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    Plötzlich Gigolo
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Plötzlich Gigolo
    Von Carsten Baumgardt

    Rasend-komische Hysterie und ein jazziger Trompeten-Soundtrack, Rabbis und New York, dazu Woody Allen in einer Hauptrolle: Die Zutaten sind alle da, aber nein, bei der Komödie „Plötzlich Gigolo“ handelt es sich nicht um das jüngste Werk des Ausnahmeregisseurs und vierfachen Oscar-Preisträgers, sondern hier gibt es „lediglich“ einen seiner wenigen Auftritte als Schauspieler unter fremder Regie. Die wiederum hat aber mit Indie-Liebling John Turturro („Barton Fink“, „Miller’s Crossing“) ein Freund und Verehrer Allens übernommen, sodass die tragikomische Culture-Clash-Farce trotzdem in jeder Einstellung den Geist des Stadtneurotiker-Universums atmet. Look, Tonfall und Atmosphäre: Alles erinnert an Woody Allens eigene Filme, aber trotz einiger wirklich komischer Pointen kommt Turturro nie ganz an das große Vorbild heran. Und das liegt in erster Linie daran, dass die witzige Grundidee sich als nicht ausreichend tragfähig für einen abendfüllenden Film erweist, wodurch es zu einigem Leerlauf kommt.

    Der New Yorker Blumenverkäufer Fioravante (John Turturro) und sein alter Kumpel, der Buchhändler Murray (Woody Allen), halten sich mehr schlecht als recht über Wasser. Doch plötzlich kommt Murray eine kühne Idee, die beide finanziell sanieren könnte: Eine seiner Bekannten, die Hautärztin Dr. Parker (Sharon Stone), ist auf der Suche nach einem sexuellen Abenteuer – am liebsten hätte sie einen Dreier mit einem angeheuerten Mann und ihrer Freundin Selima (Sofia Vergara). Für diesen Rent-A-Man-Job sei Fioravante genau der Richtige, findet Murray. Und der nimmt den Auftrag nach kurzem Bedenken an, obwohl er wahrlich kein Profi-Gigolo ist. Gegen reichlich Bargeld beglückt er Dr. Parker und findet Gefallen an dem lukrativen Nebenverdienst. Bald widmet er sich einer zweiten Klientin: Avigal (Vanessa Paradis) ist die Witwe eines stadtteilbekannten Rabbis und steht in ihrer strenggläubigen Gemeinde dementsprechend unter Beobachtung. Vor allem der Nachbarschaftspolizist Dovi (Liev Schreiber) hat ein Auge auf Avigal, weil er heimlich in sie verliebt ist. Das führt natürlich zu Komplikationen…

    Die Idee zu „Plötzlich Gigolo“ kam Regisseur John Turturro während eines Abendessens mit einem Freund, als man über einen ganz speziellen Mann für gewisse Stunden herumalberte und beim Improvisieren aus dem Lachen nicht mehr herauskam. Aus der Prämisse, einen Jedermann zum Liebhaber auf Bestellung hochzujazzen, entwickelte Turturro das Drehbuch zu „Plötzlich Gigolo“, mit dem er direkt zu seinem Kumpel Woody Allen marschierte. Der fand ganz offensichtlich Gefallen an der Geschichte und erklärte sich dazu bereit, in Turturros fünfter Regiearbeit einen seiner selten gewordenen Auftritte als Schauspieler zu absolvieren. Und tatsächlich bereitet die Komödie besonderes Vergnügen, wenn der verschrobene Allen als hibbeliger New Yorker Senior-Zuhälter „Mr. Bongo“ versucht, seinen unscheinbaren Freund als Liebesdiener zu vermitteln und sich dabei um Kopf und Kragen quasselt. Diese herrlich komischen Szenen beziehen ihren Witz vor allem aus dem nüchternen Pragmatismus, mit der Murray an diese Aufgabe herangeht.

    Zu Allens umtriebigem Unruhestifter ist Turturros Blumenverkäufer, der spät seine wahre Berufung findet, zunächst ein beruhigender Gegenpol, aber als Murray mehr und mehr in den Hintergrund rückt, verliert der Film einiges an Schwung. Das liegt auch daran, dass dem Regisseur Turturro der Biss des älteren Kollegen fehlt und so gerät die wenig plausible Erzählung im Mittelteil bedrohlich ins Plätschern. Erst mit der Nebenhandlung um den verliebten Polizisten Dovi kommt „Plötzlich Gigolo“ wieder in die Gänge: Liev Schreiber („X-Men Origins: Wolverine“, „Salt“) als ultraorthodoxer Jude in traditioneller Kluft und entsprechender Haarpracht ist urkomisch, dazu zeigt Vanessa Paradis („Die Frau auf der Brücke“, „Der Auftragslover“) in ihrer ersten englischsprachigen Rolle neue Facetten ihres Talents - außerdem ist die sanfte Liebesgeschichte im jüdischen Milieu deutlich feiner nuanciert als der Rest des Films. Insbesondere hier findet John Turturro auch die leisen Töne fern der komischen Karikaturen, die hier sonst durch das stimmungsvoll fotografierte herbstliche New York ziehen.

    Fazit: Einige herzhafte Lacher, ein paar hintersinnige Gedanken und Altmeister Woody Allen in Spiellaune: John Turturro kommt in seiner etwas uneinheitlichen New-York-Komödie zwar nicht an die berühmten Regiearbeiten seines legendären Co-Stars heran, aber solide Unterhaltung bietet er allemal.

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