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    Brötzmann - Da gehört die Welt mal mir
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Brötzmann - Da gehört die Welt mal mir
    Von Katharina Granzin

    Das Künstlerporträt, zumal das filmische, kann selbst eine etwas heikle Kunstform sein. Als Porträtierender hat man das Ziel und oft auch den persönlichen Wunsch, dem Porträtierten möglichst nahezukommen und bewegt sich dabei stets auf einem schmalen Grat zwischen reflektierender Würdigung und unreflektierter Heldenverehrung. In Uli M Schueppels Dokumentarfilm „Brötzmann – Da gehört die Welt mal mir" über den (E-)Gitarristen Caspar Brötzmann schlägt das Pendel deutlich zur (Selbst-)Stilisierung aus. Der Protagonist bleibt sich treu und kultiviert die Aura des unangepassten Künstlers, Regisseur Schueppel liefert dazu viele atmosphärische Bilder und tolle Konzertaufnahmen. Dies ist ein gänzlich unkritisches Künstlerporträt, aber um Analyse geht es in diesem gänzlich von Stimmungen getragenen Film auch nicht. Der Titel ist wörtlich zu nehmen: Für 75 Minuten gehört die Welt ganz Caspar Brötzmann.

    Caspar Brötzmann Massaker hieß die Progressive-Rock-Band, mit der Brötzmann der Jüngere (Sohn des Freejazzers Peter Brötzmann) in den 90er Jahren in Berlin vor vollen Häusern auftrat. Im Jahr 2010, nach einer Pause von vierzehn Jahren, kam das Massaker wieder zusammen, um ein Konzert im Berliner Club Berghain zu geben. Regisseur Uli M Schueppel war mit der Kamera dabei. Die Bilder, die er von diesem Konzert mitgebracht hat, entschädigen ein wenig dafür, nicht dabei gewesen zu sein. Die Brötzmann-Musik, die mit einer kompromisslos düsteren Kraft ins Ohr rauscht und die am besten live erlebt wird, funktioniert in abgeschwächter Form auch über das Medium Film. Auch die Haltung, die Frontmann Brötzmann auf der Bühne annimmt, ist immer noch da, diese im Konzertmoment eigentlich unpassende Aura des In-sich-Ruhenden, die gleichsam ausstrahlt „Schön, dass ihr hier seid, aber ich kann auch ohne euch". Diese Haltung, das zeigt Schüppels Film deutlich, ist echt. Auch abseits der Bühne agiert Brötzmann vor der Kamera so selbstverständlich wie einer, dem es total egal ist, wenn man ihm permanent zusieht.

    Der Regisseur erzeugt einen maximalen Kontrast zu den Noise-getränkten Konzertszenen, indem er den Porträtierten abseits der Bühne allein und in ruhiger Abgeschiedenheit zeigt. Mit der Gitarre über der Schulter stapft Brötzmann einsam durch stille Landschaften: an einem Strand entlang, durch einen Wald, über ein Stoppelfeld. Dazwischen rudert der Künstler ziemlich viel, sortiert Holzstückchen für ein Lagerfeuer, ordnet Feuersteine in einem Kreis im Sand. Und weil es Caspar Brötzmann ist, der dies alles macht, ist es nicht einmal so sehr albern, denn auch in diesen bildlichen Umsetzungen seiner künstlerischen Position und Positionierung als „einsamer Wolf" tritt er mit derselben bedeutungsvollen Nonchalance auf wie bei seinen Konzerten. Dazu spricht er Gedichte oder Songtexte oder erzählt ein wenig von sich, allerdings nur solche Dinge, die die Künstleraura unterstützen. Dass er als Kind die Welt im Kopfkissen sah, erfährt man, und dass der Brötzmann manchmal nachts aufsteht und proben geht: „Weil mich die Idee reitet". Das sorgfältig konstruierte Selbstbild des Künstlers wird hier niemals hinterfragt, der Mensch hinter der Künstlerfassade bleibt unsichtbar. Vielmehr wird die enigmatische Aura, die dieser eigenwilligste aller Gitarristen um sich aufgebaut hat, mit allerlei Naturbild-Voodoo sogar noch verstärkt. Aber auch das ist zumindest ganz schön gemacht.

    Fazit: Schön gefilmtes Künstlerporträt in stimmungsvollen Bildern, mit denen Regisseur Schueppel die genialische Aura des eigenwilligen Musikers Caspar Brötzmann allerdings eher verstärkt als durchleuchtet. Nicht zuletzt wegen der Konzertszenen ist der Film trotzdem sehenswert.

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