise der vergangenen Jahre führten - und thematisiert, welche Krisen noch folgen könnten. Nach und nach entsteht so das komplexe und traurige Bild einer amerikanischen Gesellschaft, die nahezu komplett von einer korrupten Finanzindustrie eingenommen scheint, welche noch heute einen enormen politischen Druck auf ihre Regierung ausübt.

    Dass es sich auch beim Kabinett des Demokraten Barack Obama noch immer um eine Regierung handelt, die mit dem Finanzdienstleistungsgewerbe gemeinsame Geschäfte macht, ist eine Feststellung, die weder so überraschend, noch so schockierend ist, wie es Ferguson in seinem Film präsentiert. So wie bei seinem ebenso preisgekrönten Dokumentarfilm „No End in Sight" über das Chaos nach der Irak-Invasion durch amerikanische Streitkräfte macht Ferguson auf Tatsachen aufmerksam, die jedem informierten Zuschauer längst bekannt sein dürften. Das macht den Versuch einer historischen Erklärung der Finanzkrise nicht weniger interessant, es mangelt aber an Erkenntnisgewinn. In der ersten Stunde des Films kann Ferguson anschaulich darlegen, welche Maßnahmen der amerikanischen Regierung zur Deregulierung der Finanzmärkte und welche profitgierigen Handlungen der Wall-Street-Firmen zur Krise führten. Unter anderem zerrt Ferguson, der sich hier wie Michael Moore in „Kapitalismus: Eine Liebesgeschichte" als aufgebrachter Anwalt der benachteiligten Unterschicht inszeniert, auch Wirtschaftsprofessoren vor die Kamera, die das Krisenpotential der Deregulierungen bewusst verschwiegen.

    Anders als der sich populistische gerierende Moore und mehr wie der intellektuell argumentierende Errol Morris („Standard Operating Procedure") montiert Ferguson seine elegant fotografierten und musikalisch effektiv untermalten Interviewsegmente mit atmosphärischen Breitwandbildern von Landschaften, Städten und Industriestandorten. So springt der temporeich erzählte, das Kino-Publikum mit Namen, Zahlen und Tabellen bombardierende Film nach einem Prolog über die verheerenden Folgen der staatlich sanktionierten Banken-Deregulierung in Island in das Epizentrum der Finanzkrise - nach New York. Zu Peter Gabriels ironischem Song „Big Time" fliegt die Kamera über die riesigen Wolkenkratzer der Stadt, die den ungebremsten Kapitalismus der USA symbolisieren. Der Prolog erinnert nicht zufällig an die Anfangsszenen von Oliver Stones Finanzdramen „Wall Street" und „Wall Street: Geld schläft nicht": Dort wie hier wird letztlich die moralische Geschichte einer Korruption erzählt, die aus Bankern Monster machte. Mit viel Wut im Bauch werden die üppigen Gehälter der Vorstandsmitglieder angeprangert und ihr exzessiver Lebensstil voll mit Drogen und Prostituierten ausgebreitet.

    Fazit: „Inside Job" gestaltet sich leider zu voreingenommen und einseitig, um seiner schwierigen Thematik voll gerecht zu werden und ihr neue Facetten abzugewinnen.

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