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    The Wee Man
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,5
    enttäuschend
    The Wee Man
    Von Constantin von Harsdorf

    Die Kriminalakte des ehemaligen Gangsters Paul Ferris kann sich sehen lassen: Von illegalem Waffenbesitz, über Drogendelikte bis hin zu Messerstechereien reichen die Einträge. Zudem stand Ferris auch einige Male unter Mordverdacht, juristisch nachgewiesen werden konnten ihm diese Kapitalverbrechen jedoch nicht. Dennoch verbrachte der Schotte regelmäßig Zeit hinter schwedischen Gardinen, wo er begann Bücher über seine kriminelle Karriere zu schreiben. Der Polizei und manchen Politikern war die Vermarktung von Ferris‘ Straftaten ein Dorn in Auge, was zu etlichen Kontroversen führte. Entsprechend laut war das Rauschen im Blätterwald, als bekannt wurde, dass der englische Regisseur Ray Burdis („Final Cut") Paul Ferris mit seinem biografischen Drama „The Wee Man" auch noch ein filmisches Denkmal setzen würde. Letztlich war all die Aufregung jedoch unnötig: „The Wee Man", der auf Ferris‘ Autobiografie basiert, ist nicht mehr als ein austauschbarer und weitgehend spannungsloser Gangsterfilm.

    Paul Ferris (Martin Compston) wächst in den 60er Jahren im berüchtigten Glasgower Arbeiterviertel Blackhill auf. Schon früh bekommt er die schonungslose Härte seines rauen Umfelds zu spüren und muss lernen, sich anzupassen. Vor allem die Banks-Brüder machen Ferris das Leben zur Hölle, bis er die Demütigungen nicht mehr aushält und sich auf einer Party brutal rächt. Durch seine Tat wird der selbsternannte Untergrundboss Arthur „The Godfather" Thompson (Patrick Bergin) auf Ferris aufmerksam und nimmt ihn unter seine Fittiche. Dank seiner skrupellosen Art macht der Nachwuchsgangster Ferris schnell Karriere, weckt jedoch gleichzeitig auch den Zorn anderer Ganoven, die es schon bald auf ihn und seine engsten Vertrauten abgesehen haben ...

    Subtil erzählt ist „The Wee Man" nicht: Um unmissverständlich klarzumachen, in welch hartem und zwielichtigem Milieu Paul Ferris aufwächst, sieht man zunächst, wie der Junge gnadenlose Polizeigewalt beobachtet, im nächsten Moment einen brutalen Ladenüberfall der berüchtigten Banks-Brüder bezeugt und kurze Zeit später deren Zorn am eigenen Leib erfährt. Ähnlich plakativ geht Regisseur Ray Burdis auch bei der Figurenzeichnung vor: Als der sadistisch veranlagte Sohn des Gangsterbosses Arthur Thompson einen Schuldner seines Vaters willkürlich mit der Rasierklinge im Gesicht verletzt, muss anschließend noch ausdrücklich die Überflüssigkeit dieser Aktion verbalisiert werden. Überdeutliche Szenen dieser Art gibt es einige in „The Wee Man". Fast wirkt es so, als würde Burdis seinem Publikum nicht zutrauen, aus den ohnehin mehr als eindeutigen Bildern, die richtigen Schlüsse zu ziehen.

    Ferris‘ Lebensgeschichte bietet reichlich Potential für einen fesselnden Film, aber das setzt Burdis nur in Ansätzen um. Viel zu konventionell entwickelt sich „The Wee Man", Intrigen, staatliche Gewalt und wilde Schießereien zwischen verfeindeten Gangstern rauschen in beliebiger Folge vorbei. Ähnlich austauschbar geraten die Figuren, deren Schicksal entsprechend wenig berührt. Uns werden lediglich gängige Verbrecher-Klischees präsentiert, die Eigenständigkeit fehlt fast durchgängig. Einzig Patrick Bergin („Die Stunde der Patrioten") als mächtiger „Godfather" Arthur Thompson bleibt mit seinem eindringlichen Spiel nachhaltig im Gedächtnis. Ist die mangelhafte Charakterentwicklung bei den zahlreichen Nebenfiguren noch zu verschmerzen, wird dieses Manko im Fall der Hauptfigur Paul Ferris zu einem echten Problem: In fast jeder Szene ist der impulsive Verbrecher zu sehen, die ganze Handlung dreht sich um ihn - und doch fehlt jede Tiefe.

    Hauptdarsteller Martin Compston („Sister") gibt zwar sein Bestes, darf aber allzu oft nicht mehr tun als seinem Gegenüber mit vor Wut schäumendem Blick wüste Drohungen an den Kopf zu werfen. Zu selten und zu oberflächlich gewährt Burdis dem Zuschauer einen Blick in das geplagte Seelenleben des aufstrebenden Gangsters. Was Ferris hinter seiner Rastlosigkeit und Aggressivität wirklich umtreibt, bleibt im Dunkeln. So müssen die Gängeleien und die daraus resultierenden Rachegelüsten aus der Jugend als einziger Grund für seine spätere skrupellose Verbrecherlaufbahn herhalten. Dass das viel zu kurz gegriffen ist, liegt auf der Hand – so erscheint oft genug Ferris wie das eigentliche Opfer. Wenn der schließlich gar zu einer Art modernem Robin Hood stilisiert wird und nach einem gerichtlichen Freispruch den Beifall der anwesenden Pressevertreter erntet, schießt Burdis endgültig über das Ziel hinaus.

    Fazit: Regisseur Ray Burdis bleibt weit unter den Möglichkeiten seiner Geschichte und liefert mit „The Wee Man" einen spannungsarmen Gangsterfilm nach Schema F.

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