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    Unter Wölfen
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Unter Wölfen
    Von René Schumacher

    Bei „Unter Wölfen“ handelt es sich um den Diplomfilm der Studenten Daniel Hedfeld & René Sydow, den die beiden zum Abschluss ihres Studiums der Film- und Fernsehwirtschaft an der Werbe- und Medienakademie Dortmund realisierten. In der Kurzfilmszene haben sie mit dem Film „Kampfabsage“ schon für Aufsehen gesorgt, „Unter Wölfen“ ist ihr erster abendfüllender Spielfilm. Eigentlich sollten sie als Abschlussfilm einen Kurzfilm realisieren, beschlossen aber, im selben Zeitraum einen Langfilm zu drehen. Dass sie es geschafft haben, durch das Auftreiben von privaten und Sponsorengeldern einen solchen Film in so kurzer Zeit zu realisieren und ihn dann noch auch verkaufen konnten, ist eine großartige Leistung, für die sie eigentlich eine höhere Wertung verdient hätten. Doch dem Werk merkt man das geringe Budget an und auch die Geschichte leidet unter dem Zeitdruck.

    Firmenchef Stromberg (Jochen Kalenda) lädt einige seiner Mitarbeiter auf einen Jagdausflug in sein Haus in einem Wald in Tschechien ein. Nach der Jagd liegt aber nicht nur ein Hirsch erschossen im Geäst, sondern auch Stromberg selbst. Die anfängliche Vermutung, es könnte sich um einen Jagdunfall handeln, weicht schnell gegenseitigen Schuldzuweisungen und die Jagdgesellschaft fängt an, sich wie die titelgebenden Wölfe zu zerfleischen. Jeder versucht Strombergs Tod aus den unterschiedlichsten Gründen einem anderen unterzuschieben. Als auch noch ein tschechischer Förster die Leiche entdeckt, eskaliert die Situation…

    „Unter Wölfen“ wird vom Verleih vollmundig als Mixtur aus Horrorfilm und Kriminalstück angekündigt. Aber die Tatsache, dass am Anfang ein totes Reh überrollt wird und am Ende kräftig Blut fließt, reicht noch lange nicht aus, um den Film als Horror zu bezeichnen. Er ist auch kein Kriminalstück, denn schon bald nach dem Tod des Firmenchefs tritt die Suche nach seinem Mörder in den Hintergrund, die Protagonisten versuchen vielmehr ihre Haut zu retten oder die Situation zu ihren Gunsten auszunutzen. Von der Geschichte her beinhaltet dieser Mittelteil die stärksten Szenen, so wenn Sebastian (Sebastian Sommerfeld) und seine Freundin (Kathrin Hildebrand) sich darüber unterhalten, dass er den tödlichen Schuss womöglich aus Versehen abgegeben haben könnte oder wenn der wankelmütige Ernst (Ernst Konarek) zum Spielball für Klaus (Martin Brauer) und Heiner (Wolfgang Krassnitzer) wird, die ihn beide auf ihre Seite ziehen wollen. Hier wird die Spannung gut aufgebaut und gehalten. Demgegenüber gibt es aber auch so manche Schwäche in der Geschichte. Die Dialoge, die Heiner am Handy mit Tanja Stromberg (Ariane Manske) führt, sind zeitweilig unfreiwillig komisch, was auch viel mit dem schlechten Ton zu tun hat. Und der Charakter des Försters (Christian Miedreich) wird massiv überstrapaziert, um die Handlung weiterzuführen. Überspitzt formuliert fragt man sich, wie viel Schläge und Kugeln so ein tschechischer Förster eigentlich braucht, um endlich Ruhe zu geben. Der Mann ist das reinste Stehaufmännchen. So leitet er dann auch das enttäuschende Ende der Geschichte ein. Bei diesem Schluss werden die sorgsam geplanten Intrigen einem wilden Showdown mit billigen Effekten geopfert. Dies ist sehr schade und wird der vorher aufgebauten Spannung nicht gerecht. Das Ende wirkt überhastet und überzogen zugleich. Da hilft auch nicht mehr die dramatische Schlusspointe. Sie ist vorhersehbar, unnötig und wirkt unglaubwürdig. Die Geschichte ist dramatisch genug, da brauchte es diese Wendung nicht mehr. Die Protagonisten haben schon so viel Schuld auf sich geladen, dass es eigentlich unwichtig ist, wer der Mörder war, Wölfe sind sie alle geworden. Die gute Idee des Films, dass es den Anwesenden schnell egal ist, wer Stromberg getötet hat, Hauptsache man kann sich retten oder es dem der eigenen Meinung nach Richtigen in die Schuhe schieben, wird zwar noch einmal verdeutlicht, aber auf Kosten der Glaubwürdigkeit. Der gesamte Schlussteil hinterlässt einen schalen Beigeschmack und zieht den Film runter.

    Visuell wirkt „Unter Wölfen“ etwas billig und kann seine Herkunft nicht verleugnen, aber man darf nicht vergessen, dass er das auch war. Die Regisseure hatten kein Millionen-Budget, sondern lediglich 12.000 Euro zur Verfügung! Es handelt sich nun mal um einen Abschlussfilm von zwei Filmstudenten. Dass sie überhaupt das Geld 90 Minuten Film auftreiben konnten, verdient äußerste Hochachtung, zumal nicht nur Geld von Sponsoren, sondern auch eigenes in dieses Projekt gesteckt wurde. Diesbezüglich darf man ihnen keine Vorwürfe machen, sie haben handwerklich sauber inszeniert, so mancher amerikanische B-Film kommt bei weitem schlechter rüber. Die Kamera ist nicht spektakulär, aber auch nicht schlecht. Allerdings sind Ton und Musik ein echtes Ärgernis. Ob es nun, wie schon erwähnt, die Telefonate sind oder schlechte Hintergrundmusik, die Stimmung zerstört statt aufzubauen, hier liegt einiges im Argen und ist verbesserungswürdig. Ebenso bei den Effekten. Das blutige Ende hinterlässt unter anderem auch deswegen einen schlechten Eindruck, weil ein Schauspieler mit dicken Backen Tonnen von Kunstblut spuckt, welches einfach auch nur künstlich aussieht. Dabei machen die Schauspieler, welche dem großen Kinopublikum größtenteils unbekannt sein dürften, ihre Sache nicht schlecht, lediglich Christian Miedreich als Förster und Martin Brauer als Klaus Gruber agieren hölzern.

    Unter dem Strich ist Daniel Hedfeld und René Sydow mit ihrem Erstlingsfilm „Unter Wölfen“ ein passabler Unterhaltungsfilm für einen Videoabend gelungen, aber dass der Verleiher auf eine Kinovermarktung verzichtet hat, ist ebenfalls verständlich, dafür ist der Film zu billig produziert. Es wird spannend sein, den weiteren Werdegang und die Fortschritte des Regie-Duos zu verfolgen. Nicht jeder Filmemacher kann ein Florian Henckel von Donnersmarck sein, dem mit seinem exzellentem Erstlingsdebütfilm Das Leben der Anderen gleich der Riesenwurf glückte, der mit Schauspielern wie Martina Gedeck und Ulrich Mühe zusammenarbeiten konnte und direkt auch schon ein ordentliches Budget zur Verfügung hatte. Hedfeld und Sydow zeigen, dass junge deutsche Filmemacher auch abseits solcher Erfolgsstorys mit Engagement und Beharrlichkeit ihre Filmvisionen verwirklichen können, dies kann für die deutsche Filmszene nur gut sein.

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