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    The Highwaymen
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    The Highwaymen

    Netflix’ Antwort auf "Bonnie & Clyde"!

    Von Carsten Baumgardt

    Wenn sich ein Projekt seit vielen Jahren in der Entwicklungshölle befindet und dann plötzlich doch noch realisiert wird, gibt es dafür oft schlagende Argumente. Bei dem teuren Sci-Fi-Thriller „Passengers“ sagten zum Beispiel Jennifer Lawrence und Chris Pratt zu – und prompt ging das Hochrisikoprojekt nach einem Jahrzehnt des Stillstands vor die Kameras. Meistens hängt es also mit dem Interesse von Stars oder Regisseuren zusammen. Wenn jetzt das Krimi-Drama „The Highwaymen“ mit etlichen Jahren Verspätung doch noch erscheint, gibt es allerdings eine andere, nur ein Wort umfassende Erklärung dafür, warum die Geschichte über die beiden Texas Ranger, die einst das berühmt-berüchtigte Gangsterpaar Bonnie Parker und Clyde Barrow zur Strecke gebracht haben, überhaupt produziert wurde: Netflix!

    Denn obwohl der Film bereits seit 2005 in der Entwicklung ist und zwischendurch Robert Redford und Paul Newman in den Hauptrollen spielen sollten, traute sich kein Studio, das Projekt tatsächlich final in Auftrag zu geben. Das machte dann stattdessen der Streaming-Gigant Netflix. Und es ist ja auch logisch: Im Kino wäre das Budget von 49 Millionen Dollar schließlich verbranntes Geld, denn die kommerziellen Chancen von John Lee HancocksThe Highwaymen“ stünden ungefähr bei null. Nicht falsch verstehen, das historische Cop-Drama ist kein schlechter Film. Aber das etwas behäbig erzählte Road-Movie punktet mehr mit knisternder Südstaaten-Atmosphäre und stimmungsvollen Bildern als mit einer packenden Handlung – nichts, womit sich jemand in der heutigen Zeit noch motivieren lässt, an der Kinokasse ein Ticket zu lösen. Aber auf Netflix kann man ohne Extrakosten schon mal reinschauen.

    Die Politik braucht schnelle Ergebnisse...

    Die texanische Gouverneurin Ma Robinson (Kathy Bates) hat im Jahr 1934 genug von dem brutalen Gangsterpärchen Bonnie Parker (Emily Brobst) und Clyde Barrow (Edward Bossert), die bei ihren Raubzügen regelmäßig tote Ordnungshüter hinterlassen. Polizei und FBI bekommen die inzwischen landesweit berühmt gewordenen Flüchtigen einfach nicht zu fassen. Als die beiden dann auch noch einen Freund von der Eastham Prison Farm befreien und dabei weitere Wächter töten, holt die Politikerin den legendären Texas Ranger Frank Hamer (Kevin Costner) aus dem Ruhestand. Der wortkarge Einzelgänger bringt seinen alten Kumpel Maney Gault (Woody Harrelson) mit und heftet sich an die Fersen von Bonnie und Clyde.

    Dabei kommen sie gelegentlich anderen Gesetzeshütern in die Quere, die ebenfalls Jagd auf das Duo machen. Schwerer wiegt jedoch die Tatsache, dass die Gangster, die Banken, Tankstellen und Geschäfte überfallen, als Volkshelden großen Rückhalt in der ländlichen Bevölkerung im Süden der USA genießen und oft von Menschenmassen beschützt werden, wenn sie auf ihrer Flucht durch mehrere Bundesstaaten in irgendeinem Kaff mit ihrem Auto einfahren. Hinweise will auch erstmal niemand geben. Doch Harmer und Gault versuchen, über die Familien des Paares näher an die Gangster heranzukommen…

    Ruchlose Mörder statt romantisierte Popkultur-Idole

    Bonnie und Clyde sind natürlich weitaus bekannter als Frank Hamer und Maney Gault, selbst wenn Hamer als berühmtester Texas Ranger überhaupt gilt. In dem Kultfilm „Bonnie und Clyde“ von 1967 (mit Warren Beatty und Faye Dunaway) romantisiert Arthur Penn die Verbrecher am Rande zur Verklärung. Diesem Gestus tritt Regisseur John Lee Hancock („Blind Side“, „Saving Mr. Banks”) nun mit radikaler Konsequenz und betontem Realismus entgegen. In „The Highwaymen“ sind Bonnie und Clyde kriminelle Phantome, die kaum Dialoge haben und als „das Böse“ gejagt werden. Oft sind sie lediglich aus der Ferne zu sehen, nur manchmal erlaubt sich Hancock einen näheren, verhuschten Blick auf die Mörder.

    Das Zentrum des Films bildet stattdessen unzweifelhaft der loyale Texas Ranger Frank Hamer, der seine teils rüden Old-School-Methoden auspackt, um seinen Auftrag pflichtgemäß zu erfüllen. Da wird auch schon mal ein Zeuge verprügelt, um an Informationen zu kommen. Dieser knorrige und titanisch unbestechliche Gesetzeshüter ist eine archetypische Paraderolle für Kevin Costner (zuletzt zu sehen in „Hidden Figures“ und „Molly’s Game“), der mit einer souveränen Leistung in bewährter Manier den Film trägt, während Woody Harrelson („Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“) als Sidekick zwar mit seinem berühmten authentischen Texas-Akzent glänzt, sich sonst aber zumeist mit dem Part als Stichwortgeber begnügen muss. Gemeinsam transportieren sie das Motiv der alternden Revolverhelden, die störrisch an ihren Idealen festhalten, um ans Ziel zu gelangen.

    ... und setzt deshalb zwei alte Hasen auf Bonnie & Clyde an!

    Jede Art von Schwung ist auch notwendig. Zwar liefert Kameramann John Schwartzman („Jurassic World“) stilvolle, atmosphärisch bestechende Bilder, die zudem auch noch durch den Südstaaten-Score von Thomas Newman („Spectre“, „Skyfall“) wunderbar unterstützt werden. Aber die Handlung zieht sich eher zäh dahin. Es ist das Gesamtgemenge aus perfekter Ausstattung (irgendwo müssen die 49 Millionen Dollar Budget ja hingeflossen sein), visueller Exzellenz und Kevin Costners immer noch prägendem Charisma, das „The Highwaymen“ sehenswert macht. In dem düsteren Klima der Weltwirtschaftskrise wabert zwar immer auch die Skepsis der einfachen Bevölkerung gegenüber den Regierungsleuten („Hier draußen ist Clyde der König“) mit, …

    … aber die Spannung kocht dabei trotzdem nur auf Sparflamme. Und das liegt keinesfalls nur daran, dass das Ende dieses auf wahren Begebenheiten (der Abspann besteht aus Originalaufnahmen) beruhenden Falls natürlich jedem bekannt sein sollte. Hancock lässt sich mit 132 Minuten auch ausgiebig Zeit, um seine Geschichte auszuwälzen. Da nimmt sich der Regisseur im Film selbst vor dem letzten, gerade einmal ein paar Minuten Raum einnehmenden Gefecht noch eine Auszeit für eine gediegene Pokerpartie, bei der Texas Ranger Maney Gault alte Räuberpistolen über seinen Freund Frank Hamer erzählt. Das ist erzählerisch genauso konsequent altmodisch wie eigentlich der gesamte Film.

    Fazit: „The Highwaymen“ ist sicherlich kein „The Untouchables - Die Unbestechlichen“ oder „Perfect World“, dazu fehlt dieser Gangsterjagd die Intensität. Aber dank einer hervorragenden Optik und Kevin Costners Präsenz ist das Old-School-Crime-Drama zumindest einen Abend auf der heimischen Couch durchaus wert.

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