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    Journey To Jah
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Journey To Jah
    Von Gregor Torinus

    Bei dem Begriff „Reggae“ fallen wahrscheinlich vielen erst einmal sanftmütige Sänger, die dicke Rastalocken tragen und noch dickere Joints rauchen, ein. Denn Reggae ist nicht nur eine Musikform, sondern der direkte und unverzichtbare Ausdruck der Rastafari-Kultur, die zugleich ein lässiger Lifestyle und eine tief empfundene Religion ist. Die Botschaft von Gleichheit und Liebe drückt sich in bekannten Parolen wie „One Love, One World“ oder „I and I“ aus, die ebenso oft auftauchen wie der Ausruf „Jah!“, was soviel wie Gott bedeutet. „Journey To Jah“ bezeichnet folglich eine Reise hin zu Gott, doch vor allem dokumentiert das Gemeinschaftswerk des Schweizers Noël Dernesch und des Deutschen Moritz Springer die Reise der europäischen Reggae-Sänger Gentleman und Alborosie nach Jamaika, dem Ursprungsort der Musik. Das Ergebnis ist eine vielschichtige Betrachtung zu einem überraschend komplexen und oft widersprüchlichen Phänomen.

    Der deutsche Reggae-Musiker Tilmann Otto alias Gentleman und der italienische Sänger Alberto D'Ascola alias Alborosie fanden bereits als Jugendliche auf Jamaika eine neue spirituelle Heimat. Dabei ist Gentleman der Sohn eines protestantischen Pastors aus Köln, während Alborosie auf Sizilien aufwuchs und sich in seiner Jugend auch mit der Mafia konfrontiert sah. Heute pendelt Gentleman zwischen Kingston und Köln, während Alborosie seit 14 Jahren ausschließlich auf Jamaika lebt. Beide Musiker sind nicht nur in Europa erfolgreich, sondern haben sich auch in der Heimat des Reggae großen Respekt erarbeitet. Die Inselbewohner geben ihnen vielleicht das größte Kompliment, indem sie sagen, dass die Sänger nicht wie Weiße sondern wie echte Jamaikaner klingen. Trotzdem ist auf der wunderschönen Karibikinsel nicht alles so paradiesisch, wie man es sich von Europa aus vorstellt.

    In „Journey to Jah“ gibt es nicht nur Musik, Joints und Sonnenschein. Auch die bittere Armut des Landes und die Gewalt in den Ghettos von Kingston, wo der Alltag ein täglicher Kampf ums Überleben ist, werden gezeigt. Dabei erscheinen auch der Reggae und die Rastafari-Religion nicht durchgängig in einem positiven Licht. Selbst viele Jamaikaner werfen den Rastafaris ihren Dogmatismus vor. Und der Dancehall, die neuere Variante des Reggae, propagiert keine Liebe unter allen Menschen, sondern ist teilweise von einer starken Homophobie geprägt. Ist die titelgebende Reise zu Gott also am Ende nichts als eine naive Illusion?

    Nein, so einfach ist es auch nicht. Alberosie meint: „God lives here. But Satan, too.“ Gentleman wiederum verweist darauf, dass die Armut, die Gewalt auf der einen Seite und der starke menschliche Zusammenhalt und die Spiritualität auf der anderen Seite wahrscheinlich zusammengehören. Weil das Leben auf Jamaika oft so unsicher und sogar gefährlich ist, leben die Menschen viel stärker im Augenblick und da sie so arm sind, ist es normal, dass man sich gegenseitig hilft. Die hohe Kriminalität und die starke Spiritualität sind somit vielleicht einfach zwei Seiten einer Medaille, die erst zusammen diese Insel zu einem so besonderen Ort machen.

    Dennoch gibt es auf Jamaika Probleme, die das Duo gerade als Europäer nicht einfach ignorieren kann: Wenn die Rastafaris ähnlich dogmatisch wie die katholische Kirche sind, wo bleibt da die erhoffte Befreiung? Wenn Sänger nicht mehr Liebe, sondern ganz offen Homophobie predigen, wo ist da der ursprüngliche Geist von Helden wie Bob Marley oder Peter Tosh geblieben? Gentleman und Alberosie müssen erkennen, dass ihre äußere Reise nur ein erster Schritt war, auf den jetzt die eigentliche innere Reise folgen muss. Gentleman sagt: „Das Paradies ist vielleicht kein Ort, sondern ein innerer Zustand.“

    Fazit: Mit „Jouney To Jah“ ist Noël Dernesch und Moritz Springer ein vielschichtiger Film über Rastafari, Reggae und Jamaika gelungen. Vor allem, weil sie nicht nur die Schönheit der Karibikinsel portraitieren, sondern auch erfolgreich die Schattenseiten der Reggae- und Rastafari-Kultur aufzeigen.

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