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    Chain Reaction
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,0
    schlecht
    Chain Reaction
    Von Christoph Petersen

    Deutscher Splatterfilm bedeutet in der Regel: Dreh nur mit Bekannten und nur am Wochenende, zusammengeschusterte Drehbücher, die mehr auf den eingeschränkten finanziellen Rahmen als die Geschichte achten und nicht zuletzt auch bestenfalls als „kreativ“ zu bezeichnende Splatter-FX. Auch der mittlerweile zum deutschen „Splatter-Papst“ avancierte Regisseur Olaf Ittenbach, der es mit seinen Filmen „Beyond The Limits“ und „Legion Of The Dead“ durch das Fantasy Film Fest sogar auf die größten Leinwände des Landes brachte, hat mit seinen Erstlingswerken „Black Past“ und „The Burning Moon“ einst so klein angefangen. Mittlerweile hat Ittenbach es geschafft, sogar in den hart umkämpften US-Markt einzudringen, und dreht nun stets mit einer englischsprachigen Cast für den internationalen Markt – entsprechend haben sich die finanziellen Rahmenbedingungen seiner Filme seit seinen Anfängen auch erheblich verbessert. Aber wie Ittenbach mit seinem Vampir-Splatter „Chain Reaction“ nun wieder einmal eindrucksvoll unter Beweis stellt, bringen einen ein für dieses Genre beachtliches Budget und professionelle Strukturen keinen Schritt weiter, wenn einem einfach jegliches Talent zum Filmemachen fehlt.

    In einem abgelegenen Waldstück kollidiert der Wagen von Arzt Doug (Christopher Kriesa) mit einem Gefangenentransport. Der eiskalte Killer Arthur (Simon Newby, Hitlerkantate) und seine Kumpel nutzen die Gunst der Stunde und schießen das nahezu wehrlose Wachpersonal über den Haufen. Weil Arthurs Bruder Spence (Luca Maric) dabei aber angeschossen wird, nehmen die Flüchtigen Doug als Geisel. Ohne seine Arzttasche und mitten im Wald kann Doug jedoch wenig für den Verletzten tun. Es scheint also ein glücklicher Zufall, dass sie auf eine entlegene Hütte treffen, die von der schönen Alice (Martina Ittenbach) und ihrer Sippe bewohnt wird. Schnell entpuppen sich die merkwürdigen Einsiedler aber als blutgierige Vampire und ein Massaker, dem nur Doug entfliehen kann, nimmt seinen Lauf. Weil Doug nach seiner Rückkehr in die Zivilisation dem Polizeiinspektor (Jürgen Prochnow, Das Boot) die verschiedenen Blutspuren auf seiner Kleidung nicht erklären kann, kommt er erst einmal selbst in Untersuchungshaft. Doch der Transport ins Gefängnis hat einen Unfall – genau an der Stelle, an der Doug schon einmal verunglückte…

    Schon die Schießerei ganz am Anfang des Films erinnert mit ihren billigen Knalleffekten eher an ein „Cowboy und Indianer“-Spiel auf einem Kindergeburtstag als an gelungenes Spannungskino – schon hier verspielt der Film das komplette Maß an erträglicher Unglaubwürdigkeit und Spannungsarmut. Und der Rest wird nicht unbedingt besser: Zum einen ist der Film so uninteressant und 08-15-fernsehhaft in Szene gesetzt, dass selbst das Making-Of mit einem aufregenderen Inszenierungsstil aufwarten kann. Zum anderen ist der Versuch, die Figuren als harte, One-Liner-schleudernde Kerle anzulegen, voll nach hinten losgegangen – so wirken die meisten Verbrecher wie gehirnamputierte Spinner, mit denen man weder mitfiebert noch ihnen sonderlich motiviert den Tod wünscht. Spannung auch hier: Fehlanzeige.

    Typisch für Ittenbach-Filme haben die Schauspieler keine Chance, gegen die unbeholfenen „Fuck This, Fuck That“-Dialoge anzuspielen, vielmehr verschlimmern sie die Situation durch ihr hölzernes „Ich kann immerhin drei auswendig gelernte Sätze aufsagen“-Spiel sogar noch zusätzlich. Die Auswüchse dieser meist peinlichen Bemühungen lassen sich am besten an folgenden drei Darstellern festmachen. Der von Dan van Husen gespielte Supergangster Paul ist eindeutig an die Figur des von Anthony Hopkins verkörperten Kannibalen Dr. Hannibal Lecter in Das Schweigen der Lämmer angelehnt – ein eiskalter, aber sehr intellektueller Killer, der seine Opfer erst tötet, wenn sie seinen Geist nicht mehr stimulieren. Getreu dem Motto „Gut geklaut ist besser als schlecht selbst gemacht“ wäre dies ja an sich nicht weiter schlimm, aber statt an einen aufregenden Horrorfilm-Charakter erinnert Paul eher an eine unlustige Sat. 1-Comedy-Parodie. Die weibliche Hauptrolle ging in „Chain Reaction“ zum ersten Mal an Ittenbachs Ehefrau Martina. Und die beweist schon in ihren ersten Szenen trotz äußerst passendem Gothic-Aussehen eindrucksvoll, dass sie mit ihren eineinhalb Gesichtsausdrücken für den Job ohne ihre persönliche Beziehung zum Regisseur wohl nicht unbedingt erste Wahl gewesen wäre. Richtig lustig sind hingegen Jürgen Prochnows Versuche gleichzeitig cool zu wirken und englisch zu sprechen – einfach köstlich.

    Natürlich sind Schauspielleistungen und allgemeiner Inszenierungsstil Wertungskriterien, die jede Art von Film betreffen, für viele Genrefans von Splatter-Movies aber nur von untergeordnetem Interesse sind. Aber auch was die Gore-Szenen selbst angeht, kann man „Chain Reaction“ positiv ausgedrückt höchstens noch als Ittenbachs Reminiszenz an seine früheren Werke bezeichnen, im Endeffekt ist nämlich jede einzelne Splatter-FX eine uninteressante Wiederholung – nur dass die Produzenten hier in jeden Effekt 2.50 € mehr investiert haben. Lediglich eine Hodenamputation hat man noch nicht hundert Mal gesehen – reicht alleine aber natürlich noch lange nicht aus, um dem Film irgendwelche überzeugend-kreativen Einfälle zuzuschreiben. Einen guten Film hat man ja eh nicht erwartet, aber dass man statt eines unterhaltsamen ein bestenfalls ärgerliches Schlachtfest serviert bekommt, nimmt „Chain Reaction“ dann endgültig jegliche Existenzberechtigung.

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