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    Gold - Du kannst mehr als Du denkst
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Gold - Du kannst mehr als Du denkst
    Von Tim Slagman

    Fiktionale Sportfilme folgen meist einer klaren dramaturgischen Struktur, an deren Ende die Überwindung aller Hindernisse steht. Der Sieg im entscheidenden Spiel oder Rennen geht dann meist Hand-in-Hand mit dem Erfolg auch neben dem Sportplatz. Dokumentarfilmer wie etwa Pepe Danquart („Höllentour", „Am Limit"), die sich an Sportlerportraits wagen, müssen sich dagegen der simplen Wahrheit stellen, dass der Triumph kein verlässlicher Ausgang ihrer Geschichte ist. Michael Hammon umschifft bei seiner wunderbar irreführend betitelten Dokumentation „Gold – Du kannst mehr als du denkst" dieses Problem dadurch, dass er die Entbehrung auf dem Weg zum Sieg oder zur Niederlage in den Mittelpunkt stellt. Sein Dreifachporträt von behinderten Sportlern auf dem Weg zu den Paralympics 2012 überzeugt mit starken Bildern, enttäuscht aber gleichzeitig durch Mängel in der Erzählung und beim Aufbau.

    Der Australier Kurt Fearnley kam mit verkümmerten Beinen auf die Welt, er bewegt sich auf seinen Armen fort und sammelt Medaillen im Rollstuhl-Marathon. Kirsten Bruhn erlitt während eines Urlaubs in Griechenland einen schweren Motorradunfall, der sie querschnittgelähmt zurückließ – zehn Jahre später begann ein kometenhafter Aufstieg im paralympischen Schwimmen. Und Henry Wanyoike wacht eines Morgens in seinem Haus nahe der kenianischen Kleinstadt Kikuyu auf und hat als Folge eines leichten Schlaganfalls sein Augenlicht verloren. Bei den olympischen Spielen in Sydney 2000 muss der Langstreckenläufer seinem erkrankten und erschöpften „guide", der Blinden in den Laufdisziplinen den Weg weist, auf den letzten von 5000 Metern hinter sich ins Ziel schleifen.

    Bei einem Projekt wie „Gold – Du kannst mehr als du denkst" – im Übrigen von der DGUV, der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, mitfinanziert – darf man davon ausgehen, dass nicht Mitleid mit den körperlich behinderten Protagonisten, sondern Bewunderung über ihren Durchhaltewillen und ihre sportlichen Leistungen die von den Machern intendierte Zuschauerreaktion ist. Mit anderen Worten: Man soll die behinderten Sportler als Sportler wahrnehmen und nicht als Behinderte. Paradoxerweise funktioniert „Gold" aber gerade dort viel besser, wo er das alltägliche Leben, die Hoffnung, den Frust, den Kampf mit einem körperlichen Gebrechen zum Thema macht.

    Oft genug zeigt Michael Hammon starke Bilder: Kurt macht mit seinem Vater einen Ausflug durch die Hügel hinter der Farm, er schiebt sich auf seinen Armen durch hohes Gras und vermatschte Rinnsale. Der Vater bleibt dabei weder stehen noch bietet er seine Hilfe an, er behandelt seinen Sohn ganz normal. In einer beeindruckenden Montage kontrastiert Hammon die Hightech-Systeme in Kirstens Schwimmhalle mit dem Freiluft-Training, das Henry auch einmal an einer friedlich äsenden Giraffe vorbeiführt. Auch wenn diese Szenen ein wenig zu gewollt auf eine Botschaft und einen gewünschten Effekt hin getrimmt scheinen, machen solche Eindrücke der unterschiedlichen Lebensbefindlichkeiten der Protagonisten die Dokumentation letztlich sehenswert.

    Die einzelnen starken Elemente werden allerdings nicht zu einer wirklich nachvollziehbar strukturierten Dramaturgie zusammengefügt. Bisweilen springt Hammon mit seiner Erzählung unmotiviert hin und her. Vor allem wirkt der angestrebte Höhepunkt des Films, die Paralympics in London, wie angeklebt, wechselt der Regisseur doch ganz unvermittelt vom Alltag der Protagonisten zu den Wettkämpfen an die Themse. Eine Erfolgsgeschichte im herkömmlichen Sinne wollte er nicht zeigen, das ist verständlich – aber dann gibt es eigentlich auch keinen zwingenden Grund, die Spiele so prominent zum Höhepunkt des Films zu stilisieren.

    Fazit: „Gold" zeigt beeindruckende Bilder aus dem Leben beeindruckender Menschen. Zwischen dem Alltag mit Behinderung und dem Sport, zwischen Nüchternheit und Pathos mag sich Regisseur Michael Hammon allerdings nicht immer so recht entscheiden, wo der Schwerpunkt seiner Erzählung liegen soll.

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