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    Schwesterherz
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Schwesterherz
    Von Christian Schön

    Ein französisches Sprichwort weiß: Ein gut erlernter Beruf ist mehr wert als ein gute Erbschaft. „Schwesterherz“, die zweite Zusammenarbeit von Drehbuchautorin und Schauspielerin Heike Makatsch mit Regisseur Ed Herzog relativiert diese Volksweisheit, nimmt man sie wörtlicher als sie gemeint ist. Nichtmaterielle Erbschaft, also diejenige, die man von Geburt mitbekommt beziehungsweise diejenige, die im Lauf des Heranwachsens durch elterliche Prägung aktiviert wird, ist ein Gut, das für den einen Fluch den anderen Segen bedeuten kann. Gleich einem Lehrstück dieser simplen Einsicht, exemplifiziert „Schwesterherz“ diese beiden Möglichkeiten im Aufeinandertreffen eines Schwesternpaares, das unterschiedlicher nicht sein könnte. Dem eingespielten Gespann Makatsch/Herzog (Almost Heaven) ist dabei weder ein großer Wurf gelungen, noch ein absoluter Fauxpas unterlaufen, und kann auf dem Niveau durchschnittlicher Fernsehunterhaltung Made in Germany angesiedelt werden.

    Anne (Heike Makatsch) ist eine erfolgreiche Produzentin in einer Plattenfirma. In ihrer Beziehung mit Phillip (Marc Hosemann) läuft nicht alles nach ihren Vorstellungen. Phillip ist das Gegenteil von Anne. Arbeitslos, immer in Feierlaune, in seinen freundschaftlichen Beziehungen unbeständig und unverbindlich. Die Lage verkompliziert sich als Anne erfährt, dass sie schwanger ist. Weder in ihr Leben als Produzentin, noch in ihre Partnerschaft, noch in ihr sonstiges Privatleben passt ihr diese Nachricht. Denn zu dem Zeitpunkt, an dem sie davon erfährt, ist sie im Begriff mit ihrer kleinen Schwester Marie (Anna Maria Mühe) in den Urlaub zu fliegen. Diesen hat sie Marie zu deren 18. Geburtstag versprochen und muss ihn, wohl oder übel, einlösen. Im Urlaub angekommen, schafft Anne es zunächst nicht, sich von ihrem Tagesgeschäft zu lösen. Der Konflikt zwischen ihr und Phillip verschärft sich zudem zusehends. Am Abend lernen Anne und Marie in der Hotelbar zwei junge Männer kennen – Max (Sebastian Urzendowsky) und Matze (Ludwig Trepte). Anne, durch die Urlaubssituation enthemmt, betrinkt sich gemeinsam mit Max und verführt ihn am selben Abend nach allen Regeln der im trunkenen Zustand zulassenden Mitteln der Kunst. Schnell wird ihr jedoch klar, was für einen Fehler sie damit begangen hat. Ebenso schnell bemerkt Marie, dass eigentlich sie es ist, die sich in Max verliebt hat. Nicht nur dieser Umstand treibt die beiden Schwestern, die sich immer mehr entfremden, auseinander…

    Obwohl der Film das nach wie vor aktuelle Thema des Feminismus thematisiert, und dies laut Aussage von Heike Makatsch, die zusammen mit der FAZ-Redakteurin Johanna Adorjan das Drehbuch verfasste, auch explizit will, geht die Gesamtkonzeption nicht richtig auf. Zwar sind alle wichtigen Elemente, die von Alice Schwarzer und Co. seit den 60er Jahren gebetsmühlenartig wiederholt werden, im Film vertreten, aber sie wirken doch nicht mehr ganz so taufrisch wie noch vor 50 Jahren. Allzu vieles hat sich schon geändert, als dass eine – mehr an ihrem Perfektionismus und den Erziehungsverfehlungen ihrer Mutter, als am Frausein leidende – allein stehende Berufstätige das Thema adäquat fassen könnte. Zudem muss sich Anne nicht in einer von Machos und uneinsichtigen, an ihrer Geschlechterüberlegenheit festhaltenden Männern geprägten Geschäftswelt durchsetzten, sondern ringt eher mit ihren weiblichen Kollegen und am allermeisten mit ihrem nur unreifen Lebensgefährten Phillip.

    Der Grundkonflikt, auf den der Film am meisten baut, scheitert demnach größtenteils. Währenddessen kommt die eigentlich viel interessantere Konstellation, die in den verschiedenen Konzeptionen des Selbstverständnisses von Frauen in der heutigen Zeit zu sehen ist, und in den zwei Schwestern ihre Entsprechung findet, zu kurz. Sie dient zu Unrecht nur der Untermalung des stilisierten Kampfs der Anne. Die eben erwähnte, prominente Kombattantin des Feminismus, genauer gesagt, deren Anfänge, verweist auf die Zeit, in der die Fragestellung des Films von brennender Aktualität gewesen wäre. Um Missverständnissen vorzubeugen: Ohne Zweifel mag es auch heute noch von Männern dominierte Bereiche in der Geschäftswelt geben, und die Frage nach der Position der Frau entbehrt demnach immer noch jeder Rechtfertigung. Jedoch die Art und Weise, wie in „Schwesterherz“ die Akzente gesetzt werden, zerstört jegliche Brisanz der Problematik und wirkt somit vielmehr wie eine neu aufgelegte Platte, die einzustauben drohte.

    Interessant hingegen ist, und hier geht das Konzept des Films voll auf, die Konzeption des Verwandtschaftskonstrukts. Die zwei Schwestern, die zwei unterschiedliche Generationen repräsentieren, könnten in ihrer Anlage verschiedener nicht sein, obwohl sie bezüglich ihrer Erbanlagen doch so ähnlich sind. Das Verhältnis der beiden zu ihrer Mutter macht die Differenz der unterschiedlichen Ausprägung anschaulich. Im Lauf der Handlung bekommt man das Gefühl, dass die Schwestern zwei unterschiedliche Mütter haben müssen. Die widersprüchlichen Beziehungen und das konträre Vertrauensverhältnis, das Anne und Marie ausgebildet haben, markieren, eigentümlicher Weise, die Position der Schuldigen auf der Seite der Erziehungsberechtigten. Diese, wohl dem jeweiligen Zeitgeist folgend, hat die Erstgeborene einem von Strenge und Hierarchie geprägtem Erziehungsprogramm unterzogen, während sie zu der Jüngsten eine vertraute, auf Freundschaft basierende Beziehung aufgebaut hat. Damit hat sie Letzterer ein zukunftversprechendes Paket mit auf die Lebensreise gegeben, was Marie zu einer selbstbewussten, zuversichtlichen Person hat werden lassen. Dementsprechend wirkt ihr Charakter im Film auch viel vertrauter, näher an der Realität, wohingegen Anne sehr typisiert und eindimensional erscheint.

    Die Ausstattung der Szenen, die nahezu perfekte Ensembles und in jeder Hinsicht glaubwürdige Szenerien schafft, in Kombination mit dem Kameramann Sebastian Edschmid („Almost Heaven“, „Adam Resurrected“), der bereits mehrfach mit Regisseur Ed Herzog zusammengewirkt hat, schaffen eine Bildästhetik, die an das Hollywoodkino der 60er Jahre erinnert. Dazu bei trägt die reduzierte Farbgebung und dem damit verbundenen verträumten Charme des Vergangenen. Eine andere Deutungsmöglichkeit dieses Erscheinungsbildes ließe sich in der Verortung der Handlung im Urlaub finden, der ja konventionell mit Attitüden der heilen Welt verbunden ist. Damit wird ein Spannungsverhältnis zwischen den untergründigen, an die Oberfläche drängenden Konflikten und einer heilen Bildwelt geschaffen, das zu überzeugen weiß.

    Ein Wehmutstropfen, der um so schwerer wiegt, als dass er die Waagschale trotz des positiven quasi gewichtigen Ausschlags der Waage von Seiten der Filmemacher ins Kippen bringt, muss auf der Seite der Schauspielqualität und des Drehbuchs verbucht werden. Nach der ersten Viertelstunde ist mehr als klar geworden, wie die Hauptcharaktere funktionieren. Unermüdlich reproduziert der Film jedoch die stereotypenhaften Charaktere, und nach 30 Minuten würde selbst der beste Schauspieler dem nichts Neues mehr abgewinnen können. An einigen Stellen versucht das Drehbuch auch komisch zu sein. Das Aufeinandertreffen zweier Generationen, zwischen denen heutzutage dank des beschleunigten Generationenwechsels, der sich in Sprach-, Musik- oder Verhaltenscodices äußert, ein genügend großes Gefälle herrscht, hätte genügend Komikpotential bereitgestellt, das man hätte nutzen können. Die wenigen Stellen, an denen Versuche in diese Richtung unternommen werden, bleiben eher einem subtilen, platten Humor verpflichtet. Was hierbei überrascht, ist, dass eher die routinierten Heike Makatsch (Keine Lieder über Liebe, Tatsächlich Liebe) und Marc Hosemann (Reine Formsache) in ihren Rollen als Anne und Phillip nicht zu brillieren wissen, wohingegen Anna Maria Mühe (Was nützt die Liebe in Gedanken) ihren Part mit Bravour erledigt.

    So gut es im Moment um den deutschen Film auch stehen mag, der zu Recht auch in vielen Fällen gelobt wird und seine Erfolge über die deutschen Landesgrenzen hinaus auch feiern mag, Produktionen wie „Schwesterherz“ zeigen, dass man durchaus noch im Stande ist Mittelmäßiges zu produzieren. Bei einem solchen sportlichen Unentschieden ist es schwierig, ein richtungweisendes Urteil zu sprechen. Thematisch in der einen oder anderen Hinsicht Interessierte werden bestimmt lohnenswerte Gesichtspunkte finden, die für einen Kinobesuch sprechen, müssen jedoch im Gegenzug die erwähnten Mängel in Kauf nehmen.

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