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    Tous au Larzac – Leadersheep
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Tous au Larzac – Leadersheep
    Von Lars-Christian Daniels

    Wir schreiben das Jahr 50 vor Christus: Ganz Gallien ist von den Römern besetzt. Ganz Gallien? Nein. Ein von Unbeugsamen bevölkertes Dorf hört nicht auf, dem Eindringling Widerstand zu leisten. Diese wohl berühmteste Einleitung der französischen Comic-Geschichte lässt sich auch auf Christian Rouauds sehenswerte Dokumentation „Tous au Larzac – Leadersheep" übertragen: Fest entschlossen, sich dem Willen der französischen Regierung nicht zu beugen, kämpft eine kleine Gruppe alteingesessener Bauern Anfang der 70er Jahre erfolgreich gegen die Erweiterung der Militärzone Larzac und für den Erhalt ihrer Heimat. Rouaud, der für „Tous au Larzac" 2012 mit dem wichtigsten französischen Filmpreis César in der Kategorie „Beste Dokumentation" ausgezeichnet wurde, beleuchtet ein hierzulande weniger beachtetes Kapitel französischer Zeitgeschichte und lädt dabei auch zum Schmunzeln ein.

    Als der französische Verteidigungsminister Michel Debré 1971 erklärt, die Militärbasis Larzac im Département Aveyron im Süden des Landes zu erweitern und dafür die lokalen Landwirte zu enteignen, bricht für diese eine Welt zusammen. Doch sie sind keineswegs gewillt, sich Haus und Hof einfach wegnehmen zu lassen. Mit dem Mut der Verzweiflung schließen sich die nach alter Tradition wirtschaftenden Bauern, die dem technischen Fortschritt und der zunehmenden Industrialisierung skeptisch gegenüberstehen, zu einer Widerstandsgruppe zusammen. Nach ersten kleineren Demonstrationen und Erfolgen findet die Aktion in ganz Frankreich Gehör – und bildet den Auftakt zu einem landesweiten Protest gegen die Militärpolitik der Regierung, dem sich viele Studenten, Anarchisten und Hippies anschließen...

    Christian Rouaud zeichnet die historischen Ereignisse in „Tous au Larzac" chronologisch nach und mischt dabei aktuelle O-Töne der Protagonisten mit Originalbildmaterial, das die gealterten Interviewpartner von heute auf alten Fotos und in TV-Berichten zeigt. Der französische Filmemacher streut dabei immer wieder neue Aufnahmen der idyllischen Sommerlandschaften der Larzac-Region ein, in der hier und da glatt die Zeit stehen geblieben zu sein scheint, und verdeutlicht damit, dass der mutige Kampf gegen den Ausbau der Militärzone bis heute Früchte trägt. Dennoch läuft er nie Gefahr, den erfolgreichen Protest gegen die Regierung im Nachhinein zu sehr zu romantisieren: Er verschweigt nicht, dass die Bauern bei ihrem Kampf nicht immer ohne Gewalt auskamen und dass einige der Widerständler für Jahre hinter Gitter mussten.

    Einige der Protagonisten porträtiert Rouaud auffallend ausführlich, so dass sein Publikum – für eine historische Dokumentation untypisch – eine echte Beziehung zu den Zeitzeugen aufbauen kann. Das birgt aber zugleich den Nachteil, dass der Film am Ende ein wenig einseitig gerät: Der Regisseur interviewt ausschließlich Bauern, Pazifisten und französische Wutbürger; Polizisten oder Staatsmänner kommen in seiner Dokumentation nicht zu Wort. Das engt den Blickwinkel ein, bietet aber Gelegenheit, immer wieder amüsante Anekdoten und kleinere Privatgeschichten einzustreuen, die den trockenen historischen Stoff ein wenig aufpeppen. Auch über den unweigerlich an den Sturm auf die Bastille erinnernden kollektiven Marsch zum Eiffelturm, bei dem Schafsherden zu den Füßen des weltberühmten Bauwerks um die Wette mähen, darf geschmunzelt werden. So lädt Rouaud das Publikum förmlich dazu ein, sich nach dem Abspann weiter über das Geschehen von damals zu informieren.

    Fazit: Christian Rouauds beleuchtet in seiner Dokumentation „Tous au Larzac – Leadersheep" nicht immer differenziert, dafür aber ausgesprochen herzlich ein ebenso interessantes wie amüsantes Kapitel französischer Zeitgeschichte.

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