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    Drei Jahreszeiten in der Hölle
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Drei Jahreszeiten in der Hölle
    Von Petra Wille

    Tschechoslowakei und Kommunismus: Da fällt einem als erstes der Prager Frühling 1968 ein. Der Versuch, einen „Sozialismus mit menschlichem Antlitz" zu schaffen, währte nicht lange und wurde von der Sowjetunion brutal niedergeschlagen. Wenig bis gar nicht bekannt ist indes, dass sich diese Entwicklungen bereits in der Nachkriegszeit anbahnten und genau davon handelt Tomás Masins Debütfilm „3 Seasons in Hell." Er erzählt von einem im Prag der späten 40er Jahre lebenden jungen Dichter, der die Zeichen der Zeit missversteht und seine Kompromisslosigkeit teuer bezahlen muss. Masín gelingt es überzeugend, die Stimmung dieser Jahre einzufangen und einen komplexen Helden zu zeichnen.

    „Wir haben noch keinen Pernod, der Krieg ist schließlich erst zwei Jahre vorbei": Ivan (Krystof Hadek) liest im Café die Zeitschrift „Surrealismus" und hat ohne Erfolg das Lieblingsgetränk der von ihm verehrten Künstlergruppe bestellt. Er gefällt sich in der Rolle des Unangepassten, der nach einem Streit mit seinem bürgerlichen Vater in ein Wohnheim für Arbeiter zieht. Dort dichtet er und sucht Kontakt zu den intellektuellen Kreisen Prags. Doch bald muss er feststellen: Die Kommunisten, von denen er zunächst begeistert war, sind keineswegs an echter Gleichheit für alle interessiert. Sie besetzen das Wohnheim, machen seinen oppositionellen Freunden Schwierigkeiten und beschlagnahmen Teile des Hauses seines Vaters. Gemeinsam mit seiner exzentrischen Freundin Jana (Karolina Gruszka) will Ivan nach Paris fliehen, doch ihm fehlt es an Geld. In seiner Not versucht sich Ivan als Schmuggler – und wird von den Russen verhaftet.

    Extreme Persönlichkeiten, Menschen, die Grenzen ausloten, sind ideale Figuren für spannende Geschichten. Ein kompromissloser, selbstverliebter Dichter in einem Land, das sich unübersehbar zur Diktatur entwickelt – in der Ausgangskonstellation von „3 Seasons in Hell" steckt viel erzählerisches Potential. Tomás Masín verzichtet darauf, die in dem Konstrukt angelegten Konflikte auf die Spitze zu treiben und konzentriert sich ganz auf seinen verführerischen Protagonisten: ein junger Mann, der auf dem Friedhof laut „Scheiße" brüllt, als „Held der Gegenwart" nicht in die Schule gehen will und sich von einer Frau angezogen fühlt, die die freie Liebe propagiert. Dieser Ivan, der sich dandyhaft durchs Leben schlägt, sich immer ein bisschen am Rande des Wahnsinns bewegt und gleichzeitig stets eine jugendliche Naivität behält, wird schnell zum Sympathieträger. Das liegt auch am charismatischen Hauptdarsteller Krystof Hadek: Sein Ivan ist mutig, wild und leidenschaftlich und damit steht er auch stellvertretend für die Stimmung in der Intellektuellen- und Künstlerszene des damaligen Prag.

    Regisseur Tomás Masin zeichnet eine Welt im Aufbruch, die Menschen sind voller Hoffnung auf bessere Zeiten, die allerdings im Keim erstickt werden wird. Den Hunger nach Wandel und Veränderung bringt Masin dem heutigen Publikum auf sehr intensive Weise nah, Ivans verrückte Ideen visualisiert der Filmemacher bisweilen gar mit surrealistisch anmutenden Einsprengseln - da horcht dann etwa ein Arzt mit seinem Stethoskop einen Kleiderschrank ab. Masin bettet eine ganz persönliche Geschichte in den Kontext eines subtilen Gesellschaftsporträts ein, damit steht „3 Seasons in Hell" ganz in der Tradition des tschechoslowakischen Kinos etwa von Milos Forman („Die Liebe einer Blondine") und Jiri Menzel („Liebe nach Fahrplan").

    Fazit: Mit seinem Debütfilm „3 Seasons in Hell" hat Tomás Masin das gelungene Porträt eines jungen Manns gedreht, der im Kommunismus zunächst auf ein freiheitliches Leben hofft, jedoch als Freigeist und Dichter schnell an die Grenzen des Systems stößt.

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