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    James Bond 007 - Goldfinger
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,5
    hervorragend
    James Bond 007 - Goldfinger
    Von Martin Soyka

    Mit „James Bond 007 - Goldfinger“ findet das erfolgreichste und langlebigste Film-Franchise der Welt endlich seine Formel. Und die geht so:

    Größenwahnsinniger Superreicher - Goldfinger (Gert Fröbe) - bedroht die Welt, in diesem Fall die Währungsstabilität des US-Dollars in Gestalt der Goldreserven in Fort Knox, die er radioaktiv verseuchen will. Der britische Geheimagent James Bond (Sean Connery) wird auf ihn angesetzt und bandelt erst mal mit der einen oder anderen Schönen an (Shirley Eaton), während er um die Welt jettet, in „Goldfinger“ von Miami nach England, in die Schweiz und nach Kentucky. Das Mädchen wird bald vom fiesen Helfershelfer des Superschurken - Oddjobb (Harold Sakata) - möglichst effektreich ermordet, hier mittels eines Ganzkörper-Goldüberzugs. Bond begibt sich in die Hände des Schurken, bald gelingt ihm aber die Flucht. Bond kehrt darauf mit Verstärkung zurück und es kommt zu einem gewaltigen Showdown, im Laufe dessen Bond die Welt retten, den Schurken töten und das zweite (oder dritte) Mädchen (Honor Blackman) behalten kann. Das Ganze wird gewürzt mit tollen Bauten (oft vom legendären Ken Adam), coolen Autos (vorzugsweise von Aston Martin) und großartiger Musik (unverkennbar: John Barry). Hinzu kommen optische Gimmicks (der Blick durch den Pistolenlauf am Anfang jedes Films) und Einzeiler mit hohem Wiedererkennungswert („Mein Name ist Bond, James Bond“, „Wodka Martini, geschüttelt, nicht gerührt“).

    Der Inhalt von „Goldfinger“ dürfte mittlerweile allgemein bekannt sein, hat dieser Film doch Eingang in die Annalen der Popkultur gehalten. Mit dem dritten offiziellen Bond-Film (vorangegangen war neben den beiden Vorgängerwerken ein s/w-TV-Film namens „Casino Royale“ mit Peter Lorre als Schurken) wurde ein Phänomen entfacht, dass weltweit als „Bonditis“ bekannt wurde und bis dahin nur mit dem Hype um „Vom Winde verweht“ verglichen werden konnte. Stellten die ersten beiden Filme dem Grunde nach noch „richtige“ Agentenfilme dar, war allen Beteiligten mittlerweile klar geworden, dass man einen modernen Superman geschaffen hatte. Ein Superman braucht Superschurken mit superfiesen Plänen. So ergab sich dann bald die Formel, die von da an praktisch allen Bond-Filmen zugrunde gelegt werden sollte (Ausnahmen gab es aber auch, z. B. „Der Hauch des Todes“, „Lizenz zum Töten“). Das Merkwürdige: Was bei allen anderen Serien als Stereotypie gebrandmarkt werden würde, wird bei Bond erwartet. Mehr noch: Immer wenn von dem Schema abgewichen wird, ist das Publikum irritiert. Mit „Goldfinger“ hat die Serie sich ihr eigenes Korsett geschaffen, und ein Korsett sieht nun mal angezogen am Besten aus.

    Um die Abkehr vom Normalen zu unterstreichen, verfiel Regisseur Guy Hamilton auf die Idee, den Opener - erstmals eine kleine Geschichte ohne engeren Bezug zum Rest - mit einem Witz beginnen zu lassen. Bond entsteigt im Taucheranzug den nächtlichen Fluten, zur Tarnung eine Gummiente auf dem Kopf. Dies ist der erste beabsichtigte Joke in einem Bond-Film. Viele sollten folgen. Hamilton nannte den Opener später „A beautyful peace of nonsense“. Er sollte die Zuschauer auf das einstimmen, was jetzt kommen sollte, nämlich pures Entertainment. Dann der weltberühmte Titelsong, der Shirley Bassey zu einem Weltstar machte, was sie bis heute geblieben ist. Noch zwei Mal („Diamonds are forever“, „Moonraker“) sollte sie die Ehre eines Bond-Titelliedes haben, fast wären es drei Mal geworden, aber „Mr. Kiss-Kiss-Bang-Bang“ für „Feuerball“ fiel durch. John Barrys Score war und ist ein Hammer und wirkte ebenfalls stilbildend mit seinen teils getragenen, teils aufjaulenden Bläsern. Sein Musikstil ist unverkennbar und in der Lage, selbst Superschnulzen wie „Jenseits von Afrika“ nicht vorhandene Größe zu verleihen. Barrys Einfluss reicht bis zu Die Unglaublichen, wo man in einigen nächtlichen Szenen ein klassisches „James-Bond-schleicht-sich-an-Thema“ zu erkennen meint.

    Goldfinger, das ist insbesondere der legendäre Aston-Martin DB 5 mit Doppelvergaser und 286 PS, bestückt mit Maschinengewehren, Schleudersitz und - auf Wunsch des Strafzettel geplagten Regisseurs - mit drehbarem Nummernschild. Ken Adams Entwurf für die Umbauten waren spektakulär und nur zögernd gingen die Techniker daran, das Dach des schönsten Sportwagens seiner Zeit für den Schleudersitz aufzuflexen. „Ejector-Seat? You´re joking!“ entfährt es Bond, als Q ihm den Ersatz für seinen aus dem Buch entnommenen und in die Jahre gekommenen Bentley (der im Vorgänger kurz zu sehen war) vorstellt. „I never joke about my work, 007!“ ist die genervte Antwort von Q. Der Quartiermeister wird hier, obwohl schon im Vorgänger aufgetreten, erstmals als echter Charakter eingeführt. Und zwar als einer, der mit der lockeren Lebensweise von Bond nichts anfangen kann. Bond zollt außerdem seinen lebensrettenden Erfindungen keinen Respekt. Das kann Q einfach nicht verknusen. Eine Hassliebe beginnt, die sich später zu einem fast väterlichen Verhältnis wandeln wird („Lizenz zum Töten“, „Die Welt ist nicht genug“).

    Sean Connery war mit dem dritten Film in die von ihm ungeliebte Rolle endgültig hineingewachsen. Seine physische Präsenz trägt einen Großteil des Films. Das kann man nicht lernen. Dies hat nichts mit Schauspielkunst zu tun, sondern ist vielmehr, was einen echten Star ausmacht. Die Kamera rückt ihn mehr ins Zentrum des Geschehens als bei den Vorgängern. Connerys Bond wirkt groß, überlebensgroß. Viril, gefährlich und unwiderstehlich auf beiderlei Geschlecht. Seine Selbstsicherheit wird zudem unterstrichen durch ein zuweilen aufblitzendes Machismo, das heutzutage undenkbar wäre: „Sag auf Wiedersehen, Tink. Männergespräch“, begleitet von einem herzhaften Klaps auf den Po der Bikini tragenden Freizeit-Masseuse.

    „Goldfinger“, das ist aber auch der grandiose Gert Fröbe. Der deutsche Schauspieler war den Produzenten in der Dürrenmatt-Verfilmung „Es geschah am helllichten Tag“ aufgefallen und wurde für die Titelrolle gecastet. Ursprünglich wollten die übrigens Orson Welles für die Rolle haben, aber der hatte einfach zu viel Geld verlangt. Als Fröbe beim Casting gefragt wurde, wie er sich die Bezahlung vorstellte, antwortete der, man könne ihn ja - wie in Deutschland üblich - prozentual am Gewinn beteiligen. Nach einem herzhaften Lachanfall erklärten Salzmann und Broccoli dem verdutzten Fröbe, dann würden sie noch mal Welles fragen müssen, der sei dann nämlich doch billiger. Fröbe verlieh dem Schurken eine derart übergroße Präsenz, dass dem anglo-amerikanischen Publikum verborgen blieb, dass seine Stimme synchronisiert werden musste, weil sein Englisch viel zu schwach war („Ju no natting, Mista Bond, ju no natting“ wurde er später von Connery liebevoll verhohnepiepelt). Trotzdem gelingt ihm das beste Filmzitat der ganzen Serie:

    Bond: „Do you expect me to talk?“

    Goldfinger: „No, Mister Bond, I expect you to die!“

    Fröbes Schurke war so stark, dass alle anderen Nachfolger an ihm gemessen wurden. Und bei jedem neuen Film war sich die (Fach-)Welt aufs Neue einig: An Fröbe reichte keiner heran. Je besser der Schurke, desto besser der Film. Gemessen daran ist „Goldfinger“ kaum zu toppen. Fröbe gelang es, seinen internationalen Erfolg später z. B. mit „Die tollkühnen Männer in ihren fliegenden Kisten“ und der weiteren Fleming-Verfilmung „Tschitti-Tschitti-Bang-Bang“ auszubauen.

    Und Honor Blackman als Pussy (!) Galore! Die Britin war die Vorgängerin von Diana Rigg in der legendären TV-Serie „The Avengers“ („Mit Schirm, Charme und Melone“) und ebenso schlagkräftig wie ihre weitaus bekanntere Nachfolgerin. Man kann mit Fug und Recht behaupten, Blackman war das erste echte „Tough Chick“ und auch in „Goldfinger“ kommt sie mehr hart als zart rüber. Das bekommt dem Film aber ganz hervorragend, kann sie doch als Fliegerin und Kämpferin mit dem omnipotenten Bond mithalten. Die Prügel-und-Kuss-Szene im Stroh wurde später in „Die Maske des Zorro“ zitiert.

    Der Film ist in vielerlei Hinsicht besser als das Buch. Dort machte die Golf-Szene am Anfang einen Großteil der Handlung aus (wie übrigens alles, für das Fleming eine Schwäche hatte, auch wenn es die Geschichte nicht voran brachte) und wird hier merkbar gestrafft. Im Buch will Goldfinger das Gold aus Fort Knox schlicht und einfach stehlen. Warum das nicht geht, wird im Film von Bond süffisant klargestellt. Und Pussy Galore ist im Buch eine erklärte Lesbierin, wird von Bond aber bekehrt. Auf diese schiefe Ebene begibt sich der Film glücklicherweise nicht.

    Aber nicht alles ist Gold. Bei näherer Betrachtung hat der Film aber auch Schwächen. Wieso hat Bond dieses Superauto, wenn er trotz Verfolgungsjagd geschnappt wird? Des bloßen Schauwerts wegen! Außerdem verliert der Film von diesem Moment an merklich an Tempo. Sämtliche Versuche, sich zu befreien, scheitern. Erst als Bond seine schärfste Waffe einsetzt, seinen - ähem - Charme, wendet sich das Blatt. Mit anderen Worten: Sieg durch Sex. Das hätte auch anders und besser gelöst werden können.

    Trotzdem ist man am Ende großartig unterhalten worden. Der Film ist ein High-Voltage- Cocktail aus spinnerter Geschichte, Gadgets, Gewalt und Gags. Und das Wichtigste: James Bond will return.

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