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    Eichmanns Ende
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Eichmanns Ende
    Von Stefan Ludwig

    Adolf Eichmann gilt als einer der größten Verbrecher der Menschheitsgeschichte. Er war der Mann, dem Hitler die perfide nationalsozialistische Tötungsmaschinerie anvertraute, obwohl sich die beiden nie persönlich begegnet sein sollen. Eichmann organisierte die deutschen Massendeportationen im Zweiten Weltkrieg und sorgte für einen konstanten Strom von Menschen in die Konzentrations- und Vernichtungslager. Als ihm viele Jahre später in Jerusalem der Prozess gemacht wurde, der mit dem einzigen jemals von der israelischen Justiz vollstreckten Todesurteil endete, bestritt Eichmann jegliche juristische Verantwortung – er habe nur auf Befehl gehandelt. In seinem TV-Dokudrama „Eichmanns Ende" widmet sich Regisseur und Autor Raymond Ley nun in erster Linie den Interviews, die der Schreibtischtäter nach Kriegsende über Jahre hinweg im argentinischen Exil gab, ehe der Mossad ihn nach Israel entführte. Ley gelingt es mit zunehmender Spieldauer immer besser, die verschiedenen Handlungsfäden zu verweben und unterschiedliche Facetten offenzulegen, so bleibt der Film trotz des bekannten Ausgangs bis zum Ende spannend.

    Ein schicksalhafter Zufall lässt die Tarnung des nach Argentinien geflüchteten Adolf Eichmann (Herbert Knaup) auffliegen: Ausgerechnet Silvia (Henriette Confurius), die Tochter des KZ-Überlebenden Lothar Hermann (Michael Hanemann), verliebt sich in Eichmanns ältesten Sohn Klaus (Johannes Klaußner), der sich im Exil Nick nennt. Hermann kommt der Identität des jungen Manns und seiner Familie auf die Schliche und informiert die deutschen Behörden, die sich an den Mossad wenden. Doch es dauert Monate, bis der Geheimdienst schließlich zugreift. Währenddessen führt der Journalist und Nationalsozialist Willem Sassen (Ulrich Tukur) Interviews mit Eichmann, aus denen ein Buch über die „Endlösung" entstehen soll. Während Sassen versucht, die deutsche Schuld kleinzureden, will sein eitler Gesprächspartner seine eigene historische Bedeutung für die Nachwelt festhalten.

    Da der Zuschauer den Ausgang des Films bereits von Anfang an kennt, ist die Konzentration auf Eichmanns Gespräche mit dem Journalisten geschickt: Der Schwerverbrecher öffnet sich in der dunklen Villa gegenüber einem vermeintlichen Sympathisanten, der aber insgeheim etwas ganz anderes im Sinn hat als einen Freundschaftsdienst. Aus der Diskrepanz zwischen den gegensätzlichen Erwartungen und Absichten zieht das Dokudrama seine Spannung. Regisseur Ley nimmt den Zuschauer dabei an die Hand, indem er ihn laufend mit Hintergrundinformationen füttert – so werden beispielsweise zur besseren Orientierung die Namen der Personen eingeblendet. Neben die genauestens nachgestellten Szenen der Gespräche zwischen Sassen und Eichmann, in denen sogar die Räusperer identisch sind mit den authentischen Tonbandaufnahmen der Interviews, stellt Ley Originalaufnahmen von Judendeportationen sowie Interviews mit Opfern und Angehörigen der im Film auftretenden Personen. Zu Beginn des Films wirkt der ständige Wechsel der Erzählebenen allerdings etwas überhastet und gemahnt eher an den raschen Rhythmus eines Trailers. Dieses Problem legt sich im Lauf der Zeit, aber einige Zuschauer, die bei der Erstausstrahlung direkt nach dem ARD-Tatort reinschnuppern wollen, könnten dann schon verprellt sein.

    ARD-Chefredakteur Thomas Baumann hat den Film vor der Presse als einen der größten Höhepunkte des Jahresprogramms bezeichnet, da verwundert es ein wenig, dass ihm kein Sendeplatz zur Prime Time um 20:15 Uhr eingeräumt wurde. Gleichzeitig ist aber unverkennbar, dass „Eichmanns Ende" außergewöhnlich aufwändig produziert wurde, streckenweise reicht er durchaus an die vom Kino gewohnten Schauwerte heran. Die stets drohende unfreiwillige Komik umschifft Regisseur Ley zudem dank seiner glaubwürdigen Darsteller, vor allem Herbert Knaup gelingt ein fesselndes Porträt – aus seinem Eichmann scheint fast jegliche Menschlichkeit entwichen. Wer Roger Youngs erst vor wenigen Jahren entstandenen Spielfilm „Eichmann" mit Thomas Kretschmann in der Titelrolle gesehen hat, bekommt hier übrigens nicht die gleiche Geschichte vorgesetzt: Dort liegt der Schwerpunkt wie in der umstrittenen Dokumentation „Ein Spezialist" auf dem Jerusalemer Prozess gegen Eichmann und damit zeitlich nach der Handlung dieses ARD-Dokudramas.

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