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    Love Alien
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Love Alien
    Von Gregor Torinus

    Sex ist in der heutigen Gesellschaft allgegenwärtig und alle Tabus scheinen längst gefallen zu sein: BDSM- und Fetisch-Ästhetik waren schon vor Lady Gaga im Mainstream längst keine Besonderheit mehr und vom Auto bis zur Kosmetik wird nahezu jedes Konsumgut durch die Werbung mit Bildern von halbnackten Frauen in lasziven Posen verkauft. Fast alles scheint erlaubt und jeder macht mit! Angesichts dieser sexuellen Reizüberflutung ist es kaum vorstellbar heutzutage als junger Mann in einer deutschen Großstadt zu leben und zu bekennen, dass man noch nie Sex hatte. In einer Zeit, in der alle Tabus fallen, wird die Unerfahrenheit selbst zum letzten Tabu. Genau darum geht es in Wolfram Hukes sehenswertem autobiografischem Dokumentarfilm „Love Alien“, in dem sich der Filmemacher als Mitglied einer vermeintlich aussterbenden Spezies outet, die unter Begriffen wie „Absolute Beginner“ bekannt ist.

    In „Love Alien“ zeigt Regisseur Wolfram Huke mit seinem 29. Geburtstag als Ausgangspunkt genau ein Jahr aus seinem Leben. In ebenso charmanter, wie entwaffnender Offenheit berichtet Huke von seinem Dasein als Dauersingle: Bisher hatte er weder eine längere Beziehung noch Sex mit einer Frau. Er fühlt sich nicht nur einsam, sondern mit zunehmendem Alter auch immer mehr als Außenseiter. So bezeichnet Huke sich selbst in einer charmanten Mischung aus leichter Melancholie und unverkrampfter Selbstironie als einen Außerirdischen, als einen „Love Alien“. Äußerlich sei er ein Mensch wie jeder andere, aber zum wahren Menschsein fehle ihm eine essentielle Eigenschaft, nämlich die Fähigkeit, die Liebe zu seiner Person erwecken zu können. Es ist weniger der Sex, den er vermisst, als eine echte Beziehung, „ein Gegenüber“.

    In dem einen Jahr, die Huke sich selbst filmt, zeigt er nicht nur seine Unfähigkeit zu Dingen, wie auf Partys oberflächlichen Smalltalk zu betreiben, sondern auch seine vielfältigen Versuche, trotzdem eine Partnerin zu finden: Eine auf Beziehungsunfähigkeit spezialisierte Psychotherapeutin sagt ihm erwartungsgemäß, dass er in Wirklichkeit Angst vor einer Beziehung habe. Zwei junge Nachwuchs-Style-Beraterinnen sehen seinen Fall wesentlich einfacher: Bereits seine Kleidung drücke seine geringe Selbstwertschätzung aus. Er müsse auch nach außen hin zeigen, was er wert sei, damit ihn auch jemand „kaufen“ mag. Im Vergleich dazu wirken die zum Teil abstrusen Angaben, die zur Profilerstellung einer Partnerbörse im Internet verlangt werden, schon wieder belustigend.

    „Love Alien“ zeichnet sich durch die entwaffnende Offenheit aus, mit der Huke intime Einblicke in sein Leben gewährt. Dabei hatte Huke ursprünglich gar nicht geplant, einen Film über sich selbst zu drehen, sondern nur mit sich selbst angefangen, um eine angemessene Herangehensweise an sein Thema auszuprobieren. Es ist ein Glück für den Zuschauer, dass Freunde ihn davon überzeugen konnten, sein Projekt in ein Selbstportrait zu verwandeln. Denn angesichts des Themas wäre es wohl schwer gewesen, einen Protagonisten zu finden, der sich ähnlich offen über seine Misere äußert wie Huke selbst. Nicht zuletzt der zeitlich genau abgesteckte Rahmen, sorgt für größtmögliche Authentizität. So findet der Regisseur einen äußeren Rahmen, ohne das konkrete Geschehen in ein künstliches dramaturgisches Korsett zu zwingen. Das Ergebnis macht „Love Alien“ zu einem ebenso ungewöhnlichen, wie sehenswerten Dokumentarfilm.

    Fazit: In „Love Alien“ begleitet der Endzwanziger Wolfram Huke sich selbst ein Jahr lang mit der Kamera und zeigt sein einsames Leben als „Dauersingle“ und seiner Suche nach der ersten Frau, mit der er eine Beziehung haben könnte. Sein Film besticht durch Hukes Fähigkeit zur Selbstironie und seine offenherzige Art, durch die sich der Regisseur als einer der letzten Romantiker offenbart.

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