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    Starlet
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Starlet
    Von Michael Meyns

    Für zwei Dinge ist das sonnige San Fernando Valley bekannt: Alte Menschen und die Pornoindustrie. Zwischen diesen beiden Extremen siedelt Sean Baker seine stark fotografierte Charakterstudie „Starlet" an. Geschildert wird die ungewöhnliche Freundschaft des Porno-Sternchens Jane (Dree Hemingway) zu der 85jährigen Sadie (Besedka Johnson). Zwischen Porno-Set und Bingo-Halle platziert er seine Geschichte, die es angesichts der einfühlsam inszenierten Freundschaft zwischen den beiden so unterschiedlichen und im Kern doch so ähnlichen Frauen gar nicht nötig gehabt hätte, mit der verruchten Aura der Sex-Industrie zu kokettieren.

    Im beschaulichen San Fernando Valley lebt Jane (Dree Hemingway) bei ihren Freunden Melissa (Stella Maeve) und Mikey (James Ransone). Alle drei versuchen, in der Porno-Industrie zu reüssieren, was vor allem der attraktiven Jane gelingt, während die stets zugekiffte Melissa nur Probleme macht. Um ihr Zimmer zu verschönern, ersteht Jane bei einem Flohmarkt eine alte Thermoskanne, in der sie 10.000 Dollar findet. Nach einem Shopping-Marathon besinnt sie sich und versucht, das Geld zurück zu geben. Doch Sadie (Besedka Johnson), die Besitzerin der Kanne, erweist sich als grantige, vereinsamte alte Frau. Davon lässt sich Jane jedoch nicht abschrecken: Sie drängt sich Sadie auf, die anfangs widerwillig reagiert, sich bald aber auf die ungewöhnliche Freundschaft einlässt.

    Nach eigener Aussage arbeitete Regisseur und Drehbuchautor Sean Baker („Prince Of Broadway") ursprünglich an zwei Geschichten: Einem undogmatischen Blick auf die Porno-Industrie im San Fernando Valley und der moralischen Frage, wie mit einem Haufen gefundenem Geld umzugehen ist. Kurz entschlossen machte er aus diesen beiden Stories einen Film. Die so verbundenen Gegensätze sind bewusst konstruiert und ganz selbstverständlich schneidet er zwischen ihnen hin und her. Etwas disparat wirkt das bisweilen, zumal es für die Freundschaft der beiden Frauen keine Rolle spielt, dass Jane Porno-Darstellerin von Beruf ist.

    Für sich genommen ist der Blick hinter die oft schäbigen Kulissen der Porno-Industrie interessant. Besonders die Aufnahmen von einer Messe, die Baker und sein Team mit versteckter Kamera gedreht haben, stechen hierbei heraus. Dabei nimmt er weder einen voyeuristischen noch einen heuchlerischen Blick ein: In der Welt des San Fernando Valleys ist die Sex-Industrie so selbstverständlich, wie das Bingo-Spiel, das Sadies liebstes und einziges Hobby ist. Die Beiläufigkeit, mit der in „Starlet" das Porno-Geschäft geschildert wird, ist bemerkenswert. Der Schwerpunkt des Films liegt aber so klar auf anderer Ebene, dass dieser Strang etwas angehängt wirkt, Bakers ursprüngliche Idee von zwei Filmen vielleicht doch die bessere Lösung gewesen wäre.

    Dass die beiden Hauptdarstellerin Dree Hemingway, die Ur-Enkelin des berühmten Schriftstellers Ernest Hemingway, und Besedka Johnson hier zum ersten Mal für einen Spielfilm vor der Kamera stehen, lässt es umso erstaunlicher wirken, wie intensiv ihre Beziehung ist. Was anfangs mit Schuldgefühlen begann, wird trotz vieler Hindernisse schnell zum wichtigsten Aspekt beider Leben. Dabei macht Baker vor allem nicht den Fehler, die Frage des gefundenen, unterschlagenen Geldes und damit eine unausweichliche Konfrontation inklusive rührseliger Versöhnung in den Vordergrund zu stellen. Stattdessen entwickelt sich eine holprige, höchst ungewöhnliche Freundschaft, deren Bedeutung für beide Frauen, so unterschiedlich sie auch sein mögen, nur angedeutet wird. So wird „Starlet" zum Paradebeispiel für einen Film, der wenig explizit sagt, dafür aber umso mehr erzählt.

    Fazit: Mit „Starlet" gelingt Sean Baker ein beiläufig erzähltes, präzise beobachtetes Porträt zweier Frauen, die eine ungewöhnliche Freundschaft beginnen. Neben einem interessanten, undogmatischen Einblick in die Porno-Industrie überzeugen in erster Linie die beiden Hauptdarstellerinnen, die mit großer Natürlichkeit agieren.

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