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    The Zero Theorem
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    The Zero Theorem
    Von Thomas Vorwerk

    Terry Gilliam ist nicht nur das einzige US-amerikanische Mitglied der legendären britischen Komikertruppe „Monty Python's Flying Circus“, sondern auch der geniale Visionär hinter einigen großartigen Filmen aus den 1980er und 90er Jahren wie „Brazil“, „König der Fischer“ oder „12 Monkeys“. Fünf Tage nach seinem 74. Geburtstag kommt jetzt sein zwölfter abendfüllender Spielfilm, „The Zero Theorem“, in die deutschen Kinos, nominell ein dystopischer Science-Fiction-Film, eigentlich aber die reichlich wirre, satirisch leicht überspitzte Suche eines mental Angeschlagenen nach dem Sinn des Lebens. Und auch wenn man letztlich mehr als die Hälfte aller Filme von Terry Gilliam so ähnlich umschreiben könnte, ist „The Zero Theorem“ die wohl am wenigsten überzeugende Variation zum Thema im Œuvre des Regisseurs.

    Qohen Leth (Christopher Waltz) ist ein begabter Computerhacker, der aber mit zahlreichen Neurosen nicht ganz in den Arbeits- (und Feier-)Alltag seiner Welt passen will. Er wartet auf die Wiederholung eines einst verpassten, potenziell lebenswichtigen Telefonanrufs, will deshalb seine Wohnung so selten wie möglich verlassen, und hat sich angewöhnt, in der ersten Person Plural von sich zu sprechen. Sein Vorarbeiter Joby (David Thewlis), das mysteriöse Firmenoberhaupt „Management“ (Matt Damon) und ein junger Kollege namens Bob (Lucas Hedges), der sich später als der rebellische Sohn des Chefs herausstellt, wollen Qohen helfen oder für eigene Ziele manipulieren. Außerdem gibt es da noch das offenherzige Party-Luder Bainsley (Mélanie Thierry aus dem Gilliam-inspirierten „Babylon A.D.“) und eine virtuell auftretende Psychotherapeutin, „Dr. Shrink-Rom“ (Tilda Swinton), die auf Qohen einwirken, als hingen von ihm hochwichtige Entscheidungen ab. Er soll nämlich das Zero-Theorem entschlüsseln, das einem naturwissenschaftlichen heiligen Gral entsprechen könnte.

    Das Projekt „The Zero Theorem“ geht auf eine Kurzgeschichte von 1999 zurück. Deren Autor Pat Rushin bastelte in Eigenregie ein Drehbuch daraus, das schon 2008 auf Terry Gilliams Schreibtisch lag, doch der Regisseur entschied sich seinerzeit zunächst für „Das Kabinett des Dr. Parnassus“ (durch den Tod des Hauptdarstellers Heath Ledger während der Dreharbeiten auch nicht eben ein Spaziergang) und die langfristige Planung seines ganz persönlichem Wunschprojekts „The Man Who Killed Don Quixote“. Nun hat er sich doch noch Rushins Stoff vorgenommen – immerhin war das Drehbuchtreatment in der Ur-Fassung (und somit vor diversen Überarbeitungen) laut Produzent Dean Zanuck das Originellste, „was er je gelesen hat“. Diese Begeisterung lässt sich allerdings anhand des Endprodukts nicht einmal ansatzweise nachvollziehen.

    Wie Gilliam bereitwillig zugibt, sieht er „The Zero Theorem“ als zeitgenössische Variation von „Brazil“, seines Films aus dem Orwell-Jahr 1984. Wie damals Jonathan Pryce als Sam Lowry knechtet auch Qohen Leth in einem stumpfsinnigen Bürojob und der kauzige Eigenbrötler findet erst durch die Liebe zu einer vermeintlichen Traumfrau den Mut, gegen das System zu rebellieren. Was übrigens auch schon das Handlungsgerüst bei Orwell selbst war. Dass der totalitäre Überwachungsstaat diesmal kein Staat per se ist, sondern ein globaler Computerkonzern („Mancom“, wobei das „Man“ wohl eher die Abkürzung für „Management“ ist), stellt noch die auffallendste Veränderung innerhalb der Prämisse dar. Und somit wirkt die zudem nur rudimentär ausgearbeitete Geschichte wie ein Dutzend Mal wiedergekäut, der Gilliam-Touch ist hier in erster Linie in der Ausstattung wiederzuerkennen.  

    Für Kenner und Fans des Regisseurs ist dabei interessant, wie es Gilliam mit einem Bruchteil seiner früheren Budgets gelingt, eine weitere futuristische Filmwelt im  Old-School-Look zu kreieren, wobei jedoch unübersehbar ist, dass sich die Anzahl der unterschiedlichen Dekors und Schauplätze in engen Grenzen hält. Und auch das Schauspielerensemble ist ungewöhnlich klein – größere Gruppen sind nur in einem Straßenzug zu sehen, wo Passanten wortwörtlich von bunten Werbebannern verfolgt werden, und in einem quirligen Großraumbüro, das eher wie eine Spielhalle aussieht. Von diesen Szenen abgesehen ist „The Zero Theorem“ fast ein Kammerspiel, denn es interagieren nur selten mehr als drei Personen.

    Früher zeichneten sich die Filme von Terry Gilliam durch ein Übermaß visueller Ideen aus, diesmal wirkt vieles nur wie ein mehr oder weniger müder Abklatsch. Matt Damon in chamäleonartigen Maßanzügen, deren Design sich ganz an seinem Umfeld orientieren, eine wie immer fabelhafte Tilda Swinton mit Lipgloss auf jung getrimmt, possierliche Ratten an der Peripherie der Gesellschaft oder zwei Klone, die sich durch auffällige Unterschiede in der Physiognomie auszeichnen - das sind dann fast schon die optischen Höhepunkte des Films. Und was das sozialsatirische Element angeht, gibt es auch nur wenige Glanzmomente, zu denen der originell-programmatische Einsatz des berühmten Radiohead-Songs „Creep“ gehört, der hier in stark veränderter Instrumentierung erklingt.  

    Hauptdarsteller Christoph Waltz bietet hier seinen (abgesehen vielleicht von „The Green Hornet“) wohl kauzigsten Auftritt, mit der Glatze und seinen wilden Grimassen erinnert sein Qohen von ferne an Christopher Lloyds legendäre Darbietung als Bösewicht Judge Doom in „Falsches Spiel mit Roger Rabbit“, wodurch die traumatische Vergangenheit der Figur allerdings zum Treppenwitz verkommt. Unter diesen Voraussetzungen dürfte es der großen Publikumsmehrheit zudem einigermaßen schwerfallen, die seltsame Liebesgeschichte zwischen Qohen und der von der bezaubernden Mélanie Thierry verkörperten Bainsley ernstzunehmen – das Beste an dieser bizarren Romanze sind die kleinen Veränderungen im Vergleich zu anderen „Beauty and the Nerd“-Storys.

    Fazit: Man erkennt zwar in jedem Augenblick, dass dies ein Terry-Gilliam-Film ist, doch diese wenig inspirierte Selbstkopie ist kein Ruhmesblatt im Werk des Kultregisseurs.

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