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    The Counselor
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    The Counselor
    Von Carsten Baumgardt

    Gier ist gut. Gier ist richtig. Gier funktioniert. Gier schafft Klarheit. Gier hat das Beste im Menschen hervorgebracht.“ Diese markigen Sätze haben Michael Douglas nicht nur 1988 seinen bisher einzigen Schauspieler-Oscar eingebracht, sie machten seine Filmfigur Gordon Gekko aus Oliver Stones furiosem Börsen-Thriller „Wall Street“ auch zum Idol einer ganzen Generation gieriger Banker. Während viele Gekko-Fans Stones kritische Haltung zu der Figur und ihrem Business damals geflissentlich ignoriert haben, gibt es in Ridley Scotts „The Counselor“ keine moralischen Anwandlungen mehr, die übersehen werden könnten – die Zeiten haben sich geändert. Auch in dem nihilistischen Thriller-Drama nach dem Drehbuch von Pulitzer-Preisträger Cormac McCarthy („No Country For Old Men“) spielt die Gier eine entscheidende Rolle, aber hier erscheint sie als symptomatische Eigenschaft eines unrettbar verkommenen Mikrokosmos und sie könnte entsprechend keine fataleren Folgen haben. Scotts düster-stilisierter Texas-Trip ist eine brutale Blei-Ballade, mit der sich der Regisseur geradezu trotzig zwischen alle Stühle und quer zu unseren Sehgewohnheiten setzt: ein Thriller ohne Spannung und ein Drama ohne Sympathieträger zum Mitfiebern. Serviert wird das Ganze mit jeder Menge anspruchsvoll-feingeschliffener McCarthy-Prosa, die den misanthropischen Protagonisten in die Schandmäuler gelegt wird.

    Eigentlich hat er alles, aber er will mehr - viel mehr. Der Counselor (Michael Fassbender) ist ein wohlsituierter, angesehener Anwalt im texanischen El Paso, er ist aalglatt, immer auf der Höhe des Geschehens und hält sich für unangreifbar. Er möchte seinem Luxusweibchen Laura (Penélope Cruz) etwas ganz Besonderes bieten und so fädelt er über den zwielichtigen Edel-Gangster Reiner (Javier Bardem) und dessen noch zwielichtigere Freundin Malkina (Cameron Diaz) den Deal seines Lebens ein. Der Abstieg in die Unterwelt soll eine einmalige Sache bleiben und nach dem Abkassieren von 20 Millionen Dollar will der Counselor wieder entschwinden: Er schlägt alle Warnungen in den Wind und wickelt über den Kingpin Westray (Brad Pitt) ein höchst lukratives Geschäft mit der Drogen-Mafia ab. Als beim Transport der heißen Ware zwischen Mexiko und Texas alles schiefgeht, was schiefgehen kann, wird die Luft für den Counselor und seinen Anhang verdammt dünn…

    Das Wichtigste gleich vorweg: Die Geschichte, die Regisseur Ridley Scott („Prometheus“, „Blade Runner“) und Kultautor Cormac McCarthy („The Road“, „All die schönen Pferde“) auftischen, ist unwichtig und strotzt nur so vor Klischees. Das Duo legt die Figuren als Archetypen an, denen sie hochgeistige Dialoge in dem Mund legen – womit sie tatsächlich einen Aha-Effekt erzielen. McCarthy blickt philosophisch in die tiefsten Abgründe der Seele und Scott spiegelt das mit seinen wie immer exquisit-eleganten Hochglanz-Bildern: Schöne Menschen zelebrieren Luxus und Reichtum in der unter der polierten Oberfläche stinkenden Parallelgesellschaft des großen Verbrechens. Wie dreckig, roh und unmenschlich es da zugeht, muss der uneinsichtige Counselor am eigenen Leib erfahren – alle (inklusive der Zuschauer) wissen, auf welche Reise ins Verderben er sich eingelassen hat. „Die Enthauptungen und Verstümmelungen? Das ist bloß Geschäft”, sagt Brad Pitts Westray an einer Stelle. In solchen Erkenntnissen ist die Originalität des Films zu finden, nicht in der belanglosen und vorhersehbaren Handlung, bei der sich Scott und McCarthy nicht einmal die Mühe machen, Spannung zu erzeugen. Sie konstruieren „The Counselor“ stattdessen als einen Anti-Film, mit einem Anti-Helden, der nicht viel sympathischer ist als das Geschmeiß, mit dem er sich einlässt, um seine Gier nach Geld zu stillen.  

    Der raffinierte Stil von McCarthys Außenseiter-Prosa steht hier zumeist im krassen Gegensatz zum Charakter der handelnden Personen – ein kühner Coup, der aber nicht durchgehend Früchte trägt. Besonders im Mittelteil weist „The Counselor“ einige stattliche Passagen von gepflegter Langeweile auf – immer wieder zeigt uns Scott „sprechende Köpfe“, die in überlangen Szenen McCarthys gedrechselte Wortgirlanden runterbeten. Dialoge und Handlung bilden keine organische Einheit, sondern scheinen zuweilen unverbunden nebeneinanderherzulaufen. Scott setzt McCarthys wortschwelgerischen Rede-Duetten eloquenter Plaudertaschen zumindest gelegentlich körperliche Konfrontationen im brütend heißen Texas entgegen. Und was die Gewalt angeht, macht der Regisseur keinerlei Kompromisse - so zynisch, brutal und düster war noch kein anderer seiner Filme. Hier rollen im wahrsten Sinne des Wortes Köpfe und der Zuschauer hat brutalste Exzesse auszuhalten. So serviert uns McCarthy nach dem Bolzenschussgerät in „No Country For Old Men“, das Killer Anton Chigurgh als Mordinstrument nutzte, jetzt den Bolito, dessen Funktionsweise Javier Bardem (diesmal als schmieriger Armani-Gauner Reiner) zu Beginn erklärt: Eine motorgetriebene, sich stetig zuziehende, unzerstörbare Metallschlaufe trennt innerhalb von fünf quälenden Minuten den Kopf vom Hals des Opfers. Logisch, dass dieses Folterwerkzeug später dann auch zum Einsatz kommt.

    Die radikale und bis zum Ende unbeirrt beibehaltene Brutalität verschafft dem Film in seiner besten Phase im letzten Drittel eine beängstigende Unruhe, die „The Counselor“ interessant macht und aus der zwischenzeitlichen Lethargie herausreißt. Auch das diskussionswürdige Finale ist nur folgerichtig: „The Counselor“ stoppt einfach irgendwann, irgendwo. Den Rest muss sich der Zuschauer dazu denken – und das ist überhaupt kein Problem, weil die Denk- und Handlungsmuster vordefiniert sind. Damit haben auch die Darsteller nicht allzu viel Spielraum zu ausgefeilter Charakterzeichnung, aber das Starensemble bekommt trotzdem ausreichend Gelegenheit sich auszuzeichnen – auf verschiedenen Ebenen. Michael Fassbenders („12 Years A Slave“, „Shame“) Titelfigur durchläuft die extremste Wandlung des Films und wird schonungslos vom coolen Smart-Ass zum Prügelknaben degradiert, der deutsch-irische Edelmime bewahrt indes Haltung und verleiht dem Counselor bis zum Ende Charisma und eine archaische Arroganz. Reiner und Laura wiederum sind schon fast comichaft angelegt und das bewusst überzogene, dandyhafte Spiel von Javier Bardem („Skyfall“, „No Country For Old Men“) und Cameron Diaz (die auch in einer überaus kuriosen Sexszene zu sehen ist) steht in wirkungsvollem Kontrast zu Fassbender und mehr noch zu Penélope Cruz („Vanilla Sky“), die als keusche Counselor-Verlobte blass bleibt. Mehr Freude bereitet der kurze, aber prägnante Auftritt des Schweizers Bruno Ganz („Der Untergang“) als Diamantenhändler. Und Superstar Brad Pitt? Der gibt seinen Texas-Dealer mit Cowboyhut überzeugend zwischen weise und fatalistisch, schmierig und cool, selbstironisch und ernsthaft.

    Fazit: Ridley Scotts brutal-stylishes Thriller-Drama „The Counselor“ ist eine blut- und dialogintensive, ambivalente Pulp-Fiction-Ballade angesiedelt in der unwirtlichen Hitze des texanischen Ödlands, in einer Branche, in der Menschenleben nicht viel mehr wert sind als eine warme Mahlzeit!

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