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    Guru - Bhagwan, His Secretary & His Bodyguard
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Guru - Bhagwan, His Secretary & His Bodyguard
    Von Björn Helbig

    Ein Guru ist als spiritueller Lehrer im Hinduismus für den Schüler auf der Suche nach Erlösung unentbehrlich. Aber auch im Westen entwickelten die Menschen über die Jahrhunderte hinweg immer wieder eine tiefe Faszination für die Heilsversprechen der fernöstlichen Meister. Dass nicht jeder Guru dabei in erster Linie an das Wissen und die Entwicklung seiner Schüler dachte, sondern vor allem den eigenen Geldbeutel im Sinn hatte, ist nur allzu menschlich. Der Dokumentarfilm „Guru – Bhagwan, His Secretary & His Bodyguard" von Sabine Gisiger und Beat Häner skizziert das Wirken des Gurus Chandra Mohan Jain, der später unter den Namen Bhagwan Shree Rajneesh und Osho viele Anhänger um sich scharte, aus der Sicht seines Leibwächters und seiner Sekretärin. Dass hier zwei Personen, die lange Jahre mit dem Guru gelebt haben, ausführlich zu Wort kommen, ist die große Stärke des Films – die allerdings dadurch erkauft wird, dass dem Zuschauer so nur ein sehr eingeschränkter Ausschnitt des Phänomens Bhagwan präsentiert werden kann.

    In den wilden 70er Jahren sind der Wunsch nach einem neuen Denk- und Lebensstil sowie die Sehnsucht nach einer anderen Form von Bewusstsein groß. Auch deshalb schlägt das Buch „Vom Sex zum kosmischen Bewusstsein" des Inders Bhagwan Shree Rajneesh im Westen ein wie eine Bombe. Zu Tausenden strömen Europäer und Amerikaner nach Indien, um mit Bhagwan zusammenzuleben und täglich seinen Lehren zu lauschen. Das liegt nicht nur an der Intelligenz und dem Charisma des Gurus, sondern auch an seiner gefälligen Lehre. Die Grundenergie der Sexualität sei göttlich, befindet der Guru, und deswegen sollen sexuelle Gefühle auf keinen Fall unterdrückt, sondern akzeptiert und ausgelebt werden. Wie so viele andere geraten auch der Schotte Hugh Milne und die Inderin Sheila Birnstiel an den faszinierenden Bhagwan. Beide wissen schnell: Bhagwan Shree Rajneesh hat die Antworten auf ihre Fragen. Während der große Schotte zu Rajneesh Leibwächter wird, macht der Guru Sheela zu seiner Sekretärin und rechten Hand...

    Die Filmemacher Sabine Gisiger und Beat Häner bringen mit Hugh Milne und Sheila Birnstiel zwei wichtige Protagonisten der Neo-Sannyas-Bewegung vor die Kamera und lassen sie in langen Interviewpassagen die damaligen Ereignisse Revue passieren. Die Dokumentation gliedert sich grob in drei Phasen. Nachdem zunächst der persönliche Hintergrund von Hugh und Sheela vorgestellt und über ihre erste Begegnung mit dem Guru berichtet wurde, geht es in einem zweiten Schritt um das Leben im Ashram im indischen Poona. Hierfür haben die Regisseurinnen eine Menge beeindruckendes Archivmaterial aufgespürt, das die Atmosphäre im Ashram eindrucksvoll rüberbringt. Der Zuschauer sieht viele glückliche, ja geradezu besessen enthusiastische Menschen, die an den Meditations-Workshops des Gurus teilnehmen und das Leben im Ashram am Laufen halten: Aufgrund der großen Anzahl von Mitgliedern gibt es eine Menge Arbeit zu verrichten, die von den Schülern des Gurus bereitwillig ausgeführt wird.

    Die wahre Hingabe dieser Menschen zeigt sich erst nach Problemen des Gurus mit der örtlichen Politik, die einen Umzug des Ashrams in die USA nötig macht: Zu Tausenden folgen die Aspiranten ihrem Meister in die Staaten, wo in den 80er Jahren in den Bergen Oregons durch ihre Muskelkraft eine neue Heimat entsteht. In einer dritten Phase zeigt der Dokumentarfilm das Leben in den USA und macht dabei deutlich, wie die Gemeinschaft immer mehr Risse bekommt und vor allem die finanziellen Interessen der Sektenoberhäupter Missklänge in die Gruppe tragen. Der Traum von einem besseren Leben und spiritueller Erleuchtung endet für viele in einem Albtraum. Hugh fällt bei dem Guru in Ungnade und wird aus der Gemeinschaft verstoßen. Und Sheela, die zwischenzeitlich zu einem mächtigen Protagonisten im Machtgefüge aufgestiegen war, aber ihre Macht wiederholt missbrauchte, muss sich für ihre Taten verantworten und landet im Gefängnis.

    Der Dokumentarfilm von Sabine Gisiger und Beat Häner geht der Frage nach, wann es schief zu laufen begann. Wann wurde aus der glücklichen Gemeinschaft, die nach Harmonie und Transzendenz strebte, ein totalitäres System, das seine Gegner außerhalb wie innerhalb der eigenen Reihen bekämpfte? Zeitlich lässt sich der Umschwung zwar einigermaßen präzise auf den Umzug in die USA terminieren, aber es scheint keinen Zweifel daran zu geben, dass auch vorher schon ein ganz gewaltiger Fehler im System steckte. Vielleicht ist das Scheitern jedes gesellschaftlichen Systems vorprogrammiert, wenn es nicht auf Gerechtigkeit, Fairness und demokratischen Grundstrukturen fußt, sondern manche Personen eben doch gleicher sind als andere - wie es auch George Orwells Klassiker „Farm der Tiere" anschaulich illustriert.

    „Guru – Bhagwan, His Secretary & His Bodyguard" gibt keine konkrete Antwort auf die Frage, wann die Bewegung des Rolls-Royce-versessenen Bhagwan aus dem Ruder lief. Ebenso wenig gelingt es, nachvollziehbar zu machen, was so viele Menschen an Bhagwan und seiner Lehre fasziniert hat. Der Zuschauer sieht zwar die beiden Interviewpartner mit leuchtenden Augen von damals erzählen und bekommt Archivmaterial geboten, das die manischen Anhänger des Gurus bei Tantra-Techniken und Ekstase-Tänzen zeigt, doch schlussendlich bleibt einem nichts anderes übrig, als die Anziehungskraft von Bhagwan einfach als gegeben hinzunehmen. Was bleibt, sind mit Hugh Milne und Sheila Birnstiel zwei interessante, komplexe Persönlichkeiten, die den Aufstieg und Fall der Bhagwan-Bewegung hautnah miterlebt haben und dem Zuschauer einen Einblick in ihre Gedankenwelt bieten. Schon das allein macht „Guru – Bhagwan, His Secretary & His Bodyguard" trotz seines eingeschränkten Blickwinkels zu einem sehenswerten Zeitdokument, wenn auch nicht zu einem wirklich guten Film.

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