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    Bube, Dame, König, grAs
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,5
    hervorragend
    Bube, Dame, König, grAs
    Von Christian Roman

    Guy Ritchie (Snatch, Rock N Rolla) ist nicht nur der Ex-Mann von Madonna, nein, der smarte Brite zählt auch zu den meist unterschätzten Regisseuren der Gegenwart. Zwar hat sich Ritchie mit jüngeren Produktionen wie Revolver und Stürmische Liebe, der 2003 zu Recht mit fünf Goldenen Himbeeren ge(t)adelt wurde, selbst den Wind aus den Segeln genommen. Doch sein meisterliches Spielfilmdebüt „Bube, Dame, König, grAs“ genießt dafür längst weltweiten Kultstatus. Die schwarzhumorige Thriller-Komödie strotzt nur so vor schrulligen Charakteren, bietet einen komplexen Plot und glänzt darüber hinaus mit einer flotten Inszenierung.

    Eddy (Nick Moran), Tom (Jason Flemyng), Soap (Dexter Fletcher) und Bacon (Jason Statham) fristen im Londoner Arbeiterviertel East End ein jämmerliches Kleinganovendasein. Mehr schlecht als recht hält sich das Quartett mit dem Verticken von Schmuck und Elektrogeräten über Wasser – bis der örtliche Pornokönig und Mafiaboss Harry Lonsdale (P. H. Moriarty) zu einem illegalen Poker-Turnier lädt. Der Einsatz: 100.000 britische Pfund. Die Vier wittern den Coup ihres Lebens, legen ihr Erspartes zusammen und erkaufen dem geschickten Zocker Eddy einen Platz in der Pokerrunde. Doch - wie sollte es in der Londoner Unterwelt auch anders sein - Eddy wird gnadenlos über den Spieltisch gezogen. Nicht nur der Einsatz ist futsch, plötzlich stehen die Jungs auch noch mit fünfhundert Riesen beim „Big Boss“ in der Kreide. Nur eine Woche bleibt den Freunden, um ihre Schulden zu begleichen. Sonst hackt ihnen Harry „Hackebeil“ Lonsdale einen Finger nach dem anderen ab…

    Was das Drehbuch aus der Feder des Regisseurs in den folgenden eineinhalb Stunden an Nebenschauplätzen auffährt, fordert die volle Aufmerksamkeit des Zuschauers heraus. Gerade zu Beginn des Films fällt es nicht immer leicht, angesichts der zahllosen Figuren und parallelen Handlungsstränge den Überblick zu bewahren. Wer dranbleibt, wird dafür jedoch reichlich entlohnt: Ob Barry „Der Baptist“, Nick „Der Grieche“ oder der durchgeknallte Drogenbaron Rory Baker, der seinen Gegenüber stets in der dritten Person anspricht – die schrägen, völlig überzeichneten Charaktere sorgen mit lässigen Sprüchen für reichlich Lacher. Mit diesen Qualitäten braucht sich „Bube, Dame, König, grAs“ vor Genre-Veteranen wie Quentin Tarantinos Pulp Fiction keineswegs verstecken. Neben der feinen Charakterzeichnung stellt Ritchie sein herausragendes Talent unter Beweis, das Publikum fortlaufend mit irrwitzigen Storywendungen zu überraschen, wobei er die zahlreichen Handlungsebenen am Ende dennoch zu einem schlüssigen Ganzen zusammenführt. So packt der Regisseur nach dem vermeintlichen Finale als Dreingabe mal eben noch eine der witzigsten Schlusspointen der Filmgeschichte oben drauf.

    Guy Ritchie, der seine Karriere mit stylischen Werbeproduktionen begann, verzichtet auf eine durchkomponierte Bildästhetik. Stattdessen verleiht er „Bube, Dame, König, grAs“ den rohen Charme eines englischen Pubs. Dreckige Sepiatöne und das häufige Setzen harter Schatten erzeugen ein düster-atmosphärisches Bild des rauen Londons der Arbeiterklasse. Auffällig ist die unkonventionelle Kameraarbeit: Tim-Maurice Jones, der Ritchie auch bei Snatch und Revolver erhalten zur Seite stand, zeigt die Protagonisten häufig aus der Untersicht, verwendet Split Screens und friert das Geschehen gelegentlich ein. Das wirkt verspielt, fügt sich aber nichtsdestotrotz stimmig in den hippen Inszenierungsstil ein.

    Seit „Bube, Dame, König, grAs“ greift Regisseur Guy Ritchie immer wieder gerne auf eine Handvoll britischer Schauspieler zurück. Der internationale Durchbruch gelang allerdings nur Jason The Transporter Statham (Crank, Death Race, Bank Job), der sich hier in der Rolle des Bacon ungewohnt redselig zeigt. An seiner Seite liefern Jason Flemyng und Dexter Fletcher solide Performances ab, bleiben insgesamt aber austauschbar. Nick Moran („The Musketeer“) ist als Eddy dann am besten, wenn er vom Pokertisch fliegt und der Zuschauer die Verzweiflung geradewegs in seinem Gesicht ablesen kann, oder er mal wieder mit seinem Filmvater J.D. (großartig: Pop-Ikone Sting) aneinander gerät. Heimlicher Held des Films bleibt aber der ehemalige Profi-Fußballer Vinnie Jones (The Midnight Meat Train) in der Rolle des Geldeintreibers Big Chris. Vor so viel Coolness müsste selbst Vin „Reibeisenstimme“ Diesel den Hut ziehen.

    Fazit: Die Zeiten, in denen Guy Ritchie von den Medien als britische Antwort auf Quentin Tarantino gefeiert wurde, sind lange vorbei. Auch mit seinem neuesten Streifen Rock N Rolla ist es ihm nicht gelungen, sein Image als Two-Hit-Wonder endlich abzulegen. Den Erfolg seines Erstlingswerks kann ihm dagegen niemand mehr nehmen. „Bube, Dame, König, grAs“ hält alle Zutaten für einen erstklassigen Gangsterfilm bereit: schräge Charaktere, rabenschwarzen Humor und reichlich Action. Herausgekommen ist eine clevere Thriller-Komödie, die den Zuschauer mit einer durchdachten Geschichte begeistert. Allerdings sollte man sich den Film unbedingt auf Englisch ansehen – der ruppige Cockney-Akzent ist ein echtes Atmosphäre-Plus.

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