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    Jacques - Entdecker der Ozeane
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Jacques - Entdecker der Ozeane
    Von David Herger

    „Wenn man Fische studieren will, wird man am besten selber zum Fisch.“ Aus dem Mund eines Hobby-Schnorchlers mag das wie eine angeberische Floskel klingen, aber ein gewisser Jacques-Yves Cousteau meinte diesen Satz ganz ernst und machte ihn zu seinem Lebensmotto. Als Pionier der Meeresforschung sowie der Unterwasserdokumentation schrieb der Franzose mit der ikonischen roten Wollmütze Geschichte. In Wes Andersons „Die Tiefseetaucher“ mit Bill Murray bekamen seine Fans bereits ein sehr freies und entschieden humorvolles Porträt des 1997 verstorbenen Cousteau zu sehen. Mit seinem klassischen Biopic „Jacques - Entdecker der Ozeane“ widmet sich Regisseur Jérôme Salle („Zulu“) nun auf sehr viel herkömmlichere Weise seinem berühmten Landsmann und klappert dabei etwas überhastet wichtige Stationen in dessen Leben ab. Das Familiendrama besticht vor allem mit spektakulären Naturaufnahmen und wird durch die starken Hauptdarsteller Lambert Wilson („Matrix Reloaded“), Audrey Tautou („Die fabelhafte Welt der Amelie“) und Pierre Niney („Frantz“) aufgewertet.

    Ende der 1940er Jahre: Der von der Unterwasserwelt faszinierte Jacques-Yves Cousteau (Lambert Wilson) könnte mit seiner Frau Simone (Audrey Tautou) und den beiden Söhnen Philippe (Pierre Niney) und Jean-Michel (Benjamin Lavernhe) ein unbeschwertes Leben an der französischen Mittelmeerküste führen, doch der abenteuerlustige Taucher und Dokumentarfilmer ist ruhelos: Unermüdlich tüftelt er an seiner Ausrüstung herum und treibt die technische Innovation auf dem Gebiet des Tiefseetauchens voran. Mit seinem Forschungsschiff Calypso erkundet er die faszinierende Welt des ewigen Blaus und nimmt auch die Familie oft mit auf die Reise. Mit seiner Utopie von der Besiedlung des Meeres und seinen zunehmend kommerziell ausgerichteten Filmprojekten stößt Cousteau allerdings immer mehr auf Widerstand …

    Wir blicken von außen durch das Bullauge einer von Cousteau erdachten Tiefseebehausung und sehen seiner Crew bei ihren alltäglichen Erledigungen zu. Langsam fährt die Kamera zurück, immer weiter und weiter ins tiefdunkle Blau der See, bis das Bullauge und das gesellige Treiben dahinter nur noch ein kleiner leuchtender Punkt in der schier unendlichen Unterwasserwelt sind: Diese finale Einstellung von Cousteaus oscarprämiertem Dokumentarfilm „Welt ohne Sonne“ (1960) variiert Jérôme Salle in „Jacques – Entdecker der Ozeane“ und wie in dem historischen Vorbild ist sie auch hier pure Magie. Die bildgewaltigen und atemberaubenden Unterwasseraufnahmen – von der Erkundung beeindruckender Höhlen bis hin zu nervenaufreibenden Haiattacken – machen Cousteaus Begeisterung für diese unerschlossene Welt sofort nachvollziehbar und lassen den Zuschauer seinerseits zum schaulustigen Entdecker der Wunder der Meere werden. Begleitet werden die malerischen Naturspektakel von majestätischer Klavier- und Orchestermusik, mit der Oscarpreisträger Alexandre Desplat („Grand Budapest Hotel“) atmosphärische Akzente setzt.

    Während visuell und musikalisch kaum Wünsche offen bleiben, gerät der Film mit seiner konventionellen Geschichte vom Aufstieg und Fall einer in jedem Sinne großen Persönlichkeit dramaturgisch immer wieder leicht ins Schlingern. Das zuweilen etwas einfallslos wirkende chronologische Abhaken wichtiger Stationen aus der hier behandelten Lebensphase zwischen 1949 und Mitte der 1970er Jahre (Cousteau bekommt die Calypso, er gewinnt einen Oscar…) ist dabei nicht einmal das Problem – aber das Tempo, das Jérôme Salle dabei anschlägt, erweist sich immer wieder als deutlich zu hoch. So wirkt „Jacques - Entdecker der Ozeane“ oft etwas hektisch und fast so ruhelos wie sein Protagonist, entsprechend bleibt einiges zu oberflächlich und auch die Figurenzeichnung leidet.

    Die großartigen Hauptdarsteller holen trotz dieses Mankos beeindruckend viel aus ihren Rollen heraus: Lambert Wilson spielt voller Hingabe und mit ansteckender Begeisterung den getriebenen Entdecker und Abenteurer, während Audrey Tautou sich fernab von ihrem unverwüstlichen, zuckersüßen „Amélie“-Image von der lebensfrohen Unterstützerin ihres Mannes zur pessimistischen Kettenraucherin und Trinkerin wandelt. Denn auch die Schattenseiten des Unterwasserpioniers unterschlagen Salle und Drehbuchautor Laurent Turner nicht: Cousteau betrügt seine Frau, vernachlässigt seine Söhne und macht sich für Film und Fernsehen bereitwillig zur Witzfigur mit roter Mütze. Im Einzelnen ist hier zwar nicht alles stimmig, aber im Ganzen entsteht dennoch ein faszinierendes Porträt einer schillernden Persönlichkeit.   

    Fazit: Ein visuell beindruckendes und grandios gespieltes Cousteau-Biopic mit erzählerischen Schwächen.

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