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    Zweiohrküken
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Zweiohrküken
    Von Carsten Baumgardt

    6,3 Millionen Besucher in Deutschland. Eine der erfolgreichsten heimischen Komödien der Neuzeit überhaupt. Und warum? Die romantische Screwball-Komödie „Keinohrhasen" war unglaublich komisch und traf den Nerv des Publikums. Wer will es Regisseur und Hauptdarsteller Til Schweiger verdenken, diesen Megaerfolg fortzusetzen?! Für das Sequel „Zweiohrküken" schien alles auf ein „Keinohrhasen" reloaded hinzudeuten – allerdings mit einem dicken Wiederholungsproblem. Okay, das Plakat des ersten Teils einfach nochmal zu verwenden, ist frech, aber irgendwie anarchisch-sympathisch. Doch den Trailer schlecht zu kopieren, ließ nichts Gutes vermuten. Diese schlimmen Befürchtungen bestätigen sich zwar nur in Teilen, denn das Sequel ist über weite Strecken weiterhin recht amüsant, weist aber nicht mehr den Charme des Vorgängers auf, setzt noch mehr auf Zoten und bleibt letztendlich deutlich hinter dessen Qualität zurück.

    Zwei Jahre nachdem Klatschreporter Ludo (Til Schweiger) seinen Job an den Nagel gehängt hat und als Kindergärtner neben seiner Freundin Anna (Nora Tschirner) angeheuert hat, ist der Alltag in das Leben des Paares eingezogen. Als Ludos Verflossene Marie (Edita Malovcic) in Berlin auftaucht, ist Anna sofort rasend eifersüchtig auf die mit ihren Reizen spielende Sexbombe. Zu Unrecht, weil Ex-Macho Ludo sich nun der Monogamie verschrieben hat. Doch das Blatt wendet sich, denn auch in Annas Welt taucht plötzlich ein alter Bekannter auf: ihr Ex-Freund, der Entwicklungshelfer Ralf (Ken Duken), der sich in der Wohnung der beiden einnistet und Ludo mit seiner Passion des Frauenverstehens mächtig auf die Nerven geht...

    Für „Zweiohrküken" versammelt Til Schweiger wieder das alte Erfolgsteam aus „Keinohrhasen". Das Drehbuch verfasste Deutschlands größter Kassenmagnet der vergangenen zwei Dekaden erneut mit Schreibpartnerin Anika Decker. Doch es hat schon einen Grund, warum reinrassige romantische Komödien nur sehr selten fortgesetzt werden. „Pretty Woman 2"? „Schlaflos in Seattle 2"? „Harry und Sally 2"? „Vier Hochzeiten und ein Todesfall 2"? Fehlanzeige! Was passiert, nachdem sich die Liebenden gekriegt haben? Alltag! Und der ist potenziell langweilig, wie der Ausdruck schon impliziert. Til Schweiger versucht, das Gesetz der Serie zu brechen und im Alltäglichen das Besondere zu finden – mit wechselhaftem Erfolg.

    Inhaltlich mussten die Autoren Schweiger und Decker neue Wege gehen, weil ihre Geschichte von Ludo und Anna ja eigentlich schon erzählt ist. Was nach der großen Party geschieht, daran arbeitet sich „Zweiohrküken" ab. Stilistisch orientiert sich Regisseur Schweiger stark an „Keinohrhasen", Timing und Aufbau der Gags ähneln dem des Originals frappierend. Das fängt bereits mit der Eröffnungssequenz an, wo sich schon offenbart, dass der Aufguss weit weniger unterhält. Nora Tschirner entsteigt mit offenem Overall und riesigen, Angelina-Jolie-artigen, freiliegenden Brüsten einem Kampfjet... doch diese Ludo-Phantasie erreicht weder den Witz noch die Raffinesse der grandiosen Lachnummer um den mutierten, weißzähnig-langmähnigen Jürgen Vogel aus Teil eins. Dieser Vergleich ist beispielhaft für den gesamten Film.

    Was „Zweiohrküken" jedoch liebenswert macht, sind die kleinen Beobachtungen der gendertypischen Macken von Männer und Frauen, die in überspitzter Form serviert dennoch ihren Ursprung im wirklichen Leben haben. Jeder kennt diese Ticks und kann sich demnach auf dieser Ebene in den Figuren wiederfinden. Das hält Schweiger aber nicht konsequent durch und versteigt sich zu oft in Zoten und Fäkalwitzen, von denen zu wenige zünden. Zudem müssen vor allem für die Charaktere der „Beziehungsstörer" Marie und Ralf ausschließlich platte Klischees herhalten, so dass die beiden zu berechenbaren cineastischen Abziehbildern verkommen.

    Überhaupt hat „Zweiohrküken" so seine Schwierigkeiten mit den Identifikationsfiguren. Die Crux: Obwohl Ludo jetzt auf rein moralischer Basis erst einmal völlig koscher ist, schadet es dem Film, weil Schweiger seine Paraderolle als dezent arroganter, aber liebenswerter Macho nicht ausleben darf. Er unterhält als weichgespülte Version seiner selbst dagegen weit weniger. Somit liegt es an Schweigers Co-Star, die Show zu retten - was der generell wundervollen Nora Tschirner tatsächlich gelingt, wenn auch nicht mehr ganz so leichtfüßig wie zuvor. Anna büßt durch ihre gesteigerte Garstigkeit ein wenig an Charme ein, aber Tschirner ist schlicht zu umwerfend, um sich davon beirren zu lassen. Edita Malovcic und Ken Duken spielen bei ihren undankbaren Aufgaben engagiert gegen die Klischeeerfüllung an. Besonders Duken reizt seinen überverständnisvollen Schmierlappen Ralf bis an die Grenzen aus und landet damit zumindest einige Gags, doch das Duo wird immer wieder von der Schablonenhaftigkeit seiner Figuren behindert.

    Dass Humor keinerlei Anspruch haben muss und die Schauspieler auch mal dahingehen dürfen, wo es weh tut, unterstrich der erste Film auf besondere Weise, weil in dieser anrüchigen Zone die besten Gags abgegriffen wurden. In der Fortsetzung ist Matthias Schweighöfer dafür zuständig, hier die Lacher abzufischen. Sein Charakter des Fotografen Moritz ist mittlerweile völlig losgelöst von der Handlung und hätte problemlos herausgeschnitten werden können, ohne dass es die Geschichte auch nur marginal tangiert hätte. Doch dann wäre „Zweiohrküken" der überzeugendste Klamauk entgangen. Schweigerhöfer chargiert im positiven Sinne, ist dabei auch bei tiefer gelegten Fäkaljokes trittsicher und avanciert am Ende zum größten Sympathieträger des Films.

    An der Sparte Gastauftritte herrscht erneut Hochbetrieb, ohne an die Klasse von „Keinohrhasen" heranzureichen. Den hervorstechendsten Eindruck hinterlässt noch Heiner Lauterbach als crazy Partysäufer im flotten Häschenkostüm, der den im Stil von „Charlys Tante" als Frau drapierten Ludo anbaggert. Produktionstechnisch weist auch die Fortsetzung die gleichen Qualitäten wie das Original auf. Die Optik ist weiterhin hochglänzend in warmen Brauntönen gehalten und die Bilder, die Kameramann Christof Wahl einfängt, geraten nie in den Verdacht, für das muffige Fernsehen gemacht zu sein. Um die Geschichte abzurunden, schwelgt Schweiger weiterhin ausgiebig in Musik-Collagen, die als verbindendes Element zwischen einigen Episoden dienen.

    Fazit: „Zweiohrküken" ist der durchwachsene Versuch, eine romantische Komödie im zweiten Schritt auf die nächste Ebene zu führen. Das mit gut zwei Stunden Laufzeit überlange, zotige Sequel reicht in keiner Hinsicht an den überaus spaßigen, sympathischen und urkomischen „Keinohrhasen" heran, ist aber dennoch nur selten wirklich langweilig, was vor allem Nora Tschirner und Matthias Schweighöfer zu verdanken ist.

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