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    Camille - Verliebt nochmal!
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Camille - Verliebt nochmal!
    Von Melanie Lauer

    Gott gebe mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.“ – Dieser Sinnspruch des amerikanischen Theologen Reinhold Niebuhr wird für die 40-jährige Camille, die vor dem Scherbenhaufen ihres Lebens steht, zur erlösenden Erkenntnis, die ihr Mut und neue Lebenskraft gibt. Erst im finalen Drittel der charmanten Komödie „Camille - Verliebt nochmal!“ wird das fromme Sprüchlein von einem kauzigen Uhrenmacher (gespielt vom Nouvelle-Vague-Legende Jean Pierre Leaud) zitiert – und gibt Camilles Zeitsprung in die 80er seinen Sinn: Das Vergangene lässt sich nicht ändern, man muss lernen, damit umzugehen! Mit dieser einfachen und trotzdem bedeutsamen Botschaft gelang der Schauspielerin Noémie Lvovsky 2012 eine kleine Sensation: Von Publikum und Kritik gefeiert, konnte „Camille“ gleich 13 Nominierungen für den César, den französischen Filmpreis, einheimsen. Verdientermaßen, denn „Camille“ ist wild und witzig, aber auch nachdenklich und still und bietet mit seiner Auseinandersetzung mit dem Lauf der Zeit intelligente Unterhaltung.

    Camille (Noémie Lvovsky) hat es nicht leicht. Nach 25 glücklichen Ehejahren wird sie von ihrer großen Liebe Éric (Samir Guesmi) verlassen. Statt Leidenschaft und Zuneigung, herrscht nur noch dicke Luft zwischen dem einstigen Traumpaar. Ihren Frust ertränkt Camille zunehmend im Alkohol, denn auch ihr Job als Gelegenheitsschauspielerin füllt sie nicht aus, und ihre erwachsene Tochter geht mittlerweile ihre eigenen Wege. So leicht lässt Camille sich jedoch nicht unterkriegen: Eine Silvesterparty soll einen Neustart begründen. Doch während der ausschweifenden Feier mit alten Freundinnen geschieht etwas Seltsames: Am nächsten Morgen erwacht Camille im Krankenhaus und ist urplötzlich zurück in der Vergangenheit. Ganz unerwartet trifft sie in den 80ern auf ihre Eltern und muss wieder die Schulbank drücken – natürlich gemeinsam mit Eric! Wird sie sich wieder in ihn verlieben oder die zweite Chance nutzen und ihr Leben ganz anders gestalten?

    In „Camille – verliebt nochmal“ glänzt Noémie Lvovsky („Haus der Sünde“, „Lebwohl meine Königin“) als Schauspielerin, Regisseurin und Drehbuchautorin in Personalunion. Anders als in vergleichbaren Zeitsprung-Geschichten wie „30 über Nacht“ mit Jennifer Garner, „17 Again“ mit Teeniestar Zac Efron oder dem Tom Hanks-Klassiker „Big“ spielen Lvovsky und Guesmi sowohl die älteren als auch die jüngeren Versionen ihrer Figuren. Ein gewagtes Unterfangen, doch bis auf wenige unstimmige Momente nimmt man den Darstellern die Verjüngung ab und vergisst zeitweise sogar ganz, dass hier Endvierziger rebellisch-grüblerische Teenies mimen.

    Dem gekonnten Verwandlungsspiel der Hauptfiguren schließen sich die Nebendarsteller an: Newcomerin India Hair, Julia Faure („Liebe mich, wenn du dich traust“) und besonders Judith Chemla („Versailles“) erweisen sich dabei als Camilles beste Freundinnen als genauso gelungene Wahl, wie die großartige Yolande Moreau („Die fabelhafte Welt der Amelie“) als Camilles gutmütige und sanfte Mutter oder Denis Podalydès („Das Sakrileg“) als schrullig-liebenswerter Physiklehrer. Ein lebhaftes Gesicht bekommt die Komödie aber vor allem durch die stimmige Musik, schrille Kostüme und die wunderbare Retro-Ausstattung, etwa der gelbe Walkman, den Camille in jeder Situation bei sich zu tragen scheint und der vollkommen antiquiert wirkende Kassettenrecorder, mit dem sie die Stimmen ihrer Eltern für die Zukunft festhalten will.

    Fazit: „Camille – Verliebt nochmal!“ ist ein fröhlicher, aber auch nachdenklicher Film, mitreißend gespielt und schön ausgestattet, der mit seiner universellen Botschaft Generationen verbinden kann.

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