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    Beim Jodeln juckt die Lederhose
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,5
    enttäuschend
    Beim Jodeln juckt die Lederhose
    Von Björn Becher

    In den 50er und 60er Jahren schwand das Interesse der Deutschen am Kino. Man widmete sich stärker dem Fernsehen, immer mehr Lichtspielhäuser mussten die Segel streichen und dicht machen. Doch Ende der 60er und Anfang der 70er wurde dieser Trend plötzlich für einige Zeit gestoppt. Verantwortlich dafür waren nicht etwa herausragende Regisseure wie Herzog oder Fassbinder, auch nicht das New-Hollywood-Kino, welches das amerikanische Studiosystem revolutionierte, sondern der Sexfilm. Mit den Aufklärungsfilmen von Oswalt Kolle, den zahlreichen Report-Filmen (am bekanntesten: „Schulmädchenreport“) und schließlich den Lederhosenfilmen entstanden neue Genres, die zuerst das Kinosterben aufhalten sollten, und später, zu Beginn der 90er Jahre, auch noch maßgeblich zum Aufschwung des Privatfernsehens beitrugen. Zahlreiche prominente deutsche Schauspieler standen für diese meist peinlichen Erotikklamotten vor der Kamera, und zahlreiche findige Geschäftemacher packten ihre Chance beim Schopf und wurden mit den billig zu produzierenden Filmchen reich. Einer von ihnen war Alois Brummer, der zu den wichtigsten Personen des Sexfilms der 70er Jahre gehörte. Anfangs als Produzent tätig, übernahm er schnell auch Regie und Drehbuch, und drehte so über ein Jahrzehnt Filme mit meist klangvoll-anzüglichen Titeln. Einer von ihnen ist „Beim Jodeln juckt die Lederhose“, ein typischer Vertreter des bayerisch angehauchten Sexklamauks, dessen (harmlose) Erotikszenen heute keinen Skandal mehr provozieren könnten, dessen sinnfreie, überdrehte Geschichte aber wenigstens die hartgesottensten Trashfreunde ganz passabel zu unterhalten versteht.

    Einen Bus voller Touristinnen aus dem Norden zieht es ins schöne Bayernland. Dort hoffen die Städter nicht nur beim Skifahren zu lernen, wie man die Beine zusammenhält, sondern in den Extrakursen nachts, wie man sie breit macht und dem strammen Skilehrer Raum eröffnet. Mit dem Berliner Direktor Müller (Josef Moosholzer) hat sich ein Mann in die Damengruppe eingeschleust. Ihm geht es weniger ums Skifahren, als um erotische Bekanntschaften. Von den feschen bayerischen Madels erhofft er sich das ein oder andere amouröse Abenteuer. Schauplatz des Ganzen ist ein kleines Hotel, dessen Wirt (Franz Muxeneder) Sittsamkeit eigentlich groß schreibt. Nicht nur die Gäste sollen anständig bleiben, sondern vor allem seine Tochter, die schöne Vroni (Judith Fritsch). Doch deren Freund Sepp (Konstantin Wecker) denkt gar nicht daran, die Finger von der Tochter seines Chefs zu lassen, und so sieht sich Vronis Vater bald zu radikalen Maßnahmen gezwungen. Als Sepp auch noch bereitwillig zum Lustobjekt der Touristinnen wird, geht endgültig alles drunter und drüber...

    Es gibt deutlich freizügigere Filme als Alois Brummers in dieser Hinsicht recht geizigen „Beim Jodeln juckt die Lederhose“ (zum Beispiel der im selben Jahr entstandene Unterm Dirndl wird gejodelt). Gerade in der ersten Hälfte sind die Erotikszenen noch recht rar gesät, der Film setzt stattdessen mehr auf Anzüglichkeiten wie Busengrapscher, kurze Blicke unter den Rock auf die weißen Höschen der Protagonistinnen und flinke Griffe der Damenwelt in die prall gefüllten Lederhosen der Herren. Dazu kommt ein steter Running Gag um die Hauptgeschichte von Sepp und Vroni, die die ganze Zeit verzweifelt versuchen, ein Nümmerchen zu schieben, dabei aber von Vronis Vater oder auch mal von Anderen immer wieder im Ansatz unterbrochen werden. Und während sich natürlich heutzutage kein Mensch mehr den Film aus erotischen Gesichtspunkten anschauen dürfte, funktioniert sein platter Humor trotzdem noch ansatzweise als absurder, voyeuristischer Witz.

    Im Subplot um den Berliner Direktor Müller offenbart Regisseur und Autor Alois Brummer einen zumindest absurden Humor, der sich vor allem in seinem Gegenüberstellen der Klischees und Gegensätze zwischen Bayern und Preußen offenbart. Garniert wird das Ganze mit überzogenem Slapstickhumor, der auch mal eine Actionszene liefert, wie zum Beispiel die unfreiwillige Fahrt zweier Liebenden auf einem Schlitten den Berg hinunter. In der ersten Hälfte wird die Kulisse des Geschehens recht häufig in dieses einbezogen. Die Verbindung aus Alpenkulisse, Schneeaction und Lederhosensex bescherte „Beim Jodeln juckt die Lederhose“ sogar im Ausland kleine Erfolge. Bei der Titelgebung zeigten sich vor allem die Briten kreativ und dichteten „There’s No Sex Like Snow Sex“.

    Bei einem Blick auf die Darstellerriege fällt einem natürlich als erstes Konstantin Wecker auf. Der erfolgreiche politische Liedermacher, der in den 90er Jahren vor allem mit seiner Kokainsucht die Schlagzeilen des Boulevards füllte, gibt einen sympathischen Protagonisten, der überraschend weit entfernt ist von dem Bauerntölpel-Image, das oft für die männlichen Darsteller in Lederhosenfilmen reserviert ist. Die Rolle des Depps füllt hier nämlich kein Bayer aus, sondern ein Großstädter aus dem Norden. Die Genrelegende Josef Moosholzer (kaum ein Sexfilm der 70er Jahre kam ohne sein Mitwirken aus) gibt hier einen vor (unerfülltem) Sextrieb nur so strotzenden Punchingball für die üblen Scherze der anderen Figuren. Besonders interessant ist der Blick auf seine Rolle übrigens bei einem Vergleich mit dem ähnlichen Genrewerk Das Jagdrevier der scharfen Gemsen. Auch dort kommt er als Tourist nach Bayern (und danach im Hauptteil des Films nach Heidelberg). Hier fliegen aber die gut proportionierten Damen auf ihn, er gibt aber den Sittsamen und hat daher den Film über auch kein erfülltes Sexabenteuer. Das Darstellertrio komplettiert Franz Muxeneder, der über den Heimatfilm zum Sexheimatfilm kam und in seiner Rolle als züchtiger Ur-Bayer passend besetzt ist. Die weibliche Seite besteht hauptsächlich aus drei nur dem Genrekenner bekannten Namen. Dorothea Rau, Monika Rohde und Judith Fritsch agierten ausschließlich in Sex-Komödien in den 70er Jahren. Für Rau war dies sogar der letzte Film. Alle drei zeigen ihre Vorzüge nur selten, wenn sie ihre Klamotten anhaben - um so mehr, wenn sie die Hüllen fallen lassen dürfen. Daneben spielen – so listet es der Film in seinem Vorspann - schneidige Skilehrer, willige Skihäschen und viele lustige Witwen mit, die kleinere Erotikszenen absolvieren dürfen.

    Trotz kleinerer positiver Ansätze: „Beim Jodeln juckt die Lederhose“ kann sich weder aus erotischen noch aus cineastischen Geschichtspunkten vor dem Auge des Betrachters bestehen. Aber wer keine Probleme damit hat, sich auf niederstes triviales Niveau herabzulassen, kann aus komödiantischer Sicht absurden Spaß mit Brummers Lederhosenfilm haben. Die Mischung aus Slapstick, dümmlichen Einfällen und plattem bayerischen Holzhammerhumor lässt knallharte Genreliebhaber das ein oder andere Mal auflachen. Wer allerdings den Fokus auf Nackedeiszenen legt, wird hier selbst für einen Lederhosenfilm unterdurchschnittlich bedient.

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