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    Tatort: Die chinesische Prinzessin
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Tatort: Die chinesische Prinzessin
    Von Lars-Christian Daniels

    Hauptkommissar Frank Thiel (Axel Prahl) und Prof. Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers) sind das mit Abstand beliebteste aktuelle Ermittler-Duo im „Tatort“: Die Ulknudeln aus Münster bescheren der ARD dank der meist gelungenen Mischung aus Krimi und Komödie regelmäßig Einschaltquoten auf Rekordniveau. Doch die Figuren sind ein wenig in die Jahre gekommen: Wirklich weiter entwickelt hat sich der „Tatort“ aus Westfalen schon lange nicht mehr, und mit dem unsäglichen Klamaukfeuerwerk „Das Wunder von Wolbeck“ verärgerte man im November 2012 sogar die eingefleischten Fans. Das Drehbuch zum Nachfolger „Summ, Summ, Summ“, in dem die Balance zwischen Krimi und Komödie wieder deutlich stimmiger ausfiel, war da bereits geschrieben – der neue Münsteraner „Tatort: Die chinesische Prinzessin“ aber allenfalls angedacht. In diesem nehmen der langjährige „Großstadtrevier“-Regisseur Lars Jessen und der federführende WDR eine kräftige Kurskorrektur vor: „Die chinesische Prinzessin“ ist der witzloseste Münsteraner Fadenkreuzkrimi aller Zeiten! Mit dem Ergebnis dürften aber weder die Fans noch die Kritiker von Thiel und Boerne wirklich glücklich werden.

    Die vielbeachtete Künstlerin, Dissidentin und waschechte chinesische Prinzessin Songma (Huichi Chiu) stellt ihre Installationen im Westfälischen Landesmuseum aus. Auf der feierlichen Vernissage, zu der Kurator Jürgen Martin (Tonio Arango) neben Pressevertretern auch die Münsteraner High Society eingeladen hat, lernt die letzte Nachfahrin der Kaiserinnenwitwe Cixi Professor Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers) kennen, der ihrer Schönheit und Anmut sofort verfällt. Weil Songma von der stocksteifen Gesellschaft im Museum gelangweilt ist, landen die beiden spontan in Boernes Leichenhalle und schieben eine schnelle Nummer auf dem Sektionstisch. Am nächsten Morgen ist die Künstlerin tot – ermordet mit einem Skalpell. Der Professor steht plötzlich unter dringendem Tatverdacht, weil er mit Drogen im Blut und ohne Erinnerung an die vergangene Nacht neben der Leiche aufgefunden wird. Da kann nur einer helfen: Hauptkommissar Frank Thiel (Axel Prahl), der sofort die Ermittlungen aufnimmt und anders als Staatsanwältin Wilhelmine Klemm (Mechthild Großmann) vor der Unschuld des Rechtsmediziners überzeugt ist...

    Wenn Krimi-Autoren die Ideen ausgehen, greifen sie oft zu einem simplen Kniff: Sie involvieren die Ermittler einfach persönlich in die thematisierte Straftat. In der „Tatort“-Reihe sind Entführungen der weiblichen Kommissarin besonders beliebt: Schon unzählige Male musste Lena Odenthal (Ulrike Fokerts) dran glauben (zuletzt 2012 in „Der Wald steht schwarz und schweiget“), 2013 traf es die Leipziger Kollegin Eva Saalfeld (Simone Thomalla) in „Ihr Kinderlein kommet“. Noch beliebter ist es aber, die Ermittler selbst, in Tatverdacht zu bringen: Der Münchener Kommissar Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) geriet 2012 in „Der traurige König“ unter Mordverdacht, sein Kölner Kollege Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) teilte 2010 in „Klassentreffen“ das gleiche Schicksal. Nun also Professor Boerne: Eine Steilvorlage für Pointen am Fließband, doch der krimierprobte Drehbuchautor Orkun Ertener („KDD – Kriminaldauerdienst“) entscheidet sich für einen ernsthaften Weg, der in auffallendem Widerspruch zum bisherigen Konzept steht. Exemplarisch zeigt sich dies am kurzen Einbuchten des Mordverdächtigen: Boernes unfreiwillige Nacht in der kargen U-Haft-Zelle – man denke zurück an seinen köstlichen Luxushotel-Aufenthalt in „Summ, Summ, Summ“ – wird ohne einen einzigen Gag abgehandelt. Auch die Begegnung mit einem Straftäter, den der Forensiker einst hinter Gitter brachte, bleibt überraschend folgenlos.

    Naturgemäß fehlen angesichts der Boerne-Inhaftierung in „Die chinesische Prinzessin“ auch die fest zum Konzept zählenden Neckereien mit der kleinwüchsigen Assistentin Silke Haller (Christine Urspruch), die diesmal auf sich allein gestellt ist und am Schreibtisch ihres abwesenden Chefs tapfer die Stellung hält. Wenn sich der Professor in den Schlussminuten ehrlich und aufrichtig bei seiner sichtlich gerührten Helferin bedankt und sie zum ersten Mal nicht spöttisch mit „Alberich“, sondern mit „Frau Haller“ anspricht, ist das zwar ein denkwürdiger Münsteraner Moment, entscheidend aufgewertet wird der 883. „Tatort“ dadurch aber nicht. Denn die Geschichte, in der es vor gewohnt unsympathischen BKA-Störenfrieden, tätowierten Mafiamitgliedern und chinesischen Regimekritikern nur so wimmelt, fällt nicht nur reichlich konfus, sondern für den „Tatort“ auch einfach eine Nummer zu international aus. Da kann der mal wieder von allen genervte, übernächtigte Hauptkommissar Thiel noch so oft darüber witzeln, dass der chinesische Geheimdienst ausgerechnet auf das beschauliche Münster ein Auge geworfen haben soll.

    Auch die Political Incorrectness, bekanntlich ein Münsteraner Markenzeichen, ist diesmal eher irritierend als amüsant: Thiel („Ping Pang Pung, Tsching Tschang Tschung, Sie wissen schon!“) beschimpft den tatverdächtigen chinesischen Diplomaten Wang Yijaian (Maverick Quek) grundlos als „Frühlingsrolle“ und scheint auch sonst herzlich wenig für die asiatische Weltanschauung übrig zu haben – „Gran Torino“ lässt grüßen. Die Folgen seines einleitenden feucht-fröhlichen Rotwein-Abends mit Nadeshda Krusenstern (Friederike Kempter) – es wird stilecht aus Maßkrügen getrunken – sind hingegen früh zu erahnen: Den von Kater und Filmriss gebeutelten Kommissar plagt am nächsten Morgen sein schlechtes Gewissen, weil er im Gegensatz zum Zuschauer ernsthaft an einen One-Night-Stand mit seiner hübschen Assistentin glaubt. Als Nadeshda ihren Vorgesetzten schließlich für diese absurde Vorstellung auslacht, hat man für wenige Sekunden Mitleid mit dem ewigen Junggesellen – doch schon im nächsten Augenblick wird der ungewöhnlich nachdenkliche Moment durch einen flapsigen Spruch ruiniert. Schade.

    Fazit: Schluss mit lustig! Im Münsteraner „Tatort: Die chinesische Prinzessin“ darf so wenig gelacht werden wie noch nie. Diese Kurskorrektur ist zwar mutig, aber (noch) nicht überzeugend.

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