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    Not Fade Away
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Not Fade Away
    Von Christoph Petersen

    Es gibt zahllose Filme über die Beatles, The Rolling Stones & Co. – aber im autobiografisch geprägten Spielfilmdebüt von TV-Gigant David Chase (mit 67!) geht es einmal nicht um jene, die es geschafft haben. Stattdessen erzählt der „Die Sopranos“-Schöpfer in „Not Fade Away“ die Geschichte von einer der Tausenden Rock-n‘-Roll-Bands der 60er Jahre, denen der Durchbruch verwehrt geblieben ist. Die nach New York, Los Angeles und London schielenden Teenager aus einem Vorort in New Jersey erleben die Weltgeschichte vom Vietnamkrieg bis zum Wirken Martin Luther Kings nur von der Seitenlinie, während sie in der kleinen Stadt ihren großen Träumen nachhängen. Dabei begeistert Chase mit einem Hammersoundtrack und jeder Menge Zeitkolorit, klammert sich bei seinem auf eigenen Erinnerungen basierenden Drehbuch aber allzu sklavisch an die erzählerischen Konventionen des Coming-of-Age-Films. Erst in der letzten Viertelstunde löst er sich von dieser Formelhaftigkeit und überrascht mit einem grandios atmosphärischen Finale.

    Nur wenige Wochen nach dem Attentat auf John F. Kennedy beginnt Ende 1963 die britische Invasion: Die Beatles und The Rolling Stones kapern die Charts, die Haare werden länger, Drogen kommen in Mode, zwischen konservativen Eltern und ihren freigeistigen Kindern tut sich ein unüberwindbarer Graben auf. Weil der bisherige Drummer zum Militärdienst eingezogen wurde, erhält der italo-amerikanische Teenager Douglas (John Magaro) zu dieser Zeit die Chance, der Brit-Rock-Coverband The Twylight Zones seines Highschool-Kumpels Eugene (Jack Huston) beizutreten. Nach ersten Auftritten bei Kellerpartys soll möglichst schnell ein Plattenvertrag her. Aber die Teenager haben nicht die nötige Geduld, um ihren Traum bis zum Ende zu verfolgen. Immer wieder ändert sich die Besetzung der Band, kommen Eifersüchteleien und Stress mit der Familie dazwischen. Und dann verkündet Douglas‘ Vater Pat (James Gandolfini) seiner Frau und seinen beiden Kindern auch noch, dass er an Krebs erkrankt ist…

    Im Fernsehen läuft „The Twilight Zone“, am Esstisch wird über die Folgen des Kennedy-Attentats und auf der Kindergeburtstagsfeier über die politisch korrekte Verwendung des neumodischen Wortes „Afroamerikaner“ debattiert – David Chase scheint sich noch sehr gut an seine Jugend erinnern zu können, denn mit welchem Sinn fürs Detail er hier die 60er Jahre wieder zum Leben erweckt, ist im höchsten Maße beeindruckend. Dazu trägt selbstverständlich auch der großartige Soundtrack bei, der neben den Beatles („I Want To Hold Your Hand“) und den Rolling Stones („Satisfaction“, „Tell Me“) auch nicht minder grandiose Stücke von The Rascals („I Ain’t Gonna Eat Out My Heart“) oder Joey D and the Starliters („Peppermint Twist“) umfasst. Ein beachtlicher Teil des 20-Millionen-Dollar-Budgets dürfte für Musikrechte draufgegangen sein – aber diese Ausgaben haben sich definitiv gelohnt! Leider ist Protagonist Douglas weit weniger spannend geraten: der erste Auftritt, die erste Liebe, der Bruch mit dem Vater – all diese Episoden werden sehr knapp gehalten. Es wirkt so, als würde Regisseur Chase sie bloß abhaken und sich ihnen überhaupt nur widmen, weil sie nun einmal in ein Coming-of-Age-Drama hineingehören. Erst mit Douglas‘ Weggang nach Los Angeles und einem parallelen Abdriften der Inszenierung ins Surreale sorgt Chase auf der Zielgeraden doch noch für eine Überraschung: Die letzten 15 Minuten sind fantastisch – aber bis dahin gilt es zunächst einmal, die eine oder andere Durststrecke durchzustehen.

    Dass die Erlebnisse des jungen Douglas über weite Strecken nicht allzu fesselnd geraten, liegt auch an Hauptdarsteller John Magaro („My Soul to Take“, „Captain Phillips“). Der 30-Jährige geht zwar ohne Probleme als Teenager durch und macht auch als Leadsänger von The Twylight Zones eine gute Figur, aber ansonsten ist er vom gequälten Charme solcher Musiker-Performances wie der von Sam Riley als Ian Curtis in „Control“ oder der von Aaron Taylor-Johnson als John Lennon in „Nowhere Boy“  weit entfernt. Wenn sein Bandkamerad Wells (Will Brill) beinahe bei einem Motorradunfall ums Leben kommt oder die Künstler-Schwester seiner Freundin von ihren Eltern wegen ihrer rebellischen Art in die Psychiatrie eingewiesen wird, kommt beim Zuschauer nicht an, welche Wirkung und welchen Einfluss diese Geschehnisse eigentlich auf Douglas haben. Ganz anders hingegen die Szenen zwischen dem Nachwuchsmusiker und seinem Vater: „Die Sopranos“-Star James Gandolfini liefert als Familienpatriarch trotz sehr beschränkter Leinwandzeit eine seiner stärksten Leistungen überhaupt. Wenn Pat seinem Sohn in einem Mann-zu-Mann-Gespräch eröffnet, dass er Douglas‘ Mutter am liebsten schon vor langer Zeit verlassen hätte, besitzen diese intimen Vater-Sohn-Momente einen emotionalen Punch, der den Szenen ohne Gandolfini auch sehr gut getan hätte.

    Fazit: Der Soundtrack rockt und der Film brummt förmlich vor Zeitkolorit, aber um den ganz großen Wurf landen zu können, arbeitet sich Regisseur und Autor David Chase allzu schematisch an den typischen Stationen eines Coming-of-Age-Dramas ab.

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