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    BearCity
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    BearCity
    Von Jan Görner

    „I'm afraid there is no denyin', I'm just a dandy lion." – angeblich war es diese Zeile des sanften Löwen aus „Der Zauberer von Oz", die zahlreiche homosexuelle Männer an dem Film besonders faszinierte. Deshalb darf sich der Klassiker ohne weiteres anrechnen, entscheidend zum Szene-Sprech der schwulen Community beigetragen zu haben. „Friend of Dorothy" (FOD) war eine Chiffre, mit der sich Schwule untereinander zu erkennen gaben, als Homosexualität in den Vereinigten Staaten noch unter Strafe stand. Diese Zeiten sind gottlob vorbei und die homosexuelle Gemeinde inzwischen selbstbewusster denn je. Aber auch heute lassen sich noch zahlreiche Slang-Begriffe finden. Zum Beispiel „Bear". Als Bear bezeichnet man betont maskuline homo- und bisexuelle Männer mit ausgeprägter Körperbehaarung und (Voll-)Bärten. Douglas Langways Spielfilmdebüt „BearCity" nimmt das Publikum für 108 Minuten in diese behaarte Welt mit - und verliert dabei leider mehr als einmal die Geschichte aus den Augen.

    Es ist Sommer, New York brütet in der Hitze und der junge Schauspieler Tyler (Joe Conti) genießt das Leben in der Schwulenszene der Stadt zwischen West Village und Chelsea. Doch Tyler, selbst knabenhaft und unbehaart, hat ein Geheimnis: er sehnt sich nach vierschrötigen, ganzen Kerlen. Tyler steht auf Bären. Als er bei dem Kameramann Fred (Brian Keane) samt „husbear" Brent (Stephen Guarino) einzieht, taucht er zunehmend in die Community ein. Tyler freundet sich mit dem schwergewichtigen „Chubbie" Michael (Gregory Gunter) und dessen Latin-Lover Carlos (James Martinez) an. Und dann ist da noch Roger (Gerald McCullouch), ein Tausendsassa und Tylers Traumprinz. Es gibt nur ein Problem: Mit der Treue hat es Roger nicht so...

    Mit einem sichtlich kleinen Budget auf Digital Video gedreht, versucht Douglas Langway ein betont charakterbezogenes Lustspiel zu inszenieren. Allein, der Funke will nicht so recht überspringen. Die recht offenherzigen Sexszenen scheinen dabei zumeist keinem narrativen Sinn zu folgen, sondern lediglich als Eye Candy zu dienen. Das Drehbuch, aus der Feder von Douglas Langway in Kooperation mit Lawrence Ferber, konzentriert sich bewusst auf die Handlung, statt gesellschaftliche Zusammenhänge in den Mittelpunkt zu stellen. Außer der gelegentlichen Lektion in Sachen „Bärenkunde" (was sind Muscle Bears/ Daddy Bears etc.) dient auch die Szene an sich eher als bunter Hintergrund für die zwischenmenschlichen Dramen der Figuren. Und wenn das Schlaglicht auf diese fällt, ist „BearCity" nah dran, richtig gut zu werden. Wenn der stark fettleibige Michael sich dazu entschließt, eine Magenverkleinerung vornehmen zu lassen, damit er wieder auf dem Arbeitsmarkt bestehen kann und sein athletischer Liebhaber Carlos aufs Heftigste dagegen insistiert, wünscht man sich, dass bei dieser Gelegenheit endlich ein bisschen Tiefe in die Charaktere kommt. Doch dafür nimmt sich Langway keine Zeit. Wenn das fast monogame Paar Brent und Fred seine Beziehung öffnet, um mehr Pep ins Liebesleben zu bringen und ein hoffnungslos verunglückter Dreier im Krankenhaus endet, könnte das wirklich witzig sein. Doch dem Regisseur fehlt das Rüstzeug, um diese Situationen mit Leben zu füllen. Langways Vorgehensweise ist schnell offenbar. Auf Schnitt-Gegenschnitt folgen Halbtotale oder Close-Up. Je nachdem, ob das Drehbuch nach einem „lustigen" oder „dramatischen" Moment verlangt.

    Dummerweise erweist sich auch Neuling Joe Conti nicht eben als Glücksgriff für die Hauptrolle. Und obwohl mit Gregory Gunter und Gerald McCullouch auch richtig gute Darsteller dabei sind, kriegen diese doch recht selten Gelegenheit, ihr Können unter Beweis zu stellen. Besonders frappant wird dies in Szenen, in denen Tyler sich von seinem ehemaligen Mitbewohner Simon (Alex Di Dio) umstylen lässt. Im Gegensatz zwischen dem Bären-Liebhaber Tyler und der femininen „Queen" Simon wäre reichlich Konfliktpotenzial enthalten. Doch stattdessen beschränkt sich „BearCity" darauf, dass sich zwei Jungdarsteller hölzerne Dialogzeilen um die Ohren hauen, die sich deutlich cleverer vorkommen als sie sind.

    Die Geschichte konvergiert schließlich während „BearCity", einer ausgelassenen mehrtägigen Party, die für die Bear-Community den Abschluss des Sommers darstellt. Wenn sich das Finale des Films der vermeintlich widerstreitenden Lebensauffassungen von purem Hedonismus und fester Bindung sowie Hauptfigur Tylers neugewonnener Selbstakzeptanz annimmt, findet „BearCity" einen durchaus versöhnlichen Abschluss, der den Zuschauer mit dem profunden Gefühl zurücklässt, dass er gerne mehr von dieser Seite des Films gesehen hätte.

    Fazit: Vieles lässt sich mit den Limitierungen eines geringen Budgets erklären, das unausgegorene Drehbuch und die blasse Regie gehören jedoch nicht dazu. „BearCity" wird mit Sicherheit sein Special-Interest-Publikum finden, doch mehr als eine Doppelstunde laue Dramedy ist es leider nicht geworden.

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