Mein Konto
    Masks
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Masks
    Von Andreas Günther

    Einige der größten Kinoerfolge sind dem Mut zum Retrolook geschuldet. So werden in den „Star Wars"- und „Indiana-Jones"-Zyklen die jeweiligen Geschichten im Stil der Fortsetzungsfilme aus den 1930er Jahren erzählt. Bei manchem Regisseur ist der stetige Verweis auf Kleinode der Filmgeschichte sogar längst zum Markenzeichen geworden. Wenn Quentin Tarantino dann in „Death Proof" Dario Argentos Klassiker „Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe" zitiert, erfreut dies cinephile Seelen, der Großteil des Publikums wird diese Hommage aber gar nicht bemerken, zu unbekannt ist die Vorlage. Wenn diese bebilderte Verbeugung vor kleinen Genre-Perlen noch weiter auf die Spitze getrieben wird, hat man ein Werk, das nur noch für ein Nischenpublikum gedacht ist. So ist es bei Andreas Marschalls, vor Hommagen an italienische und deutsche Horror-Perlen nur so strotzendem „Masks" der Fall. Wohl nicht zuletzt deswegen erscheint die couragierte Low-Budget-Produktion abgesehen von Festival-Aufführungen und vereinzelten Kinovorführungen regulär nur auf DVD. Dabei kommt manch schön-schauriges Detail erst auf der großen Leinwand so richtig zur Geltung.

    Immer wieder versucht die junge Stella (Susen Ermich) an einer Schauspielschule angenommen zu werden, doch jedes Mal scheitert sie beim Vorsprechen. Nach einer neuerlichen Katastrophe rät ihr der geheimnisvolle Kasper (Dieter Rita Scholl) es an der Matheusz-Gdula-Schauspielschule zu versuchen. Doch nicht nur die Geschichte des skandalumwitterten Gründers Gdula (Norbert Losch), der sich angeblich umgebracht hat, auch das Gebäude, die Schüler und die Lehrer machen auf Stella einen unheimlichen Eindruck. Nach bestandener Aufnahmeprüfung fängt sie trotzdem dort an und findet in Cecile (Julita Witt) schnell eine Freundin, mit der sie zudem ein Verhältnis beginnt. Doch dann entdeckt Stella an Cecile Verletzungsspuren, die vom so genannten „Einzelunterricht" herrühren. Das hält sie nicht davon ab, aus brennendem Ehrgeiz ebenfalls mit den Sonderstunden unter der strengen Leitung der Schuldirektorin Roza Janowska (Magdalena Ritter) zu beginnen. Damit beginnt für Stella ein Alptraum aus Drogen, quälender Auseinandersetzung mit ihrer Kindheit und blutigen Exzessen.

    „Masks" gleicht einer Geisterbahnfahrt durchs Filmmuseum. In der ersten Hälfte rekonstruiert Regisseur Marschall („Tears of Kali") den stilistischen Manierismus und die Atmosphäre des Giallo, der von Regisseuren wie Mario Bava („Blutige Seide") und Dario Argento („Suspiria") geprägten italienischen Variante des Psychothrillers. In der zweiten Hälfte wirkt „Masks" mit Themen wie dem teuflischen Ausverkauf der Seele und der hypnotischen Steuerung von Menschen dagegen wie eine Neuauflage des deutschen Frühzeit-Horrors á la „Der Student von Prag", „Das Cabinet des Dr. Caligari" und natürlich „Nosferatu, eine Symphonie des Grauens". Getrennt sind diese Welten durch eine verschlossene Tür in der Schauspielschule; der fließende Übergang wird mit den Elementen des Slasherfilms hergestellt. Immer wieder setzt Marshall auf genüsslich ausgemalte Schockmomente, in denen das präzise Florett eines mysteriösen Killers Blutbäche aus den Halsschlagadern der Opfer schießen lässt. Nicht umsonst ist „Masks" erst ab 18 Jahren freigegeben.

    Obwohl der Film im Jahre 2011 in Berlin spielt, ließ das Team an den Hauptdrehorten – der Schauspielschule Reduta und der Filmvilla Babelsberg – die südeuropäische Filmästhetik der 1970er Jahre wiederaufleben. Wie liebevoll und detailversessen dabei vorgegangen wurde, verrät der – in diesem Fall erfreulicherweise ausufernde – Audiokommentar von Regisseur Andreas Marschall, Kameramann Sven Jakob und Produzent Heiner Thimm. Es genügte den Machern nicht, die vor vierzig Jahren im italienischen Film vorherrschende Beleuchtungsweise nachzuahmen und in der für den Fetisch-Thriller insgesamt typischen, obsessiven Betonung weiblicher Lippen, Augen und nicht zuletzt High Heels zu schwelgen. Sogar die Auswahl der Schauspieler gehorchte dem physiognomischen Muster markanter Gesichter, das den französischen und italienischen Darsteller der Krimis und Spaghetti-Western in Italien eigen war. Mit Norbert Losch („Praxis Dr. Hasenbein") konnte sogar ein Veteran des europäischen Kinos der Siebziger Jahre gewonnen werden. An seiner Seite lässt Hauptdarstellerin Susen Ermich schnell das „Schulmädchenreport"-Klischee, mit dem man ihre blonde Erscheinung zunächst verbindet, hinter sich, um ganz in ihrer Rolle einer gespaltenen Persönlichkeit aufzugehen.

    Getreu den Vorbildern ist auch in „Masks" die Kunst der Katalysator des Schreckens. Was in Argentos „Suspiria" das Ballet, in „Rosso - Farbe des Todes" die Musik und in „Das Stendhal Syndrom" die Malerei ist, ist hier die Schauspielerei. Sie wird als Weg zum Innersten, als perfide Methode der Manipulation gezeigt, die Maske der Rolle als Sinnbild für das Auseinanderfallen von Darstellung und individueller Befindlichkeit. Bei soviel Raffinesse und sorgfältigem Erzählen ist der Anachronismus zwischen Inhalt und Stil teilweise allerdings ein wenig hinderlich. Der Konflikt einer jungen Frau, die von verzweifelter Suche nach Anerkennung getrieben wird, wäre ohne die ein oder andere, nur dem zitatenreichen Ritt durch die Filmgeschichte geschuldete Abschweifung bisweilen noch kraftvoller gewesen.

    Fazit: „Masks" ist eine handwerklich hervorragend gemachte und gespielte Stilübung, die mit ihrer Verbeugung vor den Meistern des Giallos und deutschen Stummfilm-Horror-Klassikern ein echtes Liebhaberstück ist. Wer die Vorbilder nicht kennt, wird allerdings deutlich weniger Vergnügen haben.

    Möchtest Du weitere Kritiken ansehen?
    Das könnte dich auch interessieren
    Back to Top