Mein Konto
    Madame Bovary
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Madame Bovary
    Von Thomas Vorwerk

    An filmischen Adaptionen von Gustave Flauberts Romanklassiker „Madame Bovary“ von 1856 versuchten sich schon Regisseure wie Jean Renoir und Vincente Minnelli, Darstellerinnen wie Pola Negri, Jennifer Jones und Isabelle Huppert verkörperten die Titelfigur. Nun fügt die in Frankreich geborene, aber in den USA lebende Regisseurin Sophie Barthes („Cold Souls“) der langen Reihe von Verfilmungen des berühmten Stoffes ein weiteres Werk hinzu. Ihr „Madame Bovary“ ist ein von Mia Wasikowska („Alice im Wunderland“) engagiert gespieltes Drama mit vielen netten kleinen Ideen, die sich allerdings nicht zu einem schlüssigen Gesamtbild fügen. Letztlich überzeugt diese Neuverfilmung nur an der Oberfläche.

    Die junge Emma (Mia Wasikowska) lässt die Klosterschule für bessere Töchter und das väterliche Anwesen hinter sich und zieht zu dem ihr frisch angetrauten Landarzt Charles Bovary (Henry Lloyd-Hughes) nach Yonville. Doch der nüchterne und ereignisarme Alltag mit dem pragmatischen Mediziner erfüllt die junge Frau nicht, weshalb sie sich ersatzweise daran macht, den Haushalt zu verschönern. Dabei unterstützt sie sehr eifrig der Kaufmann Lheureux (Rhys Ifans), der ihr Kredite anbietet, von denen Charles „nichts wissen muss“, damit sich Emma ganz den schönen Dingen des Lebens widmen kann. Ähnlich perfide manipuliert auch der Apotheker Homais (Paul Giamatti) das junge Paar und verleitet Charles zu einer riskanten Operation an einem gehbehinderten Zögling. Schließlich treten auch noch zwei Männer ins Leben Emmas, zum einen der junge Buchhalter Leon (Ezra Miller), der wie sie die schönen Künste zu würdigen weiß, zum anderen der Lebemann Rodolphe (Logan Marshall-Green), der sie die Leidenschaft erleben lässt, von der sie nur aus Romanen wusste ...

    In „Madame Bovary“ werden die bewährten Zutaten klassischer Literaturverfilmungen geboten: ausdrucksvolle Landschaften, teure Gewänder, geheime Briefe, Küsse und Tränen – und irgendwann eine Hochzeit. Doch neben den illustrativen Aspekten der sorgfältigen Ausstattung, der Frisuren und Kostüme kommen die eigentlichen tieferliegenden Themen von Flauberts Roman etwas kurz. So fehlt beispielsweise Emmas Vorleben als eifrige Romanleserin komplett, dabei ist es vor allem diese Lektüre, die ihre unrealistischen Erwartungen an ein prunkvolles und leidenschaftliches Eheleben geprägt hat. Und anders als im Buch scheint die Film-Emma kinderlos zu sein – von ihrer Tochter ist jedenfalls keine Rede. Nun werden bei einer Verfilmung natürlich immer eigene Akzente gesetzt, doch diese „Madame Bovary“ wirkt ohne das Hintergrundwissen des Buchkenners betrachtet recht einseitig und vordergründig.

    Rhys Ifans („Anonymus“) überzeugt zwar mit seiner süffisant-sardonischen Perfidität als egozentrischer Kaufmann, doch im Film wird er zum klaren Bösewicht, der durch eine unfassbare Demütigung ganz direkt verantwortlich scheint für Emmas Selbstmord, mit dem der Film beginnt und endet. Die Szene ist ein emotionaler Höhepunkt, aber während Flaubert vom Scheitern Emmas am Widerspruch zwischen ihren romantischen Illusionen und der schnöden Wirklichkeit erzählt, haben wir im Film einen Fiesling mit bedingt verständlichen Absichten und eine tragische, wenig heldenhafte Heldin. Im Zentrum von Sophie Barthes' Handlung stehen vor allem die Liebesgeschichten und die Bettszenen mit den attraktiven Co-Stars, das Spannendste daran ist die überdeutliche sexuelle Hierarchie im Schlafzimmer – eine hübsch umgesetzt, aber auch nicht gerade tiefschürfende Idee, zumal sie kaum in Bezug zum übrigen Geschehen gebracht wird.

    Auf wirklich schöne Szenen wie etwa den behutsam inszenierten schüchternen Beginn der Hochzeitsnacht, als die Braut ihren Gatten darauf hinweisen muss, dass sie sich nicht allein aus dem Kleid wird befreien können, folgen immer wieder platte Momente wie hier der körperliche Vollzug der Ehe mit quietschendem Bett, keuchendem Bräutigam und einer allzu deutlich ins Gesicht geschriebenen sofortigen Ernüchterung Emmas. Rundum überzeugend gelingt hingegen der Ausdruck von Emotionen über Musik, nicht nur bei Emmas Klavierspiel. Und wenn die junge Frau sich mit besorgten Blick immer mal wieder zu Passanten umdreht, die direkt aus alten Gemälden zu stammen scheinen, dann wird auf stimmige Weise Emmas schlechtes Gewissen repräsentiert: Die „Gesellschaft“ scheint über alle Sünden der Protagonistin bestens informiert zu sein.

    Fazit: Wie in Guillermo del Toros „Crimson Peak“ kann man sich zwei Stunden lang an Mia Wasikowkas Leidensmiene und an ihren prächtigen Kleidern ergötzen. Aber bei allen atmosphärischen Stärken krankt „Madame Bovary“ an deutlichen erzählerischen Schwächen.

    Möchtest Du weitere Kritiken ansehen?
    Das könnte dich auch interessieren
    Back to Top