Mein Konto
    Stockholm
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Stockholm
    Von Ulf Lepelmeier

    Ausgehend von der Frage, welche Erwartungen und Wünsche junge Menschen hegen, wenn sie sich auf nächtliche Bekanntschaften einlassen, präsentiert uns der spanische Regisseur Rodrigo Sorogoyen in seinem in nur 13 Tagen abgedrehten und hauptsächlich durch Crowdfunding finanzierten Zwei-Personen-Konzeptfilm „Stockholm“ die beiden grundverschiedenen Seiten der Flirt- und Datingmedaille: Was als lockere, dialoglastige Romanze im nächtlichen Madrid beginnt, verwandelt sich in der zweiten Filmhälfte, die in einem klinisch-weiß schimmernden Appartement angesiedelt ist, in ein minimalistisches Psychodrama: Einem jungen Mann (Javier Pereira) fällt auf einer Party eine mysteriöse Frau (Aura Garrido) ins Auge. Er gesteht dem hübschen Mädchen sogleich seine Liebe und drückt ihr den Schlüssel zu seiner Wohnung in die Hand. Doch die perplexe Frau will sich auf den äußerst beharrlichen Mann nicht einlassen. Als er ihr nach der Party folgt und sie immer wieder in ein Gespräch zu verwickeln versucht, bleibt sie zuerst bei ihrer ablehnenden Haltung. Doch der anhängliche Typ lässt nicht locker und bringt sie schließlich mit Charme und Nachdruck dazu, doch mitzukommen.

    Die erste Hälfte von Sorogoyens Film erinnert mit dem im nächtlichen Madrid umherschlendernden und diskutierenden jungen Paar an Richard Linklaters Wiener Romanze „Before Sunrise“. Doch am nächsten Morgen ist die Unbeschwertheit der Nacht dahin und die harte Realität kommt zum Tragen. Die von verheißungsvollen Lichtern durchbrochene magische Dunkelheit weicht dem kalten Weiß der beengenden Wohnung. Nun ist kein Platz mehr für das schmeichelhafte Grau der kleinen Notlügen und Unwahrheiten lässt, die im lockeren Techtelmechtel der Nacht noch ausgetauscht wurden: Aus Spiel wird Ernst. Während die Inszenierung mit ihrer durchdachten Farbdramaturgie den Wandel und den Kontrast zwischen den beiden Hälften betont, sorgt das überzeugende Darstellerpaar dafür, dass sie schlüssig und fließend ineinander übergehen. Das Duo lässt die archetypisch nur Er und Sie genannten Figuren erst lebendig werden, insbesondere die konzentriert-zurückgenommen agierende Aura Garrido („Vulcania“) verpasst dem recht abstrakten filmischen Entwurf eine dringend benötigte Dosis echter Gefühle.

    Fazit: „Stockholm“ erweist sich als eine spannende filmische Versuchsanordnung zum Liebesleben von Twentysomethings.

    Möchtest Du weitere Kritiken ansehen?
    Das könnte dich auch interessieren
    Back to Top