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    Mad Max
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,5
    hervorragend
    Mad Max
    Von Christian Horn

    John Carpenters „Die Klapperschlange“ und James Camerons The Terminator sind nur zwei Beispiele für die auffallende Präsenz apokalyptischer Endzeitszenarien auf den Leinwänden der frühen 80er Jahre. Bereits 1979 hat George Miller einen australischen Low-Budget-Film gedreht, der ebenfalls in diese Reihe passt: „Mad Max“ wurde ein unerwartet großer Kassenhit, so dass zwei Sequels folgten (von denen nur Teil zwei überzeugen kann) und die Karriere des damals unbekannten Mel Gibson so richtig ins Rollen kam.

    George Miller siedelt sein apokalyptisches Road Movie auf den Highways des australischen Outbacks an. Ohne, dass es explizit zum Thema gemacht wird, fällt dem Zuschauer sofort auf, dass die Geschichte in einer trostlosen, anarchischen Zukunft spielt, in der die Gesellschaft mehr und mehr zerfällt. Und gleich zu Beginn werden die Highways, in traditionellen Road Movies oftmals wenigstens noch die Möglichkeit zum Aufbruch in ein besseres Leben, als Straßen des Todes eingeführt. In einer gnadenlosen Verfolgungsjagd wird der offensichtlich geistesgestörte, äußerst brutal vorgehende Bandenchef „Night Rider“ mitsamt Freundin von Polizisten gejagt, deren viel zu geringe personelle und technische Ausstattung recht schnell augenscheinlich wird. Max Kowalski (Mel Gibson), ein junger, (noch) idealistischer Cop, bleibt dem „Night Rider“ am längsten auf den Fersen – und sieht ihn eine Klippe hinab in den Tod stürzen. Diese mit Stunts gespickte Eröffnungssequenz, in gewisser Hinsicht auch ein Abgesang auf Bonnie And Clyde, definiert das Endzeitsetting des Films über wenige Einstellungen und führt den Protagonisten auf interessante Art und Weise ein, indem die Kamera zunächst nur Max‘ Ledermontur und seine Ausrüstung einfängt, und erst beim Höhepunkt der Szene das Gesicht des Polizisten zeigt.

    Das zentrale Motiv der folgenden Geschichte ist, beerbt durch die unzähligen Revenge-Movies der Siebziger, Rache. Und zwar in doppelter Hinsicht: Die Anhänger des „Night Rider“, eine brutale Motorradbande, will den Tod ihres angesehenen Mitglieds rächen. Und Max, dessen Familie in der zweiten Hälfte von der Gang auf offener Straße ermordet wird, sinnt von da an ebenfalls auf Rache. Zuvor hatte er, nachdem sein Kamerad Goose (Steve Bisley) von der Bande verbrannt worden ist, den Dienst quittiert. Max wollte sich dem Strudel der Gewalt entreißen, um nicht so zu werden wie die skrupellosen Gangmitglieder. Doch nach der Ermordung seiner Familie wird er nur noch von dem Wunsch nach Rache getrieben und mehr und mehr zu dem, was er nicht sein wollte. In der letzten Viertelstunde erscheint Max wie ein getriebenes Tier, dessen animalische Instinkte ihn immer weiter treiben: Sein Blick wird zunehmend emotionsloser, sein rechtes Bein ist so verletzt, dass er es immerzu nachziehen muss und am Ende verbrennt er einen der Gangster, den harmlosesten eigentlich, bei lebendigem Leib in dessen Auto – die Metamorphose ist vollzogen; die Grenze zwischen Max und seinen Gegenspielern ist endgültig verwischt und vom jungen, idealistischen Cop ist, abgesehen von der fetischistischen Dienstkleidung und seinem berühmten Auto, dem „Interceptor“, nichts mehr übrig geblieben.

    Nur die wenigsten Kritiker erkannten in Millers Endzeit-Film den Klassiker, beziehungsweise Kultfilm, der er heute ist; seinerzeit wurde „Mad Max“ von den meisten Filmjournalisten als sinnentleerte Gewaltverherrlichung abgetan. Dabei haben die Kritiker allerdings übersehen, dass Max zum einen von Selbstzweifeln geplagt wird und zum anderen am Ende keine Genre-typische Katharsis erfährt, sondern – nach wie vor im Delirium – in eine trostlose, ungewisse Zukunft fährt. Er wird weder als Held gefeiert, noch findet er Ruhe. Max strandet in den menschenfeindlichen Straßen einer apokalyptischen Welt.

    Was „Mad Max“ über den kompromisslosen Fall seines Helden hinaus faszinierend macht, ist seine eigenwillige Mixtur aus verschiedenen Filmgenres: Western-, Horror- und Science-Fiction-Elemente werden, zusammen gehalten unter dem Dach des Road Movies, zu einem stimmigen Ganzen verwoben. Die typische „Mad Max“-Ästhetik beschreibt Norbert Jochum in der „Zeit“ vom 6.9.1980 sehr treffend: Der Film sehe aus „wie eine australische Version von Godards ‚Week End‘, inszeniert von Sam Peckinpah mit der Absicht, seinen Helden die letzten Tötungshemmungen zu nehmen“.

    Innerhalb der durch diese Ästhetik evozierten Atmosphäre erzählt Miller die Geschichte sehr gradlinig ohne Schnickschnack und konstruiert wirkende Handlungsstränge. Lediglich die Szenen zwischen Max und seiner Frau (samt Kind) wirken teilweise zu bemüht und vor allem zu ausführlich erzählt. Hier wird auf eine Weise versucht die Fallhöhe des Protagonisten zu erhöhen, die spätestens beim zweiten Anschauen (und zwei Mal anschauen sollte ein ordentlicher Klassiker problemlos überstehen) einiges an ihrer Wirkung verliert. Davon abgesehen gibt es aber an „Mad Max“ keine inszenatorischen Entscheidungen zu bemängeln: Kamera, Schnitt und Sound passen zusammen, die Darsteller – allen voran natürlich der junge Mel Gibson – überzeugen und auch die Musik wirkt in keinerlei Hinsicht störend oder unpassend. An der nie ausgeblendeten, feindlichen und trostlosen Grundstimmung – welche durch das Zusammenspiel aller gestalterischen Elemente allgegenwärtig wird – liegt es auch, dass „Mad Max“ noch heute funktioniert und über die Jahre kaum etwas von seiner Wirkung eingebüßt hat. Und auch die Szenerie an sich vermag noch heute zu begeistern: Längst ist das typische „Mad-Max-Setting“ in die Popkultur eingegangen, was sich etwa an der Videospielserie „Fallout“ ablesen lässt.

    Unterm Strich ist „Mad Max“ eine überaus ansprechende Anti-Utopie, die ohne Umwege das Scheitern eines Idealisten in einer menschenfeindlichen, sich in der Auflösung befindlichen Gesellschaft erzählt. Die verschiedenen Genre-Versatzstücke, aus denen der Stil des Films gestaltet wird, finden zu einem atmosphärischen Ganzen zusammen und tragen wesentlich dazu bei, dass „Mad Max“ den Zuschauer von Anfang bis Ende fesseln kann.

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