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    Die Farbe des Ozeans
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Die Farbe des Ozeans
    Von Robert Cherkowski

    Ein Sprichwort besagt: Gut gemeint ist das Gegenteil von gut. Zumindest im Bereich des sozialkritischen Problemkinos trifft diese Phrase allzu oft zu. In seiner Theaterverfilmung „Der Gott des Gemetzels" legt Roman Polanski seinem von Christoph Waltz gespielten Charakterschwein einen wunderbar-fiesen Monolog in den Mund, in dem er die sogenannten „Gutmenschen" als im Kern selbstgerecht und in ihrer aufgesetzten moralischen Entrüstung über den Zustand der Welt und das Gefälle von Arm und Reich nicht minder verachtenswert sind als diejenigen, die sich von vornherein in die Ignoranz flüchten. Mit schöner Regelmäßigkeit kommt in diesem Sinne also verlogenes „Weltverbesserungskino" in die Lichtspielhäuser – dazu zählt Maggie Perens Drama „Die Farbe des Ozean" schonmal nicht. Peren wählt geschickte Verschiebungen der Perspektive und ihr Film darf zu den reflektierteren Beiträgen des problembewussten Weltkinos gezählt werden. Ihr holpriges und verkopftes Skript sowie die staubtrockene Machart lassen das Werk allerdings weitaus weniger interessant erscheinen, als es eigentlich der Fall sein sollte.

    Die Strände von Gran Canaria sind Anlaufstellen für Flüchtlinge aus Senegal, die mit überfüllten Booten und unter enormen Risiken versuchen, Afrika den Rücken zu kehren und in Europa für weniger als den Mindestlohn zu arbeiten und ein neues, oft elendes, doch zumindest halbwegs sicheres Leben zu führen. An diesen Stränden werden sich die Wege dreier höchst unterschiedlicher Menschen kreuzen. Einer von ihnen ist der aus dem Kongo stammende Senegalese Zola (Hubert Koundé), der es zusammen mit seinem Sohn Mamadou (Dami Adeeri) geschafft hat, ein Schiffsunglück zu überleben und am Strand schwer geschwächt der deutschen Urlauberin Nathalie (Sabine Timoteo) in die Arme läuft. Wenig später wird Zola vom hartherzigen spanischen Grenzpolizisten Jose (Alex Gonzalez) in ein Flüchtlingsghetto abgeschoben. Nachdem Zola und Mamadou aus eben jenem entkommen und sich auf der Flucht vor der Polizei durch die toten Winkel des Touristenparadieses schlagen, begegnen sich die Parteien wieder. Speziell Nathalie, die den Flüchtlingen eigentlich nur helfen möchte, wird die Situation jedoch mit jeder ihrer Handlungen so weit verschlimmern, dass es schließlich zur Katastrophe kommt...

    Mehr als einmal fühlt man sich beim episodisch angelegten Ensemble-Drama an das Schaffen von Alejandro González Inárritu erinnert. Besonders „Babel" scheint explizit Pate für Perens ähnlich geartetes, wenn auch ein paar Nummern kleiner ausgefallenes Drama gestanden zu haben. Wo sich sein 2006er Opus jedoch jederzeit wie großes Kino anfühlte, bleibt „Die Farbe des Ozeans" kaum mehr als solide Dramenkost. Dennoch findet hier eine Auseinandersetzung mit den geografischen und den moralischen Grenzgebieten rund um die Schnittstellen zwischen Erster und Dritter Welt statt, ohne dass sich Peren dabei an einfachen Antworten versucht. Ein jeder tut das, was er für angemessen und moralisch richtig hält – die Welt hingegen wirft jede gute Absicht als Schuld auf den Wohltäter zurück. Das könnte man in die Tradition der Dramen von Sophokles einordnen - oder aber einfach als auffällig konstruiertes Drehbuch bezeichnen.

    Die Rollen bleiben Thesenfiguren und werden nie dreidimensional. Die Entwicklung von der unbedarften Touristin zur Wohltäterin hat man schon in vielen Filmen gesehen. Mit etwas taktvoll inszeniertem Pathos funktioniert das auch immer wieder mal. Da Peren jedoch einen stilistisch so spröden Weg geht, bleibt Nathalies Wandlung bloßes Papiergeraschel. Der Umstand, dass ihre europäische Vorstellung vom Lauf der Dinge für den Exilanten Zola alles nur verschlimmert, ist eine bittere und leider sehr zutreffende Pointe. Dass sie mit einem ignoranten deutschen Yuppie (Friedrich Mücke) zusammen ist, der sie immer wieder für ihre Wohltätigkeit aufzieht, dient hingegen offenbar nur dazu, Nathalie in ein besseres Licht zu rücken. Peren weiß nicht viel mehr mit ihr anzufangen, als Sabine Timoteo („Der freie Wille (Der freie Wille)") apart durch die Szenen laufen und entrückt dreinschauen zu lassen. So bleibt die Rolle ein Platzhalter für die Ohnmacht der schuldbewussten Wohlstandgesellschaft.

    Beim Grenzschützer Jose liegt der Fall anders. Wird er zuerst noch als Unsympath gezeichnet, dessen Kaltschnäuzigkeit den Zuschauer gegen ihn aufbringt, offenbart sich mehr und mehr, dass er schlichtweg resigniert hat. Jose versucht nicht, die Welt zu verbessern. Er versucht nur, sie nicht noch schlechter zu machen. Das mag ein sehr bescheidenes Ziel sein, doch im Gegensatz zur unwissenenden Nathalie gelingt es ihm, sein Ziel zu erreichen. Während diese die Situation und die Konsequenzen, die falsch angewandtes Engagement hervorrufen können, noch nicht verstanden hat, weiß Jose, dass es Probleme gibt, die sich mit guten Absichten allein nicht lösen lassen. Unterm Strich bleibt er auf eine nicht gerade herzerwärmende Art der einzige Souverän des Films. Dass Joses berufliche Verrohung über die Figur seiner Schwester eine Entsprechung in privater Hinsicht bekommt, die enken hin zum Nice-Guy bewirkt. Das geht zu schnell und fühlt sich manipulativ an.

    Was die visuelle Gestaltung angeht, entspricht „Die Farbe des Ozeans" mittelprächtigem TV-Standard. So überdeutlich die Konflikte der Protagonisten immer wieder ausformuliert werden, so wenig elegant ist auch die Inszenierung. Eine einerseits sehr agile, andererseits etwas verschüttelte Kamera geht stets sehr nah an die Protagonisten heran, findet in anderen Momenten jedoch nie ihren Ruhepunkt und filmt manchmal schlicht am Herz einer Szene vorbei. „Die Farbe des Ozeans" ist inszenatorisch nicht spannend genug, um wirklich zu fesseln und dramaturgisch zu flach, um eine tiefere Auseinandersetzung mit der Thematik einzufordern.

    Fazit: Es ist Maggie Peren hoch anzurechnen, dass sie einen etwas anderen Weg gehen wollte, als es im „problembewussten" Weltkino sonst üblich ist. Das macht "Die Farbe des Ozeans" trotz deutlicher Mängel in Dramaturgie und Inszenierung nicht nur zu einem ehrenwerten, sondern auch zu einem diskussionswürdigen Film.

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