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    Blood Car
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Blood Car
    Von Jens Hamp

    In den Neunzigern rangierte der Durchschnittspreis für ein Barrel Rohöl noch in der Region um 20 Dollar, nach der Jahrtausendwende krabbelte der Preis jedoch zeitweise auf ein Rekordhoch von 147 Dollar. Kein Wunder, dass sogar Amerikaner unter diesen Umständen immer öfter ihre spritfressenden Lieblingsspielzeuge in der Garage stehen lassen. In seiner Horror-Komödie „Blood Car“ überspitzt Alex Orr dieses Schreckensszenario aller Autofahrer ins Unermessliche. Der Regiedebütant lebt die Geschichte eines von Blut angetriebenen Autos auf äußerst groteske und respektlose Weise aus, verkennt dabei aber leider, dass sein Konzept für einen Kurzfilm wohl besser geeignet gewesen wäre.

    In nicht allzu ferner Zukunft überschlagen sich die Spritpreise. Um dennoch sein Auto nutzen zu können, entwickelt der veganische Grundschullehrer Archie (Mike Brune) einen neuartigen Motor, der mit Blut angetrieben wird. Trotz aller Gewissensbisse will der Veganer nicht auf unschuldige Tiere zurückgreifen. Doch weil die dralle Denise (Katie Rowlett) nur in seinem Auto auf Touren kommt, steigt der „Spritverbrauch“ – und andere Quellen müssen angezapft werden. Kurzerhand bastelt Archie eine todbringende Häckselmaschine in seinen Kofferraum, der schon bald hilflose Omas, Rollstuhl fahrende Kriegsveteranen und unschuldige Anhalterinnen zum Opfer fallen…

    Der Einstieg von „Blood Car“ verwundert. Nach zahlreichen Lobpreisungen auf diversen Filmfestivals und der großmundigen Ankündigung, der Streifen sei eine pechschwarze Mischung aus „South Park“ und Tanz der Teufel, mutet der Beginn wie ein unscheinbarer Independentfilm an, der eher an Napoleon Dynamite als an eine Splatter-Komödie erinnert. Zwar sind die Eröffnungscredits in einem herrlichen Grindhouse-Stil gehalten, die Einführung der Charaktere erweist sich dann allerdings als äußerst schleppend (und zumindest in der deutschen Synchronisation auch als ziemlich nervig).

    Doch dann nimmt das „Blood Car“ langsam Fahrt auf. Und wenn der Motor erst einmal mit Blut gefüttert wird, beginnt endlich der erhoffte subversive Spaß. Herrlich überzogen und fernab jeglicher Geschmacksgrenze erschießt Archie mit einem Luftgewehr Eichhörnchen und angeleinte Hunde. Unter Tränen verspricht er ihnen, sie nicht zu essen – sondern lediglich zu Treibstoff zu verarbeiten. Sobald der unscheinbare Spargeltarzan zum heißbegehrten Sexobjekt mutiert und wildfremde Frauen ihr T-Shirt lupfen, gibt es endgültig kein Zurück mehr. Die anfänglichen Gewissensbisse werden immer weiter verdrängt, dem Zuschauer dafür immer mehr schwarzhumorige Satirespitzen serviert.

    Obwohl mit Anna Chlumsky („My Girl – Meine erste Liebe“) als Weizengras verkaufendes Mauerblümchen ein ehemaliger Kinderstar angeheuert wurde, kann „Blood Car“ bei seiner irrsinnigen Tour de Force nie sein geringes Budget (125.000 Dollar) verheimlichen. Die Kameraarbeit ist äußerst spartanisch und gewinnt einzig durch die Verquickung mit dem gelungenen Score an Eleganz und Stil. Immerzu erklingen klassische Kompositionen von Chopin, Vivaldi und Rossini – wirklich umwerfend wird es allerdings erst, als Mozarts 25. Symphonie ertönt. Wie schon in Amadeus wird das Stück in der Sequenz verwendet, in der die Hauptfigur endgültig zerbricht. Frei von jeglichen Gewissensbissen wandelt Archie durch die Straßen, deren Visualisierung in der Kombination mit der musikalischen Untermalung an eine schwerelose (Alb-)Traumwelt erinnert.

    Ohne den Druck eines großen Studios konnten die Verantwortlichen ihre eigenen, ganz speziellen Phantasien umsetzen. Diese arten zwar zeitweise in infantile Späße aus, eine butterlastige „Sexszene“ erinnert etwa an Bernardo Bertoluccis Der letzte Tango in Paris, im positiven Sinne nimmt das Drehbuch von Alex Orr und Adam Pinney aber auch kein Blatt vor den Mund. Die Opferliste ist buntgemischt und hält aus allen Gesellschaftsschichten etwas bereit. Archies Oneliner werden von Tötung zu Tötung abfälliger und zynischer. Und als wäre der Tod wehrloser Hunde nicht schon Tabubruch genug, gipfelt die Blutorgie in einer Grundschule. Trotzdem ist „Blood Car“ im Vergleich zu Vertretern des derzeit populären Torture Porns erstaunlich handzahm. Die Gräueltaten spielen sich nahezu ausschließlich im Kopf des Zuschauers ab. Die Häckselmaschine kann man nur einmal in Aktion erahnen, ansonsten spritzen lediglich rote Farbfontänen aus dem Auto hervor.

    Die Gewaltexzesse und auch das drastische Finale sind im Kontext des Films letztlich gerechtfertigt. Alex Orr lässt nie Zweifel daran aufkommen, dass „Blood Car“ eine bitterböse Satire auf die amerikanische Gesellschaft und ihr Prestigeobjekt Nummer eins, das Auto, sein soll. Und gerade die Finalszene, die noch einmal alles Vorherige überbietet, ist genau der ätzende Moment, der einer nach Macht und Meilen strebenden Gesellschaft den bitter nötigen Spiegel vors Gesicht hält.

    Spart Benzin - tankt Blut!

    Momentan fallen die Spritpreise in den USA wieder und so wird der Menschheit ein blutbetriebenes Auto wohl noch einige Zeit erspart bleiben. Bis dahin kann man ruhigen Gewissens mit „Blood Car“ seinen Spaß haben. Denn auch wenn es dem Drehbuch an genügend Zündstoff und Kreativität für die vollen 70 Minuten mangelt, so werden sich Freunde des pechschwarzen Humors trotzdem über die immer abstruseren Spritbeschaffungsmethoden beeumeln.

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