Mein Konto
    Brand - Eine Totengeschichte
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Brand - Eine Totengeschichte
    Von Sascha Westphal

    Es gibt Schauspieler, die ihr Publikum einfach polarisieren, die entweder geliebt oder gehasst werden, und das meist aus vollstem Herzen. Eine Reaktion zwischen diesen Extremen scheint praktisch unmöglich zu sein, dafür sind sie in ihrem Auftreten viel zu eigenwillig und viel zu radikal. Josef Bierbichler ist einer dieser Extremisten der Schauspielkunst, die letzten Endes in jeder Rolle sie selbst bleiben und ihren Figuren gerade dadurch eine überwältigende, aber eben auch extrem provokante Präsenz verleihen. Auf diesen „Bierbichler-Effekt" setzt auch Thomas Roth bei seinem Thriller „Brand - Eine Totengeschichte". Schließlich braucht er einen Darsteller, der diesen bizarren Zwitter aus Genrefilm und Kunstkino ganz alleine tragen kann.

    Seit seine an Krebs erkrankte Frau Martha (Erika Deutinger) im Krankenhaus liegt, ist das Leben des Schriftstellers Brand (Josef Bierbichler) aus den Fugen geraten. Die Sorge um Martha macht es ihm unmöglich, etwas zu schreiben. Alles dreht sich nur noch um ihr langsames Dahinsiechen, das er mit seiner Kamera geradezu zwanghaft dokumentiert, und damit auch um ihren immer näherrückenden Tod. Außerdem steckt er noch in finanziellen Schwierigkeiten, von denen Martha aber nichts erfahren soll. Als er Angela Caymaz (Angela Gregovic), die attraktive Pflegerin seiner Frau, kennenlernt, scheint sich ihm eine Möglichkeit zu bieten, dem allem wenigstens für ein paar Stunden am Tag zu entfliehen. Er stürzt sich regelrecht in eine Affäre mit der verheirateten Krankenschwester und gerät so ins Visier von deren Mann Celik (Denis Moschitto), einem zwielichtigen Polizisten, der seine Stellung nutzt, um Brand das Leben zur Hölle zu machen.

    Brand ist ein getriebener Mann. Wie schon sein Name nicht sonderlich subtil andeutet, steht er innerlich regelrecht in Flammen und verheert so letztlich auch die Welt um sich herum. Das ist natürlich ein hinlänglich bekanntes, schon unzählige Male im Kino wie in der Literatur, in der Popmusik wie im Theater ausgeschlachtetes Klischee, zu dem Thomas Roth („Falco - Verdammt, wir leben noch!") im Endeffekt kaum etwas Neues eingefallen ist. Alleine Brands Obsession mit seiner Kamera, dieser morbide Zwang, den Tod in all seinen Facetten fotografieren zu müssen, gipfelt schließlich in einer bemerkenswerten finalen Wendung.

    Leider lässt Roths stereotypes Drehbuch wie auch seine in erster Linie auf einen fahlen Look setzende Inszenierung diese für einen Moment so radikal aufscheinende Konsequenz ansonsten eher vermissen. Statt unbeirrt eigene Wege zu gehen, klaubt er einfach bekannte Motive des Film noir wie des Thrillers zusammen und variiert sie ein wenig. Natürlich erweist sich Angelas Mann als eifersüchtiger Kontrollfreak, und natürlich macht sich Brand durch sein Verhalten selbst immer angreifbarer. Das ist alles derart konventionell, dass es schon fast wieder Methode sein könnte. Doch dafür nimmt Roth dieses Arsenal der Versatzstücke viel zu ernst. Trotzdem scheitert sein Versuch, aus ganz und gar abgedroschenen Genrezutaten tiefgründige Filmkunst zu destillieren, nicht vollständig, und das verdankt er einzig und allein Josef Bierbichler.

    Während Denis Moschitto („Chiko", „Süperseks") nicht einen Moment lang das Rollenklischee des eifersüchtigen, zu unkontrollierbaren Gewaltausbrüchen neigenden Türken, der seine Frau wie seinen privaten Besitz behandelt, hinter sich lassen kann, scheint sich Josef Bierbichler („Der Knochenmann", „Winterreise"), der zuletzt auch mit seinem phänomenalen Romandebüt „Mittelreich" für Furore gesorgt hat, in seiner ganz eigenen Welt zu bewegen. Mit der größten Selbstverständlichkeit sprengt er sämtliche Genreketten und verwandelt Brand, diesen an und für sich eher durchschnittlichen Antihelden, der sich wie nahezu alle Verlierertypen aus Hollywoods Schwarzer Serie unentwegt sein eigenes Grab zu schaufeln scheint, in eine Figur von wahrhaft tragischen Dimensionen. In Bierbichler brennt eben nicht nur die Leidenschaft eines Mannes, der einer jüngeren Frau verfallen ist, sondern eine ganz und gar archaische Sehnsucht. Dieser Mann kämpft in allem, was er macht, mit und gegen den Tod, mit dessen Herrschaft über das Leben und die Welt er sich einfach nicht abfinden kann.

    Fazit: Mit seinen Kunstfilmambitionen verwandelt Thomas Roth dieses arg klischeehafte und eindeutig symbolisch überfrachtete Liebes- und Eifersuchtsdrama in pures Trash-Kino. Das kann selbst Josef Bierbichler nicht verhindern. Aber zumindest verleiht er diesem absurden Spektakel eine überraschende Tiefe und macht sich den Film in gewisser Weise sogar zu Eigen.

    Möchtest Du weitere Kritiken ansehen?
    Das könnte dich auch interessieren
    Back to Top