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    Austenland
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Austenland
    Von Andreas Staben

    Zu den Premieren von „Austenland“ in Los Angeles und New York wurden ausschließlich Frauen eingeladen – Männerbegleitung ausdrücklich nicht erwünscht. Es folgte zum amerikanischen Kinostart eine Reihe von „Women Only“-Previews und eine exklusiv auf das weibliche Publikum ausgerichtete Werbekampagne. Was fast so wirkt, als wollte man (Pardon: frau) einen Film von Frauen über Frauen, die eine berühmte Frau verehren, den unverständigen Männern nicht zumuten, lässt sich auch als Ausdruck eines neuen weiblichen Selbstbewusstseins in Hollywood sehen. Mit Filmen wie „Brautalarm“, „Die Hochzeit unserer dicksten Freundin“ oder zuletzt „Taffe Mädels“ haben die Frauen zuletzt schon einige einstige Männer-Domänen wie die Kumpel-Komödie und den Zotenhumor für sich erobert, in „Austenland“ nimmt Regisseurin Jerusha Hess sich nun mit der romantischen Komödie und dem Jane-Austen-Schmachtfetzen zwei der klassischen „Frauen-Genres“ vor und gibt ihnen respektlos und doch liebevoll einen ironischen Dreh. Das Spiel mit Rollenklischees und Zuschauererwartungen fällt zwar insgesamt öfter albern als tiefschürfend aus, ist dabei aber extrem vergnüglich – auch für Männer.    

    Jane Hayes (Keri Russell) liebt die Bücher von Jane Austen über alles. Sie hat ihr Zimmer im Stil der Regency-Ära eingerichtet und schmachtet einen lebensgroßen Pappaufsteller von Mr. Darcy an, ihrem Traummann aus „Stolz und Vorurteil“. Das echte Leben bringt der schon deutlich über 30-jährigen Single-Frau dagegen nur Enttäuschungen. Als sie von einem Ort namens Austenland hört, einer Art Erlebnispark, in dem die Urlauberin mit der Hilfe von Schauspielern zur Heldin ihres eigenen Romans wird, kratzt sie ihre Ersparnisse zusammen und fliegt nach England. Dort angekommen erfährt sie von der Betreiberin Mrs. Wattlesbrook (Jane Seymour), dass sie nur das Basispaket gebucht hat und daher im Dienstbotenflügel untergebracht ist, anders als ihre vorlaute amerikanische Landsfrau Elizabeth (Jennifer Coolidge). Jane bekommt den Namen Miss Erstwhile zugewiesen und das Spiel kann beginnen: Wenn sie nicht aus der Rolle fällt (etwa durch Benutzung eines Telefons oder durch das Tragen moderner Kleidung), dann winkt ihr am Ende des Aufenthalts der romantische Ball ihrer Träume. Die Kandidaten dafür sind der etwas affektierte Colonel Andrews (James Callis), der draufgängerische Captain East (Ricky Whittle) und der zurückhaltende Mr. Henry Nobley (JJ Feild). Mehr Gefallen findet Jane aber bald an dem Kutscher und Stallburschen Martin (Bret McKenzie)…

    Wenn Keri Russell („The Americans“) in Schnürkleid und mit Haube durch den Flughafen eilt oder wenn sie ihre eigene stilechte Tasse mit in ein Café nimmt, dann ist man geneigt, ihrer Freundin zuzustimmen, die ihre Jane-Austen-Verehrung als geradezu krankhaft einstuft. Andererseits ist die Flucht in eine romantische Traumwelt beim Anblick von Janes aufdringlich-abstoßendem Ex-Freund durchaus verständlich. Jerusha Hess schlägt bei ihrer Verfilmung des gleichnamigen Romans von Shannon Hale von vornherein einen erfrischend unverblümten Ton an, der weit entfernt ist von den subtilen Andeutungen und versteckten Doppeldeutigkeiten der Jane-Austen-Romane. So sind dann auch die Schauspieler in Austenland nicht unbedingt überzeugend in den Rollen formvollendeter Gentlemen – die Rituale der Regency-Gesellschaft wie sie in den besten Austen-Verfilmungen wie etwa Ang Lees „Sinn und Sinnlichkeit“,  Joe Wrights „Stolz und Vorurteil“ oder den legendären BBC-Miniserien so treffend eingefangen wurden, persifliert Hess mit grobem Pinselstrich. So stimmt Jane nach gestelzter Aufforderung der im Salon versammelten Runde etwa ein paar Takte von Nellys „Hot In Here“ an, woraufhin allgemeine Empörung gespielt wird.

    Das Geschehen in Austenland wird schnell zur gutgelaunten Burleske: Elizabeth entpuppt sich als mannstolles Powerweib, das mit Jane Austen letztlich nicht viel am Hut hat („Ich habe die Filme gesehen“) und auch Amelia (Georgia King) ist nur da, um sich den Captain endgültig zu angeln. Der wiederum reißt sich bei jeder Gelegenheit das Hemd vom Leib und auch sonst geht es alles andere als distinguiert zu. Ein Theaterstück wird zur turbulenten Lachnummer, Bret McKenzie muss sich „Hobbit“-Witze anhören und garniert wird das Ganze mit 80er-Jahre-Pop von Chris De Burgh bis Roxette. Die Romantik, nach der sich Jane so sehnt, wird auch bei einer Fohlen-Geburt aufs Korn genommen, wobei es Jerusha Hess aber insgesamt gelingt, das Pendel nicht allzu sehr in Richtung anarchischer Satire ausschlagen zu lassen und eine Spur von (Mit-)Gefühl und Ernsthaftigkeit zu bewahren. Sie bleibt darin dem Geist der Filme ihres Ehemanns Joshua („Nacho Libre“, „Napoleon Dynamite“) treu, an denen sie bereits in wesentlicher Funktion beteiligt war. Wenn schließlich am Ende das  Vorgetäuschte und das Echte, das zuvor mustergültig verknotet wurde, nach einigen obligatorischen Verwechslungen voneinander unterschieden sind,  dann mag es Jane gar nicht glauben: „Das kann nicht stimmen, denn das ist mein Traum“. Zum Schluss gelingt Hess damit fast so etwas wie die Quadratur des Kreises der romantischen Komödie: Verstand und Gefühl kommen gleichermaßen zu ihrem Recht – Jane Austen dürfte stolz sein.

    Fazit: „Austenland“ ist eine übermütige und nicht immer geschmackvolle, aber überaus kurzweilige Komödie – für Jane-Austen-Fans und alle anderen.

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