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    No One Lives - Keiner überlebt!
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    No One Lives - Keiner überlebt!
    Von Gregor Torinus

    Wo Ryûhei Kitamura draufsteht, da ist so blutige wie stilvoll dargebotene Pop-Gewalt drin. Der japanische Regisseur wurde mit Werken wie „Versus" (2000) und „Azumi" (2003) bekannt und bewies mit seinem ersten US-Film „The Midnight Meat Train" (2008), dass er sich auch in Hollywood weder etwas von seinem besonderen Biss, noch von seinen stilistischen Qualitäten nehmen lässt. Dem Verleih Lionsgate war das kompromisslose Ergebnis dann doch etwas zu heikel, weshalb es in den USA nur in wenigen Kinos lief – in Deutschland kam der Film mit „Hangover"-Star Bradley Cooper erst gar nicht in die Lichtspielhäuser. Davon offensichtlich vollkommen unbeeindruckt legt Kitamura mit seinem zweiten in den USA gedrehten Werk „No One Lives" gleich noch einmal kräftig nach. Diesmal hat der Regisseur seinen Film auf den ersten Blick von jedem tiefergehenden Anspruch entschlackt und stattdessen einfach kalt grinsend mit der großen Gorekeule ausgeholt. Doch auch „No One Lives" besitzt besondere Qualitäten, die einen zweiten Blick lohnen...

    Betty (Laura Ramsey) und ihr Freund (Luke Evans) fahren unterwegs zu einer neuen Heimat durch das Land. Dann begegnen die beiden in einem Restaurant einer Bande von Einbrechern. Die Gangster sind grade schlechter Laune, denn bei ihrem letzten Raubzug kamen die Hausbesitzer frühzeitig aus dem Urlaub zurück. Flynn (Derek Magyar) hatte daraufhin kurzerhand die gesamte Familie erschossen, was ihm die anderen nun übel nehmen. Der Kerl ist auf Ärger aus und belästigt Betty und ihren Freund. Bandenchef Harris (Gary Grubbs) macht dem zwar ein Ende, Flynn jedoch verfolgt das Paar und bringt sie und ihr Fahrzeug in seine Gewalt. Bei seiner Wageninspektion findet er zu seiner großen Überraschung hinter einer geheimen Trennwand im Kofferraum eine gefesselte junge Frau. Diese entpuppt sich als die verschwundene Millionärstochter Emma (Adelaine Clemens), auf deren Auffinden die Eltern eine Belohnung von zwei Millionen Dollar ausgesetzt haben. Zunächst glauben die Gangster einen guten Fang gemacht zu haben. Doch schon bald müssen sie einsehen, dass sie sich in diesem Fall mit dem Falsche angelegt haben...

    „No One Lives" ist ein Slasher, dessen etwas andere Versuchsanordnung nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass weder das Rad noch das Genre neu erfunden werden soll. Die Gangster sind allesamt Antipathen, denen nicht nur der namenlose Serienkiller, der sich recht bald ans Gemetzel macht, keine Träne nachweint. Weitaus interessanter ist hingegen dessen Beziehung zu Emma, deren genauere Natur sich erst nach und nach enthüllt. Ansonsten zeigt „No One Lives" einen eiskalten Killer, der mit der Präzision und Beirrbarkeit eines menschlichen Terminators vorgeht. Er selbst empfindet den Begriff „Serienkiller" als seines Kalibers nicht würdig. In seinen Augen sind das nur Freaks, die seltsame Rituale abhalten und von ihren Opfern kuriose Trophäen einbehalten. Er selbst hingegen, sieht die Sache wesentlich unkomplizierter: „What motivates me is to get the job done". Luke Evans („Robin Hood", „Die drei Musketiere") brilliert hier als so charismatische wie stoische Kampfmaschine, die Intelligenz mit einer ganz eigenen Art von Sensibilität vereint.

    Die besondere Qualität von Kitamuras Inszenierung liegt in der Schaffung einer sehr dichten, tiefschwarzen Atmosphäre und in einer Überstilisierung, die immer wieder emblematische Bilder ermöglicht. Ähnlich wie Quentin Tarantino verweist der Japaner hierbei immer wieder auf Klassiker wie „Das Schweigen der Lämmer" (1991) oder sogar „Apocalypse Now" (1979). Kitamura zitiert wohlbekannte Szenen auf eine derart übersteigerte und des ursprünglichen Kontextes enthobene Art, dass sich sein Werk so auch als schwarzhumorige Abhandlung über Filme lesen lässt – wenngleich nicht ganz klar ist, was das nun sein soll: ehrliche Verneigung vor den Großen der Filmgeschichte oder postmoderne Zitat-Spielerei. Es wäre Kitamura durchaus zuzutrauen, hier beides im Sinn gehabt zu haben. In jedem Fall ist „No One Lives" ein ultrabrutaler Slasher, der einerseits alle mit dem Genre verbundenen stereotypen Erwartungen erfüllt, diese jedoch zugleich mit einem herrlichen heimlichen Augenzwinkern serviert.

    Fazit: Mit seinem zweiten US-Film „No One Lives" präsentiert Ryuhei Kitamura eine derbe Schlachtplatte, über die er selbst immer wieder zu schmunzeln scheint. Das Ergebnis ist eine rare und nur scheinbar paradoxe Form von Fun-Splatter der ernsten Art.

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