Die Filmstarts-Kritik zu Die Herbstzeitlosen

Stellen wir uns die Schweiz vor. Irgendwie scheint sie in der Zeit stehen geblieben zu sein. Es wirkt so, als gehe dort alles etwas langsamer vonstatten, große Geldsummen schlummern auf Nummerkonten und die Schweizer in abgelegenen Berghütten, bestenfalls mit einem Stück Schokolade in der linken und einem Taschenmesser in der rechten Hand. Zoomen wir etwas näher heran: auf das Emmental. Es ist noch weniger los, der berühmte Käse reift und das einzig wahrnehmbare Geräusch ist ein Uhrticken im Hintergrund. Und jetzt gehen wir noch etwas näher heran und befinden uns in dem kleinen Dörfchen Trub. Die Kirche steht in der Dorfmitte, der Tante-Emma-Laden läuft schlecht und jeder kennt jeden. Ein regelrechtes Kaff - und der Schauplatz des Schweizer Publikumshits „Die Herbstzeitlosen".

Die 80-jährige Martha (Stephanie Glaser; „Mein Name ist Eugen") betrauert den Tod ihres Mannes und ist die Besitzerin des schlecht laufenden Tante-Emma-Ladens. Ermutigt von ihrer Freundin Lisi (Heidi Maria Glössner; „Kilimanjaro") fasst sie den Plan, sich einen lange gehegten Traum endlich zu erfüllen: die Eröffnung einer Boutique, in der sie ihre selbst entworfenen und genähten Dessous verkaufen will. Eigentlich wollte sie das Geschäft in Paris aufmachen, aber nun lebt sie einmal in Trub und entschließt sich ihre Boutique dort zu eröffnen. Marthas Freundinnen Frieda (Annemarie Düringer; Die Sehnsucht der Veronika Voss) und Hanni (Monica Gubser; „Frau Fuchs“), gefangen in ihrem alltäglichen Trott, sind von dem gewagten Projekt zunächst wenig begeistert, lassen sich aber schon bald darauf ein. Härterer Widerstand kommt von den konservativen Wortführern im Dorf, in erster Linie der „Land und Leute" - Partei-Abgeordneten Fritz, Hannis Sohn, und vom Dorfpfarrer Walter, Marthas Sohn. Dieser will den ehemaligen Laden lieber als Treffpunkt für seine Bibelgruppe nutzen. Doch Martha und ihre Freundinnen lassen sich trotz ihres hohen Alters nicht unterkriegen und arbeiten hartnäckig an der Realisierung ihrer Träume. Denn nicht nur Martha hat einen Traum, den es gegen konservative Widerstände zu erfüllen gilt.

Meistens humorvoll, manchmal aber auch tragisch erzählt Regisseurin Bettina Oberli von Marthas Eröffnung eines Dessousladens inmitten des kleinen schweizerischen Dorfes. Dabei nimmt sich der ohne großen Pomp erzählte Film genügend Zeit für die vielen Nebengeschichten, die den Zuschauer packen und dem Film die nötige Glaubwürdigkeit verleihen – indem sie ein Panorama des Dorfes entwerfen, in das Marthas Laden so gar nicht passen will. Oberli hält den Zuschauer immer bei der Stange und kann sich seiner Aufmerksamkeit gewiss sein. So genügt es sogar, eine Nebenfigur in nur einer Szene im mittelteil des Films einzuführen und ihr trotzdem einen Auftritt mit Widererkennungswert beim großen Finale zu sichern. Obwohl der Film immer wieder die Schrullen der Dörfler ironisch darstellt, macht er sich nie über seine Figuren lustig. Der Zuschauer kann sich ganz auf diese konzentrieren und wird weder durch große Effekte noch durch sperrige Durststrecken auf die Probe gestellt. Das überzeugende Spiel der Hauptdarsteller, besondere Erwähnung sollen hier Stephanie Glasner und Annemarie Düringer finden, lässt die Geschichte letztlich lebendig und nachvollziehbar werden. Ohne ein derart gelungenes Ensemble wäre Oberlis Film sicherlich nur die halbe Miete wert.

„Die Herbstzeitlosen" ist ein kleiner, charmanter Film, der auf eine humorvolle und liebvolle Art vom Lebensabend einiger Dorfbewohner erzählt. Und hier vor allem davon, wie sie fortschrittlicher und frei denkender als ihre eigenen Kinder sein können. Das gelungene Spiel der Darsteller und die gradlinige, stets unterhaltsame Geschichte, lassen „Die Herbstzeitlosen" zu einem sehr gelungenen Film werden. Und ein „Happy End" gibt es natürlich dazu, und zwar eins von der Sorte, die man problemlos mit nach Hause nehmen kann.