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    MansFeld
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    MansFeld
    Von Petra Wille

    Kindern beim Großwerden zusehen ist faszinierend. Immer wieder haben sich auch Filmemacher diesem Thema angenommen und festgehalten, wie Kinder aufwachsen. Da gibt es die Langzeitdokumentation „Die Kinder von Golzow“ des Ehepaares Barbara und Winfried Junge, die 1961 in der damaligen DDR begann und erst 2007 beendet wurde und die britische „Up“-Serie, die 1964 gestartet wurde und immer noch regelmäßig zeigt, wie sich die Protagonisten entwickeln. Ein herausragender Vertreter dieses Genres ist „Sein und Haben“ von Regisseur Nicolas Philibert, der die Kinder in einer französischen Dorfschule übers Jahr begleitet. Allen Beispielen gemein ist, dass im Fokus dabei das Miteinander der Kinder und das Verhältnis der Generationen zueinander stehen. So ist es auch in Mario Schneiders „MansFeld“. Der Regisseur widmet sich drei Jungen, die im südwestlichen Teil Sachsen-Anhalts leben. Auch wenn einige Fragen offen bleiben, gelingt ihm ein interessanter Einblick in das Leben der Kinder und der speziellen Tradition dieser Region.

    Der achtjährige Tom und die beiden neunjährigen Sebastian und Paul leben in einem Dorf im Mansfelder Land, dessen Umgebung vom Bergbau und seinen Spätfolgen geprägt ist. Für alle drei Kinder spielt eine alte Tradition eine große Rolle: Das Pfingstfest mit seinen Ritualen, vor allem dem Knallen mit einer langen Peitsche, das sie das ganze Jahr über ehrgeizig trainieren. Ansonsten leben die drei in sehr unterschiedlichen Verhältnissen: Toms Vater kommt nur ab und an zu Besuch, der Junge wohnt bei seinen zwei Müttern. Sebastian hat zwei Brüder und wächst bei seinen liebevollen Eltern auf. Paul hingegen hat es schwerer: Seinem oft ruppigen Vater droht der Verlust der Arbeit und er hat Mühe, in der Schule mitzukommen.

    Neunjährige, die eine vier Meter lange Peitsche schwingen und dabei etwas grimmig gucken, sind ein ungewöhnlicher Einstieg in einen Film. Dramaturgisch geschickt lässt Mario Schneider das Publikum nach und nach entdecken, dass die Kinder keineswegs besonders gewaltbereit sind, sondern ein regionaler Brauch hinter dem Peitschenknallen steht: Am Ende der kalten Jahreszeit findet ein Generationenwechsel statt. Kinder und junge Leute in bunter Verkleidung vertreiben symbolisch die Alten, die versuchen, sich im matschigen Boden festzuhalten. Die Vorbereitungen für dieses Fest strukturieren den Film: Das Trainieren des Peitschenknallens oder Aufnahmen von Frauen, die Blumen aus Krepppapier drehen und bunte Stoffe zusammennähen, werden immer wieder eingestreut bis schließlich der Pfingsttag selbst da ist. Die Kinder müssen an diesem traditionelle, mit vielfarbigen Bändern verzierte Kostüme und einen farbenfrohen Hut auf dem Kopf tragen. Nach einem Umzug erfolgen ausgiebige Schlammschlachten, die sich zusammen mit den immer wiederkehrenden Peitschenklängen allerdings ein wenig zu lange hinziehen. Kontrastiert werden die Aufnahmen aus der Gegenwart mit Stummfilmbildern von 1926, die das gleiche, geheimnisvoll anmutende Ritual zeigen.

    Doch nicht das Ritual steht im Mittelpunkt des Films sondern die drei unterschiedlichen jungen Protagonisten, die das Leben in Mansfeld aus verschiedenen Blickwinkeln zeigen. Zwar wirkt der nachdenkliche und fantasievolle Tom deutlich interessanter und facettenreicher als die anderen, doch gerade von den Unterschieden der drei Heranwachsenden lebt Mario Schneiders Film. Mit der Inszenierung gelingt es dem Regisseur dabei gut, die Perspektive seiner kindlichen Protagonisten einzunehmen: Stets ist die Kamera auf Augenhöhe der Kinder und blickt nicht von oben auf sie herab. Die Landschaft von Mansfeld, geprägt durch die von riesigen, düsteren Halden durchzogene Natur, bleibt dagegen ein wenig außen vor. Weiß man nicht, in welcher Umgebung Mansfeld angesiedelt ist, erfährt man durch den Film nicht mehr. Und nicht nur in dieser Hinsicht bleibt manche Frage offen: Welche Auswirkungen hat der Niedergang des Bergbaus für Mensch und Natur? Wie lebt es sich mit zwei Müttern in einem dörflichen Umfeld?

    Fazit: Mit „MansFeld“ ist Mario Schneider ein faszinierender Einblick in das Leben dreier sehr unterschiedlicher Jungs und eines archaisches Rituals in ihrem Heimatdorf gelungen, auch wenn bei der ruhigen und unkommentierten Beobachtung einige wichtige Fragen vernachlässigt werden.

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