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    Little Thirteen
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Little Thirteen
    Von Ulf Lepelmeier

    Die jugendlichen Protagonistinnen aus den Festivalbeiträgen haben mitunter wenig mit der unschuldigen Feengestalt gemein, die im offiziellen Trailer des 30. Münchner Filmfests aus einem idyllischen Bergsee emporsteigt. Denn sowohl die serbische Regisseurin Maja Milos mit dem explizit-harten „Clip" als auch der deutsche Filmemacher Christian Klandt mit seinem Sozialdrama „Little Thirteen" setzen sich mit dem ausufernden Geltungs- und Sexualdrang der Generation Porno auseinander. Und so ist die erst 13-jährige Sarah dann auch alles andere als zurückhaltend und unschuldig. Für sie gilt Sex als Substitut für Anerkennung, Liebe und Zuneigung, so dass sie fortwährend kurzfristige Befriedigung bei immer wechselnden Partnern sucht. Klandt beobachtet die frühreife Jugendliche und ihren Familien- und Freundeskosmos und dabei ergibt sich ein trostloses Bild der emotionalen Verlorenheit und sexuellen Verrohung deutscher Großstadtjugendlicher.

    Sarah (Muriel Wimmer) ist 13 Jahre alt, kommt aus einer sozial benachteiligten Familie und kann bereits auf ein bewegtes Sexualleben zurückblicken. Ihre junge Mutter Doreen (Isabell Gerschke) ist mehr Freundin als Autoritätsperson, lebt ihrer Tochter selbst ein freizügiges Sexualleben vor und lässt ihr alles durchgehen. Nach zahlreichen Partnerwechseln trifft Sarah im Chat auf den 16-jährigen Lukas (Joseph Konrad Bundschuh) und verliebt sich in ihn. Aber der aus gutbürgerlichen Verhältnissen stammende Junge hat etwas ganz anderes als eine Romanze im Sinn. Er lässt sich von seinem Kumpel Diggnsäck (Philipp Kubitza) vielmehr beim Geschlechtsverkehr mit möglichst jungen Mädchen filmen, um die selbstgedrehten Pornoclips dann gegen Drogen eintauschen zu können. Derweilen muss Sarahs beste Freundin Charly (Antonia Putiloff) feststellen, dass sie schwanger ist...

    Gut 18 Jahre nach Larry Clarks Skandalfilm „Kids" ist die emotionale und sexuelle Abstumpfung der Jugend immer noch ein polarisierendes Thema, sowohl dies- als auch jenseits des Atlantik. Und so entschied sich Regisseur Klandt, in seinem Abschlussfilm an der Hochschule für Film und Fernsehen in Potsdam-Babelsberg das chaotische Sexualleben von deutschen Jugendlichen in den Mittelpunkt zu stellen. In seinem Drama ist die erste Liebe nicht mehr zart und unschuldig, sondern bereits von vornherein beschmutzt und verdorben. Die romantische Verklärung einer Paarbeziehung hat in der Welt der sich bereits in jungen Jahren nicht mehr allzu viel vom Leben erhoffenden Teenager einfach keinen Platz mehr.

    Mit der provokanten Aussage „Vögeln, ficken, bumsen. Das mache ich so lange, bis einer sagt: Ich will nicht mehr weg von dir" bringt die erst 13-jährige Sarah ihr gänzlich entromantisiertes Sexualitätsverständnis überaus deutlich zum Ausdruck. Eigentlich sehnt sie sich nach Liebe und Geborgenheit, doch ihr Verhältnis zu Sex und Gefühlen ist komplett aus den Fugen geraten. Ihre Mutter, mit der sie sich neben Kleidung und Schminke auch schon mal die Männer teilt, lebt ihr dabei auch nichts anderes vor, als dass Liebe einzig über Sex zu erlangen ist. Sex wird hier vor allem ausgelebt, um das Selbstwertgefühl zu nähren. Die erstaunliche Durchtriebenheit der jungen Protagonistin kann dabei nie ganz ihre tiefe Verletzlichkeit überdecken, dafür sorgt die ebenso feinfühlige wie impulsive Darstellung Muriel Wimmers.

    Klandt zeichnet ohne erhobenen Zeigefinger ein ungeschöntes und eindringliches Bild einer übersexualisierten und dabei bereits desillusionierten Jugend. Dabei basieren die Geschichten der partywütigen Teenies auf realen Erfahrungsberichten, die der Regisseur zusammen mit seiner Drehbuchautorin Catrin Lüth in Filmworkshops an Schulen und Freizeiteinrichtungen von Jugendlichen sammelte. Nicht zurückschreckend vor provokanten Aussagen und Szenen entwickelt der Regisseur auch Momente, in denen die coole Fassade bröckelt und die Zweifel und Ängste hinter den Schminkschichten oder dem aufgesetzten Gehabe hervorscheinen. Und auch wenn die Nebenfiguren nicht sonderlich ausgefeilt sind, gelingt es Klandt und seinen talentierten Jungdarstellern, kritische Fragen über und an die frühjugendliche Sexualität an das Publikum weiterzureichen.

    Fazit: „Little Thirteen" bietet einen aufrüttelnden Einblick in jugendliche Lebenswelten, in denen die Suche nach Zwischenmenschlichkeit über eine ausufernde Sexualität führt.

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