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    The Green Inferno
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    The Green Inferno
    Von Tim Slagman

    Irgendwie hat man den Eindruck, Eli Roth hätte schon eine ganze Menge Filme gedreht. Stimmt aber gar nicht. Nach dem wenig inspirierten „Cabin Fever“, folgten noch „Hostel“ und 2007 dessen Nachfolger „Hostel 2“, so dass nun „The Green Inferno“ erst sein vierter Langspielfilm ist. Trotzdem wirkt Roth aufgrund vieler Projekte omnipräsent. So steckt er u.a. hinter der Netflix-Serie „Hemlock Grove“, ist als Produzent („Der letzte Exorzismus“) und als Schauspieler („Inglourious Basterds“ – hier auch Regie für einen Kurzfilm-im-Film) tätig und erfand sogar die einjährige Las-Vegas-Attraktion „Goretorium“, eine Art „Disneyland des Horrors“. Vor allem ist Roths Name aber so ein Sinnbild für Horror-Kino, weil er sich mit „Hostel“ so nachhaltig in die Erinnerung vieler Genrefans eingeprägt hat. Er nahm die drastische Gewaltdarstellung und den Unmut über den Status Quo von Mensch und Gesellschaft auf, der in den späten 60ern und 70ern Regisseure wie George A. Romero, Wes Craven oder Tobe Hooper auszeichnete und aus diesen Zutaten einen durchaus heftigen, wenn auch nicht perfekten Film formte. Auch bei „The Green Inferno“ sind die Vorbilder – wenn auch dieses Mal andere – deutlich sichtbar. Das Ergebnis ist routiniert inszeniert und solide – und selbstverständlich blutig – unterhaltend, aber auch höchst widersprüchlich.

    Justine (Lorenza Izzo) lässt sich allzu leicht von dem smarten Aktivisten Alejandro (Ariel Levy) überreden, im Regenwald von Peru gegen die Abholzung und die Zerstörung indigenen Lebensraums zu protestieren. Kaum hat der naive Studententrupp genug Zeit gehabt, sich über Mücken und das schlechte Essen vor Ort auszulassen, geht es auch schon auf zur Rodungsstelle. Doch nicht nur die Holzhacker erweisen sich als äußerst gewalttätig, bald schon taucht eine völlig neue Bedrohung aus dem Dschungel auf – und die folgt weniger den Profitinteressen skrupelloser Konzerne, sondern eher uralten Riten, die zu tun haben mit Verstümmelung und Verzehr.

    Eine Szene bleibt aus Eli Roths „The Green Inferno“ besonders nachdrücklich in Erinnerung: Ein Mitaktivist wird von Eingeborenen zerlegt, Augen werden herausgestochen, Gliedmaßen abgeschnitten und aufgegessen. Es ist eine Gewaltspitze, die allein deshalb bereits so auffällig ist, weil sie in dieser Deutlichkeit und in ihrem Detailreichtum selbst im Horrorfilm äußert selten ist. Roth verstört aber nicht nur durch diese Exzesse, sondern zusätzlich dadurch, dass er eine Geschichte erzählt, die nach B-Film, nach Trash förmlich schreit, die er aber auf dem handwerklich hohen Niveau von großem Hollywoodkino bebildert. Krasse Gewaltspitze trifft im Ergebnis dann auf naturschwelgerische Bilder von atemberaubender Schönheit – ein Gegensatz, den der umtriebige Regisseur zu selten unter einen Hut bringt.

    Roths inhaltliche Vorbilder stammen aus Italien und zwar von den Pionieren des Kannibalen-Horrors. Umberto Lenzi und sein „Die Rache der Kannibalen“ (1981) sowie  Ruggero Deodatos „Cannibal Holocaust - Nackt und zerfleischt“ (1980) stehen offensichtlich Pate. Die waren noch weitaus drastischer, aber teils auch recht billig heruntergekurbelt. Dagegen werden bei Eli Roth Blut und Dreck auf Hochglanz poliert. Wo früher im kannibalischen Exzess seltsame Penisprothesen aus ihrer Verankerung gerissen wurden, darf Hauptdarstellerin Lorenza Izzo („Aftershock“) bei Roth so noch im archaischsten Ritual ihr Höschen anbehalten. Während die Gewalt kopiert wird, bleibt man dann insgesamt doch etwas züchtiger. Dieser Kombination aus ultrabrutaler Hochglanzgewalt und Sittsamkeit fehlt dann insgesamt der raue Charme, der den Vorbildern auch heute noch eine traue Fangemeinde beschert.

    Dabei beweist Roth mit „The Green Inferno“ wie einst schon bei „Hostel“, dass er es versteht, Gewaltexzesse, Spannung und klares Statement (hier: die Ignoranz der westlichen Dekadenz gegenüber den Geknechteten dieser Erde) zu verbinden. Die klassische Spannungsdramaturgie von Gefangenschaft und Flucht, die ganz und gar nicht an die pessimistischen Wendungen der Vorbilder aus der Hochzeit des Independent-Horrors erinnert, vermag zu überzeugen. Dabei zeigt Eli Roth die Kannibalen nebenbei auch als Kulturträger und als Individuen, auch wenn sie ihm schlussendlich natürlich als „die Anderen“ dienen, die er braucht, um sein Bedrohungsszenario zu konstruieren. Die Wut, die in Roths Film steckt, ist dabei in gut konsumierbares Entertainment verpackt. Der Humanismus, der sich in Botschaft und Haltung versteckt, verblasst, wenn er seine Figuren einigen billigen Kackawitzchen preisgibt.

    Fazit: Eli Roths „Green Inferno“ ist zwar fesselnd, sieht aber etwas zu gut und glatt aus, um wirklich zu verstören. Brutal trifft so auf mitfühlend, leicht verdaulich auf politisch, mal glatt auf mal kantig: Diese Widersprüche wollen kein homogenes Ganzes bilden.

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